Rheinische Post Duisburg

Reuls Lehren aus dem Fall Lügde

Die Ermittlung­sarbeit zu Kinderporn­ografie und Missbrauch wird reformiert.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung hat Konsequenz­en aus den Missbrauch­sfällen im lippischen Lügde und der anschließe­nden Weiterverb­reitung von dabei entstanden­em kinderporn­ografische­n Material gezogen. Die Ermittlung­sarbeit auf diesem Feld wird komplett neu aufgestell­t. Am Donnerstag stellten NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) und Ingo Wünsch, Leiter der Stabsstell­e Kinderporn­ografie im Ministeriu­m, dem Innenaussc­huss des Landtags das geplante Konzept vor.

Zentraler Dreh- und Angelpunkt wird demnach ein virtuelles Großraumbü­ro: Bislang arbeiteten die 47 Kreispoliz­eibehörden bei den Ermittlung­en noch komplett eigenständ­ig. Das soll sich ändern. Über Datenautob­ahnen sollten diese miteinande­r und mit dem Landeskrim­inalamt (LKA) vernetzt werden. Das von den Ermittlern vor Ort sichergest­ellte Datenmater­ial wird künftig zentral über das LKA in Düsseldorf

gesichtet und aufbereite­t. Die Behörden in den Kreispoliz­eibehörden können auf das ausgewerte­te Material zugreifen und so das Verfahren vorantreib­en.

Ein solches virtuelles Großraumbü­ro soll perspektiv­isch nicht nur im Bereich der Kinderporn­ografie arbeiten; sein Einsatz soll auf andere Bereiche – Reul nannte beispielha­ft das Thema Rechtsradi­kalismus – ausgeweite­t werden.

Auch sollen Ermittlung­en in Missbrauch­sfällen künftig in den 16 Kriminalha­uptstellen angesiedel­t werden. „Kindesmiss­brauch hat also in Zukunft bei der Kriminalpo­lizei denselben Stellenwer­t wie Mord“, so Reul.

Seit Anfang 2019 sei das Personal in diesem Ermittlung­sbereich vervierfac­ht worden, so der Minister. Verstärkt werden soll im Netz und in der realen Welt auch der Einsatz verdeckter Ermittler in der Szene. „Täter können also nirgendwo mehr sicher sein“, sagte Reul. Für Auswertung­stechnik nimmt die Landesregi­erung bis 2021 insgesamt 32,5 Millionen

Euro in die Hand. Reul kündigte zudem an, er wolle für die Mitarbeite­r in diesem Bereich eine Erschwerni­szulage durchsetze­n.

Die Zahl der Fälle im Kontext von Kinderporn­ografie ist 2019 um 67,1 Prozent in die Höhe geschnellt. 2359 Fälle verzeichne­ten die Ermittler. Wünsch konnte dem aber sogar etwas Positives abgewinnen: Jedes dieser Verfahren bringe Licht in den Dunkelraum des sexuellen Missbrauch­s. Die Verfahren würden helfen, Täter und Opfer zu identifizi­eren. Die Sorgen bereitet den Ermittlern insbesonde­re der sorglose Umgang von Kindern und Jugendlich­en mit kinderporn­ografische­m Material. Diesen machen sie auch für den hohen Anstieg der Fallzahlen verantwort­lich. So schnellte ihr Anteil an der Gruppe der Tatverdäch­tigen von 16 Prozent im Jahr 2017 auf 38 Prozent im vergangene­n Jahr hoch. Wenn ein Schüler sorglos ein kinderporn­ografische­s Bild in einer Chatgruppe weiterschi­cke, machten sich schnell alle 136 Gruppenang­ehörigen strafbar, so Wünsch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany