Reuls Lehren aus dem Fall Lügde
Die Ermittlungsarbeit zu Kinderpornografie und Missbrauch wird reformiert.
DÜSSELDORF Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen im lippischen Lügde und der anschließenden Weiterverbreitung von dabei entstandenem kinderpornografischen Material gezogen. Die Ermittlungsarbeit auf diesem Feld wird komplett neu aufgestellt. Am Donnerstag stellten NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Ingo Wünsch, Leiter der Stabsstelle Kinderpornografie im Ministerium, dem Innenausschuss des Landtags das geplante Konzept vor.
Zentraler Dreh- und Angelpunkt wird demnach ein virtuelles Großraumbüro: Bislang arbeiteten die 47 Kreispolizeibehörden bei den Ermittlungen noch komplett eigenständig. Das soll sich ändern. Über Datenautobahnen sollten diese miteinander und mit dem Landeskriminalamt (LKA) vernetzt werden. Das von den Ermittlern vor Ort sichergestellte Datenmaterial wird künftig zentral über das LKA in Düsseldorf
gesichtet und aufbereitet. Die Behörden in den Kreispolizeibehörden können auf das ausgewertete Material zugreifen und so das Verfahren vorantreiben.
Ein solches virtuelles Großraumbüro soll perspektivisch nicht nur im Bereich der Kinderpornografie arbeiten; sein Einsatz soll auf andere Bereiche – Reul nannte beispielhaft das Thema Rechtsradikalismus – ausgeweitet werden.
Auch sollen Ermittlungen in Missbrauchsfällen künftig in den 16 Kriminalhauptstellen angesiedelt werden. „Kindesmissbrauch hat also in Zukunft bei der Kriminalpolizei denselben Stellenwert wie Mord“, so Reul.
Seit Anfang 2019 sei das Personal in diesem Ermittlungsbereich vervierfacht worden, so der Minister. Verstärkt werden soll im Netz und in der realen Welt auch der Einsatz verdeckter Ermittler in der Szene. „Täter können also nirgendwo mehr sicher sein“, sagte Reul. Für Auswertungstechnik nimmt die Landesregierung bis 2021 insgesamt 32,5 Millionen
Euro in die Hand. Reul kündigte zudem an, er wolle für die Mitarbeiter in diesem Bereich eine Erschwerniszulage durchsetzen.
Die Zahl der Fälle im Kontext von Kinderpornografie ist 2019 um 67,1 Prozent in die Höhe geschnellt. 2359 Fälle verzeichneten die Ermittler. Wünsch konnte dem aber sogar etwas Positives abgewinnen: Jedes dieser Verfahren bringe Licht in den Dunkelraum des sexuellen Missbrauchs. Die Verfahren würden helfen, Täter und Opfer zu identifizieren. Die Sorgen bereitet den Ermittlern insbesondere der sorglose Umgang von Kindern und Jugendlichen mit kinderpornografischem Material. Diesen machen sie auch für den hohen Anstieg der Fallzahlen verantwortlich. So schnellte ihr Anteil an der Gruppe der Tatverdächtigen von 16 Prozent im Jahr 2017 auf 38 Prozent im vergangenen Jahr hoch. Wenn ein Schüler sorglos ein kinderpornografisches Bild in einer Chatgruppe weiterschicke, machten sich schnell alle 136 Gruppenangehörigen strafbar, so Wünsch.