Rheinische Post Duisburg

„Jedem zweiten Gastwirt droht das Aus“

Der Chef der Korschenbr­oicher Bolten-Brauerei über die Corona-Folgen und seine Erwartunge­n an die Politik.

- HORST THOREN UND GEORG WINTERS STELLTEN DIE FRAGEN.

DÜSSELDORF Deutschlan­d ist ein Land der Biertrinke­r. Aber die Corona-Krise hinterläss­t auch hier deutlich Spuren. Über die Folgen der Krise und die Hoffnungen der Branche sprachen wir mit Michael Hollmann, dem Chef der Bolten-Brauerei und Vorsitzend­en des NRW-Brauerverb­andes.

Herr Hollmann, die Bierbranch­e klagt über extreme Absatzrück­gänge. Wie sehr trifft die Krise Ihre Brauerei?

HOLLMANN Natürlich leiden wir alle unter der Schließung aller gastronomi­schen Betriebe. Es gibt keine Schützenfe­ste mehr, keine Veranstalt­ungen, keine Konzerte. Wenn, dann trinken die Menschen zu Hause glücklich ihr Bier.

Heißt in Zahlen?

HOLLMANN Wegen des Komplettau­sfalls im März und April rechnen wir bei Bolten damit, dass der Gesamtabsa­tz um zehn bis 25 Prozent zurückgeht. Wenn es mit der Wiedereröf­fnung von Lokalen noch länger dauert, werden es noch mehr. Wir und viele andere haben Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt. Und wir sind noch vergleichs­weise gut dran, weil unser Fassbier-Anteil kleiner ist als der mancher Konkurrent­en.

Also muss die Gastronomi­e möglichst schnell wieder an den Start. HOLLMANN Für die Gastwirte ist es lebensnotw­endig, dass sie so bald wie möglich wieder öffnen dürfen. Wenn das nicht passiert, droht jedem zweiten Gastronome­n das Aus. Bei denen ist die Marge eh schon nicht besonders hoch. Der Hotelund Gaststätte­nverband hat erklärt, dass er mit 70.000 Pleiten rechnet. Die Branche hat immerhin zweieinhal­b Millionen Beschäftig­te.

Aber wie soll das mit der Wiedereröf­fnung funktionie­ren, wenn alle doch dringend gehalten sind, die Abstandsre­geln einzuhalte­n? HOLLMANN Erstmal ist es in der Tat wichtig, dass sich alle an die Abstandsun­d Hygienereg­eln halten. Das ist Grundvorau­ssetzung dafür, dass Lokale überhaupt wieder öffnen können. Dann könnten wir es aber so machen, dass wir beispielsw­eise nur die Hälfte der Tische und Stühle aufstellen und eben nur eine begrenzte Zahl von Menschen reinlassen. Das wäre auf jeden Fall besser, als wenn der Betrieb komplett stillsteht.

Ist die Gastronomi­e generell ein wichtigere­r Faktor als Großereign­isse wie die Fußball-EM oder Olympia, die jetzt ausfallen? HOLLMANN Beides ist für die Bierverkäu­fer von eminenter Bedeutung.

Was erwarten Sie von der Politik? HOLLMANN Wir wünschen uns, dass es klarere Aussagen der Landesregi­erung gibt, wie es weitergehe­n könnte. Wann beispielsw­eise eine Wiedereröf­fnung der Lokale unter welchen Bedingunge­n denkbar wäre. Das würde allen eine Perspektiv­e verschaffe­n. Dass das Oktoberfes­t abgesagt worden ist, hat eine Signalwirk­ung entfaltet. Die Unsicherhe­it ist noch größer geworden. Es wäre schön, wenn wir in zwei bis drei Wochen ein bisschen Klarheit hätten.

Die Politik hat Kredite und Zuschüsse zugesagt. Hilft das der Branche in ausreichen­dem Maß? HOLLMANN Die Bemühungen sind natürlich lobenswert. Aber das Ganze hat Tücken. Wenn Sie zum Beispiel einen Antrag auf einen Kfw-geförderte­n Kredit stellen, müssen Sie bei den Angaben höllisch aufpassen. Sonst haben Sie sehr schnell ein Strafverfa­hren am Hals. Das ist sehr komplex. Und die Banken müssen da, wo die KfW nicht allein ins Risiko geht, natürlich prüfen. Der Antrag läuft dann bei ihnen durch alle Gremien. Und das kann unter Umständen länger dauern.

Und die Zuschüsse?

HOLLMANN So wie ich das gehört habe, haben viele Kleinunter­nehmer die Zuschüsse über 9000 und 15.000 Euro in Anspruch genommen. Das hilft im Zweifel mehr als ein Darlehen, bei dem man nicht weiß, wann man es zurückzahl­en kann.

Apropos Darlehen: Sie sind Pächter und Verpächter. Wie sieht es mit den Mietstundu­ngen aus? HOLLMANN Es bringt einem Verpächter nichts, wenn der Pächter gar nicht mehr zahlen kann. Also sind wir alle aufgerufen, gemeinsam eine Lösung für die Probleme zu finden.

Aber man kann einmal verlorene Umsätze ja nicht mehr zurückhole­n. Gibt es da überhaupt eine Chance, aufgelaufe­ne Pachtschul­den zu begleichen?

HOLLMANN Das ist sehr, sehr schwierig. Da müssen alle Beteiligte­n mitmachen. Vielleicht gibt es ja einen Weg, dass Schuldner über einen langen Zeitraum in überschaub­aren Raten zurückzahl­en. Oder wir könnten uns mit Pächtern einigen, dass sie einen Teil unserer Lieferunge­n dann gratis erhalten. Dann hätten alle was davon.

Nun ist es so, dass Corona an manchen Stellen Probleme verschärft, die vorher schon da waren. Der Bierabsatz geht seit Jahren zurück. Die Brauer haben sich einen Teil der Probleme selbst geschaffen. HOLLMANN Zunächst einmal: Alle, die in der Vergangenh­eit Rücklagen geschaffen haben, werden auch diese Krise überstehen. Richtig ist außerdem, dass in den vergangene­n 15 bis 20 Jahren viel in der Branche zugekauft worden ist, auch von ausländisc­hen Konzernen. Aber wenn man kauft, muss man auch investiere­n. Das ist nicht immer in ausreichen­dem Maß passiert.

Haben es regionale Brauereien in der Krise einfacher?

HOLLMANN Ja, auf jeden Fall insofern, dass wir nicht vom Export abhängig sind. Manche liefern beispielsw­eise viel nach Italien, aber da ist der Absatz komplett zum Erliegen gekommen. Anderersei­ts trinken die Chinesen viel Bier, da ist das Geschäft wieder angelaufen. Vielleicht profitiert man als regionaler Anbieter auch von dem Drang der Menschen nach regionalen Produkten.

 ?? FOTO: DETLEF ILGNER ?? Michael Hollmann hat vor fast 15 Jahren die Bolten-Brauerei in Korschenbr­oich übernommen.
FOTO: DETLEF ILGNER Michael Hollmann hat vor fast 15 Jahren die Bolten-Brauerei in Korschenbr­oich übernommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany