Missbrauchsopfer Marvin tritt als Nebenkläger auf
Die Verhandlung gegen den mutmaßlichen Täter (45) wird um eine weitere Anklage erweitert.
(sk) Im Fall Marvin aus Duisburg startet am 5. Juni der Prozess vor dem Landgericht Bochum. Ein inzwischen 45-jähriger Mann aus Recklinghausen soll den Jungen 472mal sexuell missbraucht haben, 171 Fälle davon wertet die Staatsanwaltschaft als „schwer“. Die Taten soll er teilweise gefilmt haben. Hinzu kommen zwei Fälle von gefährlicher Körperverletzung und eine schwere sexuelle Nötigung. Einmal soll es zu einem Übergriff gekommen sein, als Marvin schlief. Das Landgericht hat die Anklage in vollem Umfang zugelassen. Verhandelt wird vor der 8. Großen Strafkammer.
Gegen den mutmaßlichen Täter H. gibt es inzwischen eine weitere Anklage der Staatsanwaltschaft: Dem Mann werden neben den sexuellen Übergriffen auch der Besitz und die Verbreitung kinder- und jugendpornografischen Materials vorgeworfen. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin geht es dabei um mehrere tausend Bild- und Videodateien, die sich A. im Internet besorgt und dort auch mit Gleichgesinnten getauscht haben soll. Darauf soll sowohl der Missbrauch von Jungen wie von Mädchen zu sehen sein. Die Dateien sollen aus einem Zeitraum von Juli 2016 bis zum Dezember 2019 – dem Zeitpunkt seiner Festnahme – stammen.
Bei der Bochumer Staatsanwaltschaft laufen daher nach Angaben eines Sprechers weitere Verfahren gegen einige weitere, teils bereits namentlich bekannte Verdächtige. Nähere Angaben machte er aus ermittlungstaktischen Gründen nicht. Auch das kistenweise sicher gestellte Material an Datenträgern werde noch ausgewertet.
Die Große Strafkammer hat nach dem Auftakt bis zum 19. Juni acht weitere Prozesstage angesetzt. Das Verfahren wird größtenteils öffentlich sein. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Landgericht die zweite Anklage gegen H. mit dem bestehenden Verfahren verbindet und in dem Prozess mitverhandelt. Dem bereits wegen des Besitzes von Kinderpornografie
und diverser anderer Delikte vorbestraften Mann droht bei einer Verurteilung eine lange Zeit hinter Gittern. Er sitzt derzeit weiter in Untersuchungshaft. Allein für den Besitz und die Verbreitung kinderoder jugendpornografischen Materials sieht das Gesetz bis zu fünf Jahre Gefängnis vor. Seit seiner jüngsten Verurteilung im Frühjahr 2018 stand der Pädophile zudem unter Bewährungsauflagen.
Die Übergriffe an Marvin sollen sich im Zeitraum vom Frühjahr 2017 bis zum Dezember 2019 abgespielt haben. A. hatte gegenüber der Polizei behauptet, der Junge habe sich freiwillig bei ihm aufgehalten. Der Junge wird im Prozess nach Angaben der Gerichtssprecherin als Nebenkläger auftreten. Er werde dabei als noch nicht Volljähriger von seiner Mutter vertreten. Nebenkläger haben beispielsweise das Recht, eigene Anträge stellen, aber auch Zeugen und auch den Angeklagten zu befragen. Der aus Duisburg stammende Junge war im Sommer 2017 aus einer Einrichtung in Oer-Erkenschwick verschwunden. Laut Anklage gab es schon vorher Kontakt zwischen A. und Marvin. Zweieinhalb Jahre fehlte von dem Jungen jede Spur, bis ihn die Polizei zufällig bei der Durchsuchung der Wohnung des Recklinghäusers in einem Schrank entdeckte. Der damals 15-Jährige hatte offenbar während der gesamten Zeit seines Verschwindens dort gelebt.