Corona-Drama an Bord der Artania
Auf dem Kreuzfahrtschiff MS Artania gab es 36 Corona-Fälle. Einige Betroffene stellen der Stadt bei ihrer Rückkehr ein „Armutszeugnis“aus.
(jap) Drei Duisburger haben die Evakuierung der Artania miterlebt. Jenes Kreuzfahrtschiffs also, das tagelang abgeschottet in einem australischen Hafen lag. An Bord mehr als 800 Gäste – und das grassierende Coronavirus. 36 Passagiere und Crew-Mitglieder wurden positiv getestet. Über eine Reise, die völlig anders verlief als geplant und von Tag zu Tag bedrohlicher wurde. Für Gisela (66) und Klaus Neugebauer (64) aus Duisburg war die Reise mit der MS Artania ein Lebenstraum. Zusammen mit Nachbarin Margret Degener, trotz ihrer 71 Jahre eine Weltenbummlerin, sollte es für die Neugebauers weit weg gehen. „Das erste Mal außerhalb von Europa“, sagt Gisela Neugebauer. „Mit Kapitän Morten Hansen.“Schiff und Kapitän stechen regelmäßig in der ARD-Fernsehsendung „Verrückt nach Meer“in See. Nach Drehbuch verläuft die Reise dieses mal nicht.
Am 10. März ging es los, zunächst mit dem Flieger nach Australien. Am 13. März erfolgt im Hafen von Sydney die Einschiffung mit 600 anderen Passagieren. Für die Duisburger herrschte da noch „heile Welt“. Gebucht haben sie die Route „Südseezauber zwischen Australien und Peru“. Eine 28-tägige Seereise mit Stopps etwa auf Tonga oder Tahiti. Doch das Schiff kommt wegen des Coronavirus vom Kurs ab. Nach zwei Tagen an Bord die Hiobsbotschaft: Häfen in der Südsee sind für Kreuzfahrtschiffe geschlossen. Aus der Traum, Abbruch der Reise. Stattdessen soll es in 28 Tagen über den Seeweg bis nach Bremerhaven heimwärts gehen. Dass unter den Gästen bereits das Coronavirus grassiert, ahnt niemand.
Bei Passagieren machen sich erste Symptome bemerkbar. Sie werden später noch positiv auf SarsCoV-2 getestet. Die Stimmung an Bord verändert sich. Aus Sorge greifen die Neugebauers morgens erstmal zum Fieberthermometer. Konnten sich die Passagiere zunächst noch frei bewegen, galt fortan eine Kabinen-Quarantäne. „Vier Tage lang.“Teile der Besatzung gehen aus Angst in einen Streik. Die australischen Behörden wollen niemanden an Land lassen, das Kreuzfahrtschiff wird zum Politikum. „Die ganze Zeit waren Paparazzi und Militär um uns herum.“Bilder der MS Artania gehen um die Welt. Statt der
Rückreise auf dem Seeweg kommt es zur Evakuierung von Passagieren ohne Symptome. Ende März werden Gäste und Crewmitglieder mit vier gecharterten Flugzeugen von Perth nach Frankfurt geflogen: „Über 30 Stunden saßen wir in der Maschine.“Zum Flieger ging es mit dem Bus, eskortiert von der Polizei. Mit dabei nur Handgepäck. „Mittlerweile habe ich keine Schlüpper mehr“, sagt Margret Degener zurück in Duisburg.
Das Flugzeug – ein Gefahrenherd. Zwar sollten Passagiere die gesamte Zeit über Mundschutz tragen, doch nicht alle halten sich daran. Zur Sicherheit werden alle Passagiere über die zwingende Auflage des Robert Koch-Instituts (RKI) informiert, sich unmittelbar nach Ankunft an ihrem Wohnort beim zuständigen Gesundheitsamt zu melden und in eine 14-tägige Quarantäne zu begeben. Zurück in Duisburg meldet sich das Trio gemeinsam bei der Behörde. Was dann passiert, so Klaus Neugebauer, sei ein „Armutszeugnis“für die Stadt. Das Gesundheitsamt, so schildern es die Betroffenen, habe keinen Grund für eine häusliche Isolation gesehen. Sie könnten sich „frei bewegen“, so die Auskunft aus dem Amt. „Hätte ich nicht zwei Zeugen – jeder würde denken, die Alte spinnt“, sagt Degener über ihr Telefongespräch. Gerade weil ein Kreuzfahrtschiff so ein kleiner Mikrokosmos ist, Kontakt zu Infizierten nicht per se auszuschließen war, dazu noch der eng besetzte Flieger – die Duisburger hätten mehr Vorsicht erwartet. Die Stadt teilt auf Anfrage mit, dass sich der Fall aufgrund der Vielzahl der Anrufe nicht mehr nachvollziehen lasse. „In der Regel werden Kontaktpersonen von
Mitarbeitern des Gesundheitsamtes telefonisch über die Notwendigkeit der häuslichen Quarantäne informiert und im Nachgang dazu angeschrieben“, teilt die Verwaltung mit.
Die Duisburger Artania-Rückkehrer begaben sich freiwillig in Isolation. Die Stadt lobt ihr „vorbildliches“Verhalten. Sie gründen zeitweise eine Quarantäne-WG in Margrets Haus, denn bei den Neugebauers lebt noch die 91-jährige Mutter mit im Haus. Das Risiko wollten sie nicht eingehen. „Unser Essen kam über den Zaun in den Garten“, erklären sie. Ostermontag war die Quarantänezeit überstanden. Alle sind gesund.
Das Geld für die Reise haben sie zurückerhalten. Die Erinnerung an das Kreuzfahrtdrama wird für immer bleiben. „Es war nicht die Reise, die wir gebucht haben, aber eine Reise, die wir sicher nicht vergessen werden und noch im Altenheim erzählen“, sagt Margret Degener.