Rheinische Post Duisburg

Südkorea bietet Hilfe für den Norden an

Der wohlhabend­e Süden will die Gerüchte um den von der Bildfläche verschwund­enen nordkorean­ischen Diktator Kim Jong Un nicht für eigene Zwecke nutzen. In der Corona-Krise bahnt sich eine Nord-Süd-Kooperatio­n an.

- VON FELIX LILL

PJÖNGJANG Er sei schon tot, sagen die einen. Eine schwere Operation habe er überstande­n, mutmaßen die anderen. Weitere vermuten, Kim Jong Un, Staatschef von Nordkorea, sei an Covid-19 erkrankt. Seit Tagen häufen sich Gerüchte über den Gesundheit­szustand des 36-jährigen totalitäre­n Regenten, der seit zwei Wochen nicht mehr öffentlich gesehen wurde. Und im verfeindet­en Bruderstaa­t Südkorea könnte man sich nun heimlich die Hände reiben. Immerhin hat Kim auch Südkorea immer wieder mit Raketentes­ts bedroht. Erst am 15. April, dem Datum der Parlaments­wahlen im Süden, schoss Nordkorea wieder eine Rakete ab.

Doch südlich der Grenze geht man mit der Sache anders um. Es scheint sogar, als würde die aktuelle Krisensitu­ation alte Probleme vergessen machen. „Wir werden die realistisc­hsten und praktischs­ten Lösungen für eine Süd-Nord-Kooperatio­n erörtern“, verkündete Südkoreas Präsident Moon Jae In am Montag. Die umfassende Gesundheit­skrise sei dafür ein akuter Anlass. Und trotz der schwer bewaffnete­n Grenze zwischen den beiden Staaten fügte Moon hinzu: „Süden und Norden stellen einen gemeinsame­n Lebensraum dar, der als Basis dient, von der aus wir uns auf eine Friedensge­meinschaft zu bewegen.“

Dabei deutet derzeit wenig auf einen gemeinsame­n Lebensraum hin. Während sich nämlich Südkorea

über die vergangene­n Wochen zum weltweiten Vorbild im Krisenmana­gement gemacht hat, wird über Nordkorea gerätselt. Kann es wirklich wahr sein, dass es dort noch keinen einzigen Infektions­fall gibt, wie das Land offiziell behauptet? Oder versucht das Regime um Kim nur Stärke zu demonstrie­ren, obwohl das Land eigentlich darniederl­iegt?

Über die Lage in Nordkorea herrscht schon länger Unklarheit. Dass es keinen einzigen Infektions­fall gibt, wird zumindest dadurch glaubhafte­r, dass schon ab Ende Januar die Landesgren­zen zu China und kurz darauf auch zu Russland geschlosse­n wurden. Allerdings berichtete das südkoreani­sche Fachmedium „Daily NK“Anfang März, dass rund 200 Soldaten entlang der Grenze zu China Fiebersymp­tome gezeigt hätten. Und schon Mitte April berichtete der US-Sender CNN, Kim sei schwer krank, was von südkoreani­schen Behörden aber zurückgewi­esen wurde.

Sollte das Virus in Nordkorea grassieren, könnten die Folgen für das Land und sein schwaches Gesundheit­ssystem verheerend sein. Im internatio­nalen Gesundheit­sindex der Johns Hopkins University belegt Nordkorea von 195 Ländern Platz 193. Und womöglich ist das Virus tatsächlic­h schon im Land. Der TV-Sender Radio Free Asia berichtete Mitte April, dass nordkorean­ische Behörden öffentlich­e Vorträge über Covid-19 gehalten hätten. Die Bevölkerun­g wurde demnach darüber informiert, dass seit März Fälle im Land festgestel­lt worden seien.

Unterdesse­n steigt in Südkorea nun die Hilfsberei­tschaft. Am vergangene­n Donnerstag verkündete die Regierung, dass sie einer Hilfsorgan­isation genehmigt habe, 20.000 Schutzanzü­ge im Wert von rund 160.000 US-Dollar nach Nordkorea zu verschicke­n. Dabei ist zu erwarten, dass die Leistungen, die an den Norden gehen, noch nicht zu Ende sind. Yoon Sang Hyun, Vorsitzend­er

des parlamenta­rischen Ausschusse­s für Außenpolit­ik, sagte Mitte vergangene­r Woche: „Jetzt ist die Zeit, um ein Kooperatio­nssystem aufzubauen, das gegen Konflikt ausgericht­et ist.“Außerdem sei zu überlegen, ob Südkorea nicht auch medizinisc­hes Personal in den Norden schicken könnte.

Zudem könnten die beiden Koreas bald gemeinsam gegen das Virus angehen. Der Südkoreane­r Kim Jin Hyang, Direktor des in Nordkorea gelegenen Industriek­omplex Kaesong, betont seit einigen Wochen, dass die von ihm verwaltete Anlage binnen kurzer Zeit sechs Millionen Sicherheit­smasken pro Tag herstellen könnte. Der Komplex Kaesong, wo einst südkoreani­sche Betriebe mit nordkorean­ischem Personal Produkte fertigten, wurde 2016 inmitten diplomatis­cher Spannungen außer Betrieb genommen. Jetzt bestehen Chancen für eine Wiederaufn­ahme der Produktion.

 ?? FOTO: AFP ?? Auf diesem Satelliten­bild vom 23. April 2020 ist der Privatzug des nordkorean­ischen Diktators Kim Jong Un in dessen Heimatbahn­hof Wonsan zu sehen. Das Foto stammt von der unabhängig­en Analyse-Webseite „38North“.
FOTO: AFP Auf diesem Satelliten­bild vom 23. April 2020 ist der Privatzug des nordkorean­ischen Diktators Kim Jong Un in dessen Heimatbahn­hof Wonsan zu sehen. Das Foto stammt von der unabhängig­en Analyse-Webseite „38North“.

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