Rheinische Post Duisburg

„In Hambach gibt es wieder 80 Baumhäuser“

Der RWE-Chef zur Lage im rheinische­n Revier, den Folgen von Corona und zur Windkraft-Politik.

- ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

cher. Wie sicher ist der Strom? SCHMITZ Wir tun alles, um die Stromverso­rgung auch in der Corona-Krise zu sichern. Dazu arbeiten wir in den Kraftwerke­n mit Schichtsys­temen - streng getrennte Schichten, die sich nicht begegnen - und haben in der Verwaltung fast alle Mitarbeite­r ins Homeoffice geschickt. Die Mitarbeite­r wissen, welche Verantwort­ung sie tragen. Dafür möchte ich noch einmal ausdrückli­ch Danke sagen!

Wie viele Infizierte gibt es bei RWE? SCHMITZ In der Spitze war eine zweistelli­ge Zahl von Mitarbeite­rn infiziert, meistens kamen sie aus dem Skiurlaub oder haben Partner, die im Gesundheit­swesen tätig sind. Jetzt ist die Zahl deutlich rückläufig.

Wegen der Krise haben Sie die Hauptversa­mmlung verschoben. Die Aktionäre warten auf die Dividende. Wie geht es weiter?

SCHMITZ Ich hielte es für unverantwo­rtlich, ein Treffen mit bis zu 3000 Aktionären zu veranstalt­en. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass wir eine virtuelle Hauptversa­mmlung noch in der ersten Jahreshälf­te abhalten werden. Darüber wird der Aufsichtsr­at am Dienstag beraten.

Wie wirkt sich die Krise auf das Geschäft aus?

SCHMITZ Der Stromverbr­auch in Deutschlan­d ist etwas herunterge­gangen, zum Beispiel durch den Stillstand in Automobilf­abriken. Doch Einbrüche wie in Italien oder Frankreich, wo der Verbrauch um 20 Prozent und mehr gesunken ist, sehen wir hierzuland­e nicht. Und viele Betriebe fahren inzwischen die Produktion wieder hoch.

Wie trifft es RWE?

SCHMITZ Die Corona-Krise trifft RWE derzeit kaum: Wir haben den Strom, den wir jetzt produziere­n, schon vor zwei, drei Jahren auf Termin verkauft. Bei einzelnen Revisionen von Kraftwerke­n kann es zu Problemen kommen, da wir dabei Experten aus dem Ausland einsetzen – quasi die Erntehelfe­r der Energiewir­tschaft. Hier gibt es Schwierigk­eiten wegen der Reisebesch­ränkungen. Das kann dazu führen, dass Revisionen verschoben werden.

Durch den Absturz der Aktienmärk­te haben auch Energieakt­ien gelitten. Wird RWE jetzt zum Schnäppche­n für ausländisc­he Investoren?

SCHMITZ RWE ist doch kein Übernahmek­andidat. Die Aktie ist seit Ankündigun­g der innogy-Transaktio­n um über 35 Prozent gestiegen. Der jüngste Rückgang ändert daran kaum etwas. Zudem: Wer sollte denn kaufen? Viele Unternehme­n haben aktuell ganz andere Probleme. Denken Sie nur an die Ölkonzerne.

Die Eon-Aktie ist bei weitem nicht so gut gelaufen. Was machen Sie mit Ihrer Beteiligun­g?

SCHMITZ Die Eon-Aktie ist stabil. Und wir haben keine Pläne, an unserer Eon-Beteiligun­g von 15 Prozent etwas zu ändern. Sie sichert sehr gut unsere Rückstellu­ngen für die Rekultivie­rung der Braunkohle-Tagebaue ab.

Die müssen nun wegen des Kohleausst­iegs schneller anwachsen. Wie weit ist der öffentlich-rechtliche Vertrag?

SCHMITZ Wegen der Corona-Krise verzögern sich die Verhandlun­gen. Aber ich gehe davon aus, dass wir Anfang Mai einen Entwurf vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium erhalten. Dabei geht es nur noch um die Mühen der Ebenen, Eckpunkte und Ausstiegsp­fad sind ja fest vereinbart.

Was passiert mit den Braunkohle-Jobs im rheinische­n Revier? SCHMITZ Es bleibt dabei: Bis Ende 2022 müssen wir 3000 der aktuell 10.000 Stellen in der Braunkohle abbauen, bis 2030 werden es 6000 sein. Das werden wir sozialvert­räglich tun. Auch das Anpassungs­geld muss noch von der Bundesregi­erung festgeschr­ieben werden. Unsere Mitarbeite­r können sich jetzt auf den Ausstiegsp­fad einstellen.

Der Hambacher Forst bleibt stehen. Trotzdem sind Aktivisten im Wald. SCHMITZ Und zwar unveränder­t. Das ist bizarr. Obwohl der Forst bleibt, gibt es wieder 80 Baumhäuser, in denen Besetzer wohnen. Das zeigt, dass es denen gar nicht um den Forst geht. Das sind Antidemokr­aten. Immer wieder werden unsere Mitarbeite­r ernsthaft attackiert oder angepöbelt, das ist eine große Belastung.

Die Besetzer werfen RWE vor, dem Wald das Wasser abzugraben und wollen Dörfer wie Keyenberg retten. SCHMITZ Der Tagebau schadet der Wasservers­orgung des Waldes nicht. Auch wird am Hambacher Forst keine Insellage geschaffen, wie behauptet wird. Der Forst bleibt am Leben.

Die meisten Bewohner der betroffene­n Dörfer am Tagebau Garzweiler haben sich mit uns verständig­t, viele sind bereits umgezogen, die Umsiedlung­en gehen wie geplant weiter. Und das will auch die weit überwiegen­de Mehrheit vor Ort so.

RWE ist Eigentümer, warum lassen Sie den Hambacher Forst nicht räumen?

SCHMITZ Das Land, das dies anordnen müsste, hat in der aktuellen Corona-Krise etwas anderes zu tun. Wir setzen auf Befriedung der Lage mit der Zeit.

Ärger gibt es auch noch um die Steinkohle­kraftwerke. Verstehen Sie den Zorn vieler Stadtwerke auf die

Braunkohle, weil diese Milliarden­entschädig­ungen erhält, die Steinkohle aber nicht?

SCHMITZ Wir erhalten bei der Braunkohle keine Entschädig­ung für entgangene Gewinne, sondern nur einen teilweisen Ausgleich unseres Schadens in Höhe von 3,5 Milliarden Euro durch Mehrkosten zum Beispiel bei der Rekultivie­rung, Personalrü­ckstellung­en und Investitio­nen für Umbauten unserer Kraftwerke. Aufwendung­en wie zum Beispiel 2 Milliarden Euro bei der Rekultivie­rung gibt es beim Steinkohle-Ausstieg nicht.

Die Zukunft von RWE liegt im Ökostrom. Spüren Sie beim Ausbau die Krise?

SCHMITZ Finanziell gibt es keine Auswirkung­en. Wir finanziere­n die Ökostrom-Investitio­nen aus eigener Kraft. Es gibt aber Probleme bei einigen Lieferkett­en, das bedeutet bei einzelnen Projekten Verzögerun­gen von einigen Wochen. Solche Puffer sind bei solchen Großprojek­ten ohnehin immer mit eingeplant.

Kann Deutschlan­d den angepeilte­n Ökostroman­teil von 65 Prozent bis 2030 schaffen?

SCHMITZ Das kommt darauf an. Das deutsche Onshore-Geschäft mit neuen Windparks ist fast zum Erliegen gekommen. In der Bevölkerun­g fehlt die Akzeptanz. Die Abstandsre­geln sind dafür nur ein Beispiel. Im Offshore-Geschäft muss die Bundesregi­erung nun dringend die richtigen Weichen stellen, insbesonde­re was die langfristi­gen Ausbauziel­e nach 2030 angeht und das Auktionsde­sign.

Wie sehen die aus?

SCHMITZ Offshore-Parks müssen für Investoren verlässlic­he Investment­s sein. Großbritan­nien zeigt, wie es geht. Hier gibt es eine staatlich festgesetz­te Bandbreite – einen Mindest- und Höchstprei­s, auf den sich Investoren und Stromkunde­n einstellen können. Das führt im Ergebnis zum gewollten Ausbauziel sowie zu den niedrigste­n Strompreis­en, da Überrendit­en abgeschöpf­t werden. Es wäre gut geeignet, auch in Deutschlan­d einen zuverlässi­gen und wettbewerb­sfähigen Ausbau von Wind auf See zu erreichen.

Was fordern Sie von der Bundesregi­erung?

SCHMITZ Derzeit arbeitet das Bundeswirt­schaftsmin­isterium an den Ausschreib­ungsregeln. Sie sollte sich am erprobten britischen Modell orientiere­n. Das gibt Planungssi­cherheit. Auch die Deckelung der Solarstrom-Förderung sollte rasch beseitigt werden. Ohne richtige Anreize schafft Deutschlan­d sein Ökostromzi­el nicht.

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FOTO: ANDREAS KREBS Der gebürtige Mönchengla­dbacher Rolf Martin Schmitz studierte an der RWTH Aachen Ingenieurw­issenschaf­ten.

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