Gerichte uneins über Beschränkungen im Handel
MÜNCHEN (dpa) Dass Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern weiterhin geschlossen bleiben müssen, ist aus Sicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verfassungswidrig. Das hat das Gericht am Montag entschieden. Das Urteil gilt zwar nur für das Land Bayern. Die Flächenbegrenzung gibt es allerdings in allen Bundesländern, weil sie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder vereinbart worden war.
Die bayerischen Richter sehen das Verkaufsverbot wegen der Ungleichbehandlung mit kleineren Läden als Verstoß gegen das Grundgesetz an.
Unmittelbare praktische Folgen hat die Entscheidung aber nicht: Das Gericht setzte die Vorschrift wegen der Pandemie-Notlage „ausnahmsweise“nicht außer Kraft, wie es in der Mitteilung hieß. Das Gericht entschied vorläufig über den Eilantrag der Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaifhof, die Warenhäuser im Premiumsegment in München, Berlin und Hamburg betreibt.
Die Richterkollegen in Lüneburg und Saarlouis sehen die Sache anders als die Bayern. Laut niedersächsischem Oberverwaltungsgericht ist die Flächenbeschränkung eine notwendige infektionsschutzrechtliche Maßnahme. Dementsprechend
lehnte der 13. Senat den Antrag ab, die Regel vorläufig außer Kraft zu setzen. Geklagt hatten dort vier große Möbelhäuser mit Verkaufsflächen von 25.000 bis 60.000 Quadratmetern aus dem Raum Hannover. Iim Saarland lehnte das Oberverwaltungsgericht einen Antrag von Galeria Karstadt Kaufhof auf Aussetzung der dortigen Corona-Bekämpfungsverordnung ab. Eine Reduzierung des Warenangebots durch Verkleinerung der Verkaufsfläche und die dadurch bewirkte Leerung der Innenstädte sei ein „geeignetes und erforderliches Mittel, um die Ansteckungsgefahr zu verringern“, begründete das Gericht in Saarlouis seine Entscheidung. Zuvor hatten bereits Oberverwaltungsgerichte in Berlin und in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) Eilanträge gegen die Verordnungen zur Schließung von Warenhäusern wegen der Corona-Krise zurückgewiesen.
„Der Handel braucht diskriminierungsfreie Regelungen für die Ladenöffnungen“, forderte in Berlin zum wiederholten Mal Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands HDE. „Wir finden die Regeln wettbewerbsverzerrend und willkürlich“, kritisierte Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern.
„Ein großes Möbelhaus kann den Abstand zwischen den Kunden genauso gewährleisten wie ein kleiner Einzelhändler.“Auch die teilweise unterschiedlichen Vorschriften in verschiedenen Bundesländern ärgern den Einzelhandel: „Letztendlich kocht jedes Land sein eigenes Süppchen“, sagte Ohlmann.
Neben Einzelhändlern klagen deutschlandweit auch viele Bürger gegen Corona-Einschränkungen. „Die Gerichte verzeichnen eine steigende Zahl von Rechtsschutzgesuchen gegen die Corona-Maßnahmen“, sagte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds.