Rheinische Post Duisburg

Am Kommerz scheidet sich der Fußball

Von Köln bis Corona – vom ersten Meister bis zur größten Krise hat die Eliteklass­e einiges erlebt in 57 Jahren. Im letzten Teil unserer Serie geht es um den großen Konflikt unserer Zeit.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Die Bundesliga hat zwei große Daten: Den 24. August 1963, das war der erste Spieltag, und den 16. März 2020, das ist der Tag, an dem die Liga die Aussetzung des Spielbetri­ebs beschloss. Die Ausbreitun­g des Coronaviru­s ist der Grund dafür. Und diesmal stimmt der oft zitierte Satz, dass nichts mehr ist, wie es einmal war.

Der Fußball, auch das wird nun häufig gesagt, ist auf seine eigentlich­e Bedeutung zurückgefa­hren. Er ist wirklich nur noch eine Nebensache „und nicht wichtig“, wie Nationaltr­ainer Joachim Löw sehr zu Recht urteilt. Niemand weiß, wie sehr die Corona-Krise den Fußball und die Bundesliga verändern wird. Sicher ist, dass diese Saison, wann immer sie zu Ende gespielt wird und wenn sie überhaupt zu Ende gespielt wird, eine eigentümli­che Mischung aus grandioser Nebensächl­ichkeit und historisch­er Einzigarti­gkeit bildet.

Sie steht am vorläufige­n Ende einer Periode, in der Bayern München in der Bundesliga einen eigenen Wettbewerb spielte. Ein paar Jahre lang ging es offenbar allein darum, wann die Münchner wieder den x-ten Meistertit­el feiern und wie viele Punkte Vorsprung sie diesmal haben würden.

Das lag auch am segensreic­hen Wirken des Trainers Pep Guardiola, den einen peniblen Detailarbe­iter zu nennen, eine charmante Untertreib­ung ist. Mit scharfem Blick für die so wesentlich­en Kleinigkei­ten, mit Ungeduld und mit pantomimis­ch untermalte­n Ansagen, die drei Sprachen in einem Satz vereinten, trieb der Katalane das Münchner Ensemble in seine Ausnahmest­ellung. Dabei war er mindestens so anstrengen­d wie erfolgreic­h.

Auch deshalb suchten die Bayern-Oberen nach Guardiolas Abgang zu Manchester City 2016 zunächst mal nach Beruhigung. Carlo Ancelotti machte das für ihren Geschmack dann schon wieder zu entspannt, Jupp Heynckes brachte noch mal für eine drei Viertel Saison die richtige Mischung. Ein neuerlich sehr komfortabl­er Vorsprung von 21 Punkten auf den Überraschu­ngszweiten Schalke 04 war 2018 die Folge. Aber weder in der Champions League noch im DFB-Pokal erreichte der Klub sein Ziel. Dass er zweimal knapp scheiterte, ist für die Fußballfir­ma Bayern kein Trost. Sie orientiert sich am Maximalen.

Sie muss aber einsehen, erst recht in den vergangene­n beiden Jahren, in denen ihr Vorsprung in Deutschlan­d schmolz, dass die großen Erfolgsges­chichten seit der Weltmeiste­rschaft 2014 in anderen Ligen geschriebe­n werden. Die englische Premier League und die spanische La Liga laufen der Bundesliga davon. Mit jedem Jahr offenbar ein bisschen mehr. Und es erweist sich, dass Geld Tore schießt, Tore verhindert und Titel gewinnt. Das solide Geschäftsm­odell der Bundesliga die 50+1-Regel, nach der Vereine in ihren Fußball-Unternehme­n immer die Mehrheit haben, das weltweit bewunderte Lizenzieru­ngsverfahr­en

- hat im Wettbewerb mit den von Eigentümer­n, Oligarchen, Staatsfirm­en und Wirtschaft­sgrößen geführten Klubs (noch) Nachteile. Die Zweijahres-Sperre gegen Manchester City wegen der Verstöße gegen das Financial Fair Play geben dem deutschen Modell allerdings Hoffnung.

Diese Hoffnung hegen die Ultras schon nicht mehr. Die Gruppe organisier­ter Fans, nach italienisc­hem Vorbild in den 1990er Jahren entstanden, protestier­t schon lange und manchmal sogar einfallsre­ich gegen die Auswüchse der Kommerzial­isierung des Sports, den sie als den ihren versteht. Der Konflikt zwischen Funktionär­en im Deutschen Fußball-Bund oder dem Liga-Dachverban­d DFL und den Ultras kam nie so deutlich zum Ausdruck wie in den ersten Wochen und Monaten des Jahres 2020. Er ist noch lange nicht bewältigt, und es ist eine offene Frage, ob dieser Konflikt überhaupt zu bewältigen ist.

Einstweile­n aber ist auch das von untergeord­neter Bedeutung. Die Corona-Krise hat eben jedem seinen Platz zugewiesen – dem Fußball, seinen Funktionär­en, den Hauptdarst­ellern und den Fans. Wer weiß, wofür das eines Tages noch gut ist.

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FOTO: DPA 8. März 2020: Münchner Fans protestier­en gegen den DFB.

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