Mehr Einfluss durch Corona-Hilfe
Investitionen in Krisenzeiten: Unterstützung gegen die Pandemie wird insbesondere im Nahen Osten als politisches Instrument eingesetzt.
TEHERAN Tue Gutes und rede darüber: Regionale und internationale Mächte versuchen, ihren Einfluss im Nahen Osten und in Nordafrika durch Hilfslieferungen für den Kampf gegen die Corona-Pandemie auszubauen. Offiziell werden die Lieferungen von den Gebern als Zeichen der Solidarität bezeichnet. Aber vor allem geht es bei der Corona-Unterstützung um politische Investitionen, die sich nach dem Ende der Krise auszahlen sollen.
In einigen Fällen dient die Hilfe als Eisbrecher in problembeladenen Beziehungen. So schickten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zwei Flugzeuge mit Hilfsgütern in den benachbarten Iran, das am schwersten betroffene Land im Nahen Osten. Der Iran ist ein regionaler Rivale der Emirate. Insgesamt erhielten die Iraner mehr als 40 Tonnen an Unterstützung aus den VAE.
Für die Emirate brachte die Aktion zwei Vorteile. Indem sie halfen, die weitere Ausbreitung des Virus im Iran zu hemmen, senkten sie die Gefahr,
dass der Iran ein regionaler Infektionsherd bleibt, der sie selbst bedroht. Zudem unterstrichen die VAE mit der Hilfe, dass sie trotz aller politischen Differenzen zu einer Zusammenarbeit mit den Mullahs in Teheran bereit sind. Die Außenminister beider Länder, Abdullah bin Sajed al Nahjan und sein iranischer Kollege Dschawad Sarif, nutzten die Corona-Entspannung zu einem Telefonat – eine seltene Gelegenheit zum direkten Meinungsaustausch.
Eine sehr engagierte Corona-Politik betreibt auch die Türkei. Das Land, das in den vergangenen Jahren mit den meisten Nachbarn sowie mit Europa und den USA in Streit geraten ist, hat nach Regierungsangaben bisher Corona-Tests, Gesichtsmasken und Schutzanzüge an 54 Länder geliefert. Im Nahen Osten gingen die türkischen Hilfen unter anderem in den Libanon, in den Iran, nach Tunesien und an die mit Ankara verbündete Einheitsregierung in Libyen. Selbst Israel, ein früherer Partner der Türken, dessen Beziehungen mit Ankara in einer Dauerkrise stecken, wurde bedacht.
Für die türkische Regierung geht es nicht nur darum, das eigene Land im Nahen Osten als zuverlässigen Partner in der Not zu präsentieren. Sie will auch das Image der Türkei im Westen korrigieren, wo das Land nach wie vor als relativ arm und rückständig gilt. Deshalb flogen türkische Transportflugzeuge
mit Hilfsmitteln in die USA und nach Großbritannien. Italien und Spanien, zwei weitere Nato-Partner, erhielten ebenfalls Hilfe.
Auch die Großmächte wollen in Corona-Zeiten ihren Einfluss sichern, selbst wenn der Kampf gegen das Virus im eigenen Land viel Geld kostet. Die USA stellen den
Ländern im Nahen Osten und Nordafrika Millionenhilfen in Aussicht und setzen dabei politische Prioritäten: Mehr als 15 Millionen Dollar gehen an den Irak, der zu einem Schlachtfeld der Rivalität zwischen den USA und dem Iran geworden ist. Mit 17 Millionen Dollar finanziert Washington Hilfe für Syrien, wo
Russland den amerikanischen Einfluss zurückdrängen will.
Im Konzert der Weltmächte spielt auch China mit. Als Ursprungsland des neuen Coronavirus bietet es den Ländern des Nahen Ostens unter anderem medizinische Expertise an. So entsandte Peking Expertenteams in den Iran, in den Irak und nach Saudi-Arabien. Zudem gingen Hilfsgüter aus China nach Algerien, Syrien und in den Libanon.
Andere Akteure beobachten die chinesischen Bemühungen mit Argwohn. Von einer gezielten „Politik der Großzügigkeit“sprach der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Peking wolle die Botschaft verankern, dass China anders als die USA ein verlässlicher Partner sei. Der Wettbewerb um politischen Einfluss sei eine „geopolitische Komponente“der Krise, erklärte Borrell.
Die Hilfsbereitschaft mit Hintergedanken birgt jedoch auch Risiken. Mehrere Länder beschwerten sich öffentlich, Tests und Gesichtsmasken aus China seien unbrauchbar: Der erhoffte Nutzen kann leicht ins Gegenteil umschlagen.