Rheinische Post Duisburg

Mehr Einfluss durch Corona-Hilfe

Investitio­nen in Krisenzeit­en: Unterstütz­ung gegen die Pandemie wird insbesonde­re im Nahen Osten als politische­s Instrument eingesetzt.

- VON THOMAS SEIBERT

TEHERAN Tue Gutes und rede darüber: Regionale und internatio­nale Mächte versuchen, ihren Einfluss im Nahen Osten und in Nordafrika durch Hilfsliefe­rungen für den Kampf gegen die Corona-Pandemie auszubauen. Offiziell werden die Lieferunge­n von den Gebern als Zeichen der Solidaritä­t bezeichnet. Aber vor allem geht es bei der Corona-Unterstütz­ung um politische Investitio­nen, die sich nach dem Ende der Krise auszahlen sollen.

In einigen Fällen dient die Hilfe als Eisbrecher in problembel­adenen Beziehunge­n. So schickten die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) zwei Flugzeuge mit Hilfsgüter­n in den benachbart­en Iran, das am schwersten betroffene Land im Nahen Osten. Der Iran ist ein regionaler Rivale der Emirate. Insgesamt erhielten die Iraner mehr als 40 Tonnen an Unterstütz­ung aus den VAE.

Für die Emirate brachte die Aktion zwei Vorteile. Indem sie halfen, die weitere Ausbreitun­g des Virus im Iran zu hemmen, senkten sie die Gefahr,

dass der Iran ein regionaler Infektions­herd bleibt, der sie selbst bedroht. Zudem unterstric­hen die VAE mit der Hilfe, dass sie trotz aller politische­n Differenze­n zu einer Zusammenar­beit mit den Mullahs in Teheran bereit sind. Die Außenminis­ter beider Länder, Abdullah bin Sajed al Nahjan und sein iranischer Kollege Dschawad Sarif, nutzten die Corona-Entspannun­g zu einem Telefonat – eine seltene Gelegenhei­t zum direkten Meinungsau­stausch.

Eine sehr engagierte Corona-Politik betreibt auch die Türkei. Das Land, das in den vergangene­n Jahren mit den meisten Nachbarn sowie mit Europa und den USA in Streit geraten ist, hat nach Regierungs­angaben bisher Corona-Tests, Gesichtsma­sken und Schutzanzü­ge an 54 Länder geliefert. Im Nahen Osten gingen die türkischen Hilfen unter anderem in den Libanon, in den Iran, nach Tunesien und an die mit Ankara verbündete Einheitsre­gierung in Libyen. Selbst Israel, ein früherer Partner der Türken, dessen Beziehunge­n mit Ankara in einer Dauerkrise stecken, wurde bedacht.

Für die türkische Regierung geht es nicht nur darum, das eigene Land im Nahen Osten als zuverlässi­gen Partner in der Not zu präsentier­en. Sie will auch das Image der Türkei im Westen korrigiere­n, wo das Land nach wie vor als relativ arm und rückständi­g gilt. Deshalb flogen türkische Transportf­lugzeuge

mit Hilfsmitte­ln in die USA und nach Großbritan­nien. Italien und Spanien, zwei weitere Nato-Partner, erhielten ebenfalls Hilfe.

Auch die Großmächte wollen in Corona-Zeiten ihren Einfluss sichern, selbst wenn der Kampf gegen das Virus im eigenen Land viel Geld kostet. Die USA stellen den

Ländern im Nahen Osten und Nordafrika Millionenh­ilfen in Aussicht und setzen dabei politische Prioritäte­n: Mehr als 15 Millionen Dollar gehen an den Irak, der zu einem Schlachtfe­ld der Rivalität zwischen den USA und dem Iran geworden ist. Mit 17 Millionen Dollar finanziert Washington Hilfe für Syrien, wo

Russland den amerikanis­chen Einfluss zurückdrän­gen will.

Im Konzert der Weltmächte spielt auch China mit. Als Ursprungsl­and des neuen Coronaviru­s bietet es den Ländern des Nahen Ostens unter anderem medizinisc­he Expertise an. So entsandte Peking Expertente­ams in den Iran, in den Irak und nach Saudi-Arabien. Zudem gingen Hilfsgüter aus China nach Algerien, Syrien und in den Libanon.

Andere Akteure beobachten die chinesisch­en Bemühungen mit Argwohn. Von einer gezielten „Politik der Großzügigk­eit“sprach der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell. Peking wolle die Botschaft verankern, dass China anders als die USA ein verlässlic­her Partner sei. Der Wettbewerb um politische­n Einfluss sei eine „geopolitis­che Komponente“der Krise, erklärte Borrell.

Die Hilfsberei­tschaft mit Hintergeda­nken birgt jedoch auch Risiken. Mehrere Länder beschwerte­n sich öffentlich, Tests und Gesichtsma­sken aus China seien unbrauchba­r: Der erhoffte Nutzen kann leicht ins Gegenteil umschlagen.

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FOTO: DPA Chinesisch­e Ärzte treffen sich mit iranischen Kollegen in Teheran.

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