Endlich wieder draußen spielen
Am Donnerstag wichen Flatterband und Verbotschilder und die Kinder kehrten nach sieben Wochen zurück auf die Spielplätze in NRW. Das sorgte zwar bei den Eltern für Erleichterung – ohne Verunsicherung verlief der Tag aber nicht.
DÜSSELDORF Im Sandkasten spielen Kinder ausgelassen mit ihren Spielzeugbaggern, die angrenzenden Schaukeln sind im Dauerbetrieb, und vor der Rutsche bildet sich langsam eine kleine Schlange. Der große Spielplatz am Fürstenplatz mitten in der Düsseldorfer Innenstadt ist an diesem sonnigen Donnerstagnachmittag voll mit tobenden Kindern an den Spielgeräten und erleichtert wirkenden Eltern auf den Parkbänken. Und damit ist der Düsseldorfer Fürstenplatz vermutlich nur eines von vielen Beispielen an diesem Tag in NRW. Kein Wunder: Denn nach siebenwöchiger Sperrung hat die Landesregierung die Spielplätze, die zum Schutz vor der Corona-Pandemie geschlossen waren, unter Auflagen wieder eröffnet.
Zu den neuen Regeln auf den Spielplätzen gehört der Mindestabstand von anderthalb Metern zwischen den Begleitpersonen, die Nies- und Hustenetikette, sowie die Bitte, auf einen anderen Spielplatz oder Zeitpunkt auszuweichen, sollten sich schon zu viele Kinder an einem Ort befinden. Kontrollieren sollen das die Ordnungs- und Jugendämter der Kommunen. Fabienne Becker-Stoll, Professorin für Entwicklungspsychologie und Leiterin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München, sieht darin keine Schwierigkeiten: „So wie sich die Leute gerade brav vor jedem Supermarkt in die Schlange stellen, so können sie auch auf dem Spielplatz Abstand wahren“, sagt sie. „Man kann auf die Vernunft der Eltern setzen.“Zudem könnte man den Zugang bei Bedarf regulieren, wenn ein Spielplatz beispielsweise über ein Tor verfüge. Vorstellbar wäre auch, dass sich Familien fest zusammenfinden, deren Kinder gemeinsam spielen können – eine Stunde am Tag auf dem Spielplatz, sonst in der Wohnung. „Die Kinder brauchen wieder mehr Raum für Spiel und Bewegung.“Bislang hätten die Bedürfnisse von Familien mit jungen Kindern eine zu kleine Rolle gespielt.
Wie sehr sich die Kinder über die Öffnung der Spielplätze freuten, zeigte die euphorische Leonie auf dem Fürstenplatz. „Ich habe vor allem die Schaukel und das Klettergerüst vermisst. Ich finde es gut, dass wir das wieder dürfen“, sagte die Sechsjährige und rannte zu ihrem dreijährigen Bruder Johann. Eine Erleichterung für ihre Mutter Lisa S. (37), die vor allem kurz nach der Schließung der Spielplätze viel Erklärungsarbeit leisten musste: „Mein Sohn war zu der Zeit erkältet und hat deshalb geglaubt, er wäre Schuld an den geschlossenen Spielplätzen. Und als er gesund war, dachte er, dass jetzt wieder alles offen hat.“Mit der Zeit habe er aber das Problem verstanden und sogar den Mindestabstand zu anderen Menschen von alleine eingehalten.
Das zu erklären sei bei Kindern grundsätzlich kein Problem, sagt die Pädagogin Andrea Weyer vom Kinderschutzbund Aachen. „Aber nicht, indem man Ängste schürt. Wir wissen aus unserer Erfahrung, dass Kinder dazu neigen, sich verantwortlich zu fühlen, wenn etwas passiert.“Den Abstand könne man spielerisch einüben, etwa mit einem unsichtbaren Fantasietier wie einem Pferd, das nirgendwo anecken darf. Der Mindestabstand auf Spielplätzen gilt aber offiziell sowieso nur für die Begleitperson, nicht
aber für die spielenden Kinder, was bei Johann und Luise am Donnerstag zu einem weiteren Verständnisproblem führte: „Wir waren vorhin schon auf einem anderen Spielpatz. Da haben die beiden erst nicht verstanden, warum der Abstand zu den anderen Kindern plötzlich aufgelöst worden ist“, erzählt ihre Mutter.
Und auch die nicht genau definierte Bitte, dass der Spielplatz bei Überfüllung nicht betreten werden soll, sorgte für Skepsis, wie Katja G. sagt. „Ich kann mir vorstellen, dass das schwierig wird zu koordinieren, wenn es noch voller wird auf den Spielplätzen“, sagte die Mutter, die mit ihrem Sohn Jonathan (3) unterwegs war. „Grundsätzlich sind wir aber froh über die Öffnung. Wir waren zuletzt viel am Rhein oder im Wald, aber ein Spielplatz vor der Haustür ist schon praktisch.“
So überwog am Tag der Spielplatzöffnung zwar die Freude der Kinder und die Erleichterung der Eltern – ohne Verunsicherung lief es bei den neuen Verhaltensregeln aber nicht ab. Für die Lösung dieses Problems könne man etwa über Spielplatzpaten als Ansprechpartner nachdenken, schlägt Pädagogin Andrea Weyer vor. „Ich glaube die Verunsicherung bei den Eltern ist nach wie vor ziemlich groß. Keiner weiß so richtig, was man darf und was nicht.“