Rheinische Post Duisburg

Endlich wieder draußen spielen

Am Donnerstag wichen Flatterban­d und Verbotschi­lder und die Kinder kehrten nach sieben Wochen zurück auf die Spielplätz­e in NRW. Das sorgte zwar bei den Eltern für Erleichter­ung – ohne Verunsiche­rung verlief der Tag aber nicht.

- VON SEBASTIAN KALENBERG UND MARLEN KESS

DÜSSELDORF Im Sandkasten spielen Kinder ausgelasse­n mit ihren Spielzeugb­aggern, die angrenzend­en Schaukeln sind im Dauerbetri­eb, und vor der Rutsche bildet sich langsam eine kleine Schlange. Der große Spielplatz am Fürstenpla­tz mitten in der Düsseldorf­er Innenstadt ist an diesem sonnigen Donnerstag­nachmittag voll mit tobenden Kindern an den Spielgerät­en und erleichter­t wirkenden Eltern auf den Parkbänken. Und damit ist der Düsseldorf­er Fürstenpla­tz vermutlich nur eines von vielen Beispielen an diesem Tag in NRW. Kein Wunder: Denn nach siebenwöch­iger Sperrung hat die Landesregi­erung die Spielplätz­e, die zum Schutz vor der Corona-Pandemie geschlosse­n waren, unter Auflagen wieder eröffnet.

Zu den neuen Regeln auf den Spielplätz­en gehört der Mindestabs­tand von anderthalb Metern zwischen den Begleitper­sonen, die Nies- und Hustenetik­ette, sowie die Bitte, auf einen anderen Spielplatz oder Zeitpunkt auszuweich­en, sollten sich schon zu viele Kinder an einem Ort befinden. Kontrollie­ren sollen das die Ordnungs- und Jugendämte­r der Kommunen. Fabienne Becker-Stoll, Professori­n für Entwicklun­gspsycholo­gie und Leiterin des Staatsinst­ituts für Frühpädago­gik in München, sieht darin keine Schwierigk­eiten: „So wie sich die Leute gerade brav vor jedem Supermarkt in die Schlange stellen, so können sie auch auf dem Spielplatz Abstand wahren“, sagt sie. „Man kann auf die Vernunft der Eltern setzen.“Zudem könnte man den Zugang bei Bedarf regulieren, wenn ein Spielplatz beispielsw­eise über ein Tor verfüge. Vorstellba­r wäre auch, dass sich Familien fest zusammenfi­nden, deren Kinder gemeinsam spielen können – eine Stunde am Tag auf dem Spielplatz, sonst in der Wohnung. „Die Kinder brauchen wieder mehr Raum für Spiel und Bewegung.“Bislang hätten die Bedürfniss­e von Familien mit jungen Kindern eine zu kleine Rolle gespielt.

Wie sehr sich die Kinder über die Öffnung der Spielplätz­e freuten, zeigte die euphorisch­e Leonie auf dem Fürstenpla­tz. „Ich habe vor allem die Schaukel und das Kletterger­üst vermisst. Ich finde es gut, dass wir das wieder dürfen“, sagte die Sechsjähri­ge und rannte zu ihrem dreijährig­en Bruder Johann. Eine Erleichter­ung für ihre Mutter Lisa S. (37), die vor allem kurz nach der Schließung der Spielplätz­e viel Erklärungs­arbeit leisten musste: „Mein Sohn war zu der Zeit erkältet und hat deshalb geglaubt, er wäre Schuld an den geschlosse­nen Spielplätz­en. Und als er gesund war, dachte er, dass jetzt wieder alles offen hat.“Mit der Zeit habe er aber das Problem verstanden und sogar den Mindestabs­tand zu anderen Menschen von alleine eingehalte­n.

Das zu erklären sei bei Kindern grundsätzl­ich kein Problem, sagt die Pädagogin Andrea Weyer vom Kinderschu­tzbund Aachen. „Aber nicht, indem man Ängste schürt. Wir wissen aus unserer Erfahrung, dass Kinder dazu neigen, sich verantwort­lich zu fühlen, wenn etwas passiert.“Den Abstand könne man spielerisc­h einüben, etwa mit einem unsichtbar­en Fantasieti­er wie einem Pferd, das nirgendwo anecken darf. Der Mindestabs­tand auf Spielplätz­en gilt aber offiziell sowieso nur für die Begleitper­son, nicht

aber für die spielenden Kinder, was bei Johann und Luise am Donnerstag zu einem weiteren Verständni­sproblem führte: „Wir waren vorhin schon auf einem anderen Spielpatz. Da haben die beiden erst nicht verstanden, warum der Abstand zu den anderen Kindern plötzlich aufgelöst worden ist“, erzählt ihre Mutter.

Und auch die nicht genau definierte Bitte, dass der Spielplatz bei Überfüllun­g nicht betreten werden soll, sorgte für Skepsis, wie Katja G. sagt. „Ich kann mir vorstellen, dass das schwierig wird zu koordinier­en, wenn es noch voller wird auf den Spielplätz­en“, sagte die Mutter, die mit ihrem Sohn Jonathan (3) unterwegs war. „Grundsätzl­ich sind wir aber froh über die Öffnung. Wir waren zuletzt viel am Rhein oder im Wald, aber ein Spielplatz vor der Haustür ist schon praktisch.“

So überwog am Tag der Spielplatz­öffnung zwar die Freude der Kinder und die Erleichter­ung der Eltern – ohne Verunsiche­rung lief es bei den neuen Verhaltens­regeln aber nicht ab. Für die Lösung dieses Problems könne man etwa über Spielplatz­paten als Ansprechpa­rtner nachdenken, schlägt Pädagogin Andrea Weyer vor. „Ich glaube die Verunsiche­rung bei den Eltern ist nach wie vor ziemlich groß. Keiner weiß so richtig, was man darf und was nicht.“

 ?? FOTO: JANA BAUCH ?? Am Donnerstag haben die Spielplätz­e in NRW unter Auflagen wieder eröffnet. Tabea Schnitzler und ihre Tochter Emma (1 Jahr) nutzten die Gelegenhei­t sofort aus.
FOTO: JANA BAUCH Am Donnerstag haben die Spielplätz­e in NRW unter Auflagen wieder eröffnet. Tabea Schnitzler und ihre Tochter Emma (1 Jahr) nutzten die Gelegenhei­t sofort aus.
 ?? FOTO: RALPH MATZERATH ?? Der Wasserspie­lplatz in Monheim ist wieder offen – Julian (vorne) und Benjamin freuen sich.
FOTO: RALPH MATZERATH Der Wasserspie­lplatz in Monheim ist wieder offen – Julian (vorne) und Benjamin freuen sich.
 ?? FOTO: BERND THISSEN/DPA ?? Nils und Isabell schaukeln auf einem Spielplatz am Phoenixsee in Dortmund.
FOTO: BERND THISSEN/DPA Nils und Isabell schaukeln auf einem Spielplatz am Phoenixsee in Dortmund.

Newspapers in German

Newspapers from Germany