Streit um das richtige Gedenken
Die Initiative „Du+Wir” möchte die Kulturdemo zum Jahrestag des Kriegsende am 8. Mai 1945 auf 2021 verschieben. Die Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie” hat grundsätzlich Bedenken gegen einen „Feiertag 8. Mai”.
Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endete am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg. Die Initiative „Du+Wir“wollte den 75. Jahrestag des Kriegsendes auf eine besondere Weise würdigen. Sie schreibt jetzt: „Wir in Duisburg haben am 8. Mai 2020 mehr als einen Grund, der Stunde Null im Jahre 1945 zu gedenken, als unsere Stadt in Trümmern lag, aber die Nazi-Diktatur endlich besiegt war. Da war Hoffnung auf Frieden, auf Brot, Arbeit und Demokratie. Heute nach 75 Jahren leben wir in einer bunten pulsierenden Stadt voller Vielfalt, mit Menschen aus zahlreichen Ländern und Kulturen, friedlich und engagiert.“
Dieser positive Aspekt sei jedoch gefährdet. „Wir+Du“schreibt weiter: „Dieses Zusammenleben ist bedroht: rechtsradikale Ideologen in den Parlamenten und ihre Splitter und Trupps bis hinunter in die Stadtteile wollen mit ihrem Weltbild einen Staat vorbereiten, wie er schon einmal mit Völker- und Rassenhass die Welt in Brand gesetzt hat. Die Morde und Übergriffe der letzten Monate sind Warnung und Mahnung, jetzt die Rechte und Freiheiten für alle Menschen in unserem Land entschieden zu verteidigen. Lebenswerte und demokratische Verhältnisse in unserer Stadt sind die überzeugendsten Gegenmittel gegen das Gift der Nazis.“
Geplant war für Freitag, 8. Mai, eine große Kultur-Demo in der Innenstadt. 80 Organisationen, Verbände und Gruppen wollten sich daran beteiligen (die RP berichtete). Das Coronavirus verhindert nun diese „Demonstration“, die sich von den üblichen Stadtfesten unterscheiden sollte. Doch die
Pandemie-bedingte Absage soll kein Schlusstrich unter diesen Plan sein, vielmehr soll eine „Feier des Tages der Befreiung von faschistischer Nazi-Diktatur“für die Zukunft geplant werden. „Vielleicht 75+1 am 8. Mai 2021?“, heißt es bei „Du+Wir“. Zugleich möchte sich die Initiative dafür einsetzen, den 8. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu machen und wenn möglich 2021 realisieren. Unter dem online-Portal www.change. org/p/8-mai-zum-feiertag-machen-was-75-jahre-nach-befreiung-vom-faschismus-getan-werden-muss-tagderbefreiung-bkagvat-bundesrat könne man sich dafür einsetzen.
Die „Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie“erhebt unterdessen grundsätzliche Einwände gegen die Art und Weise, wie „Du+Wir“den 8. Mai mit einem Fünf-Bühnen-Programm „feiern“möchten. Ein solches Programm könne zu einem „Gaudi mit Gemüt und Gewissen“werden. Der 8. Mai dürfe nicht als Feiertag inszeniert werden, sondern müsse ein „Tag der Besinnung“bleiben, der uns an die Schuld erinnere, die Deutsche auf sich geladen haben. Diese Einwände gegen den 8. Mai 1945 als „Feiertag” haben eine ganz andere Stoßrichtung als die von AfD-Mann Alexander Gauland, der sich ebenfalls gegen einen „Feiertag 8. Mai” ausgesprochen hat. „Gegen Vergessen – Für Demokratie“zitiert aus der Rede, die Richard von Weizsäcker 1985 zum 40. Jahrestag gehalten hatte: „Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto freier sind wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellten. Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern...“„
Gegen Vergessen – Für Demokratie“zitiert in einem jetzt veröffentlichten Schreiben unter anderem einen amerikanischen Major, der 1945 gegenüber einer Journalistin gesagt hatte: „Die Deutschen tun, als seien die Nazis eine fremde Rasse von Eskimos, die vom Nordpol gekommen und irgendwie in Deutschland eingedrungen sind...“Beim 8. Mai solle man mahnend darauf hinweisen, dass sich Menschen im Nachhinein aus ihrer Verantwortlichkeit stehlen wollen. All das werde bei einer „Kulturdemonstration zum 8. Mai“zu wenig thematisiert.
Der 8. Mai mit Bezug zum Kriegsende dürfe deshalb kein Feiertag werden, sondern müsse in jedem Falle ein Tag der Besinnung bleiben. Wenn man am 8. Mai als Feiertag festhalten wolle, dann solle dies, so der Vorschlag von „Gegen Vergessen – Für Demokratie”, der 8. Mai 1949 sein. An diesem Tag wurde das Grundgesetz verabschiedet, das am 23. Mai 1949 in Kraft trat. Diese beiden Bezüge seien ein Grund, unbeschwert zu „feiern”.