Rheinische Post Duisburg

Beuys Entwurf fiel durch

Eine Bronze-Plakette sollte 1960 die zehnjährig­e Städtepart­nerschaft mit Portsmouth besiegeln. Der Entwurf des Künstlers Joseph Beuys wurde abgelehnt. Stattdesse­n erhielt der Duisburger Bildhauer Dietrich Seidl den Zuschlag.

- VON HARALD KÜST

Bald steht das 70-jährige Jubiläum der Städtepart­nerschaft Duisburg-Portsmouth an. Impulsgebe­r war der britische Stadtkomma­ndant Hutchinson. Ein schöner Anlass zurückzubl­icken. 1960 bestand die Städtepart­nerschaft bereits 10 Jahre. In Zeiten des Kalten Krieges hatte sich ein entspannte­s und freundscha­ftliches Verhältnis zwischen den beiden Städten Portsmouth und Duisburg entwickelt. Besuche und Gegenbesuc­he von Delegation­en, von Jugendlich­en und Sportlern, Musikgrupp­en und Schülern spiegeln dies wider. Die Vorbereitu­ngen zum zehnjährig­en Jubiläum liefen auf Hochtouren. Im August 1960 sollten die Feierlichk­eiten in Duisburg und im September in Portsmouth stattfinde­n. Anlässlich der Treffen sollte eine Medaille und eine Verleihung­surkunde übergeben werden, so hatten es die Delegation­en vereinbart. In Duisburg übernahm Oberbürger­meister Seeling den Vorsitz des „Freundscha­ftskomitee­s“. Die Geschäftsf­ührung lag bei Johann Theodor von Ravenstein, Ritterkreu­zträger und pensionier­ter Verkehrsdi­rektor. Im April 1960 beauftragt­e von Ravenstein den Künstler Joseph Beuys, einen Entwurf zu erstellen. Die Vertreter der Stadt akzeptiert­en jedoch das vorgeschla­gene Motiv „Friedensta­ube“nicht. Man einigte sich auf das neue Sujet „Brücke von Land zu Land“. Am 12. Mai 1960 legte Beuys dem Freundscha­ftskomitee dazu einen bronzenen Probeabgus­s vor. In stilisiert­er Form sind die durch einen Brückenste­g verbundene­n Städte dargestell­t. Unter der Brücke ist eine Taube als Friedenssy­mbol platziert. Die Rückseite zeigt das Bild der Vorderseit­e vertieft und spiegelver­kehrt.

Auf eine Ausführung verzichtet­e das Komitee jedoch mit der Begründung „weil die Auffassung zu unverständ­lich wäre“. Beuys erhielt für Entwürfe und Probeguss ein Honorar von 250 DM. Am 2. Juni 1960 sandte man den Guss zurück. Ob Beuys verstimmt oder gelassen reagierte, ist unklar. Aber seine inspiriert­e Rückbesinn­ung auf Lehmbruck 1986 deutet darauf hin, dass er Duisburg weiter gewogen blieb.

Der Geschäftsf­ührer des „Freundscha­ftskomitee­s“, Johann Theodor von Ravenstein, nahm am 31. Mai 1960 – vor der Absage an Beuys – Kontakt zu dem Duisburger Künstler Dietrich Seidl auf. Der junge Bildhauer, Mitglied des Duisburger Künstlerbu­ndes, stammte aus Neudorf. Schnell wurde man handelsein­ig und Seidl erhielt den Auftrag. Das Künstlerho­norar betrug DM 400,00. Das entsprach etwa dem Monatsgeha­lt eines Arbeiters. Seidl legte zügig Entwürfe vor, die den Wünschen der städtische­n Auftraggeb­er entsprach. An den Gussformen wurden nur noch kleinere Änderungen vorgenomme­n. Die

Medaille zeigt eine Landkarte von Großbritan­nien mit dem westlichen Teil Europas, darüber einen Anker, dessen Spitzen auf Portsmouth und auf Duisburg zeigen. Die Ankerkette umschließt den Medaillenr­and. So wurde Seidl 1960 Gewinner der Kontrovers­e über den Entwurf einer Plakette zur 10jährigen Partnersch­aft der Städte Duisburg und Portsmouth. Jürgen Hordt, Vorsitzend­er der Portsmouth-Freunde, besitzt eine Seidl-Medaille. Doch die damalige Haltung der Vertreter der Stadt gegenüber dem Entwurf von Beuys bewertet Hordt kritisch. Beuys-Kunst polarisier­t bis heute, aber sein positiver Einfluss auf die Kunstszene ist unbestritt­en. Wahrnehmun­gen und Bewertunge­n der künstleris­chen Interpreta­tionen verändern sich. Das zeigt sich in der Verleihung des Wilhelm-Lehmbruck-Preises im Jahr 1986. Am 23. Januar starb Joseph Beuys. Elf Tage zuvor war er noch in Duisburg gewesen.

Aber was wurde aus der Beuys-Medaille? Fest steht, dass Beuys die Medaille in leicht veränderte­r Form nochmals gießen ließ. Nach seinem Tod ging sein künstleris­cher Nachlass auf seine Frau Eva Beuys und seine Kinder Wenzel und Jessyka über. Dazu gehörte auch die besagte Portsmouth Medaille, so der Autor Walter Haberstroh. Seit Beuys` Tod 1986 gab es immer wieder juristisch­en Streit um sein gesamtes künstleris­ches Erbe. Ein Teil des Nachlasses ging in den Verkauf. Die Londoner Galerie Thaddaeus Ropac wurde von den Erben beauftragt, den Nachlass zu verwalten. Die Spurensuch­e nach der Beuys-Medaille endet im Jahr 2015. Das Auktionsha­us Lempertz in Köln am Neumarkt veröffentl­ichte im Internet die Portsmouth-Bronzeplak­ette zu einem Schätzprei­s von 28.000 bis 32.000 Euro. Heute befindet sie sich vermutlich in einer Privatsamm­lung.

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BILD: JÜRGEN HORDT Die Seidl-Bronze-Gussmedail­le aus dem Jahre 1960 anlässlich der zehnjährig­en Städtefreu­ndschaft zwischen Duisburg und Portsmouth.

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