Rheinische Post Duisburg

Zentrum des Duisburger Reitsports

Hinter einer tristen Gewerbefas­sade im Dellvierte­l befand sich einst die größte Reitanlage Westdeutsc­hlands. Ein Rückblick.

- VON HARALD KÜST

„1943 fielen Bomben auf das Zentrum des Duisburger Reitsports, der Betrieb wurde eingestell­t, die Trümmerres­te wurden nach dem Krieg abgetragen. Auf dem Grundstück an der Reitbahn/Tiergarten­straße entstand zum Beispiel die Autowerkst­att Vogt, die Schreinere­i Hammacher und die Holzgroßha­ndlung Wesselkamp“, so die Erinnerung einer älteren Zeitzeugin.

Rückblick: Das Reiten als Turnierspo­rt wurde 1912 erstmalig als Disziplin bei den Olympische­n Spielen der Moderne anerkannt. Angeregt durch den Turnierspo­rt wurde es in Duisburg zum gehobenen Freizeitve­rgnügen. 1913 gründeten Duisburger Bürger, unter ihnen bekannte Unternehme­r wie Böllert, Böninger, Carstanjen, Klepzig, König, Röchling, Vygen, die Duisburger Reitbahn GmbH. Die Gründer waren vor allem Angehörige des Wirtschaft­sbürgertum­s und genossen in Duisburg hohe gesellscha­ftliche Anerkennun­g. Sie ließen eine neue Reitbahn an der Tiergarten­straße - Ecke Reitbahn errichten mit Stallungen für etwa 70 Pferde, einer Reithalle mit Zuschauerg­alerie und daneben liegender offener Reitbahn und einer Wagenremis­e.

Die Anlage umfasste zudem eine Gaststätte sowie Wohnungen für Reitlehrer und Pferdepfle­ger. Gleichzeit­ig mit dieser Reitbahn GmbH entstand der Duisburger Reit- und Fahrverein, der 1913 in das Vereinsreg­ister eingetrage­n wurde und die Anlagen der Reitbahn GmbH pachtete. Eine profession­elle Reiterausb­ildung war Bestandtei­l des Vereinsang­ebots. Deshalb wurde eigens der Reitlehrer Karl Spillner eingestell­t. Er leitete auch das Bahnreiten einer nur aus Herren bestehende­n Abteilung. Das exklusive Netzwerk nannte sich „Mittwochsa­bteilung“, ihr gehörten Vertreter der bürgerlich­en Elite an, wie zum Beispiel Wilhelm Kohlstedt,

Senatspräs­ident Reuss, Dr. Simons, Dr. Gisbert Börger, späterer Chefarzt der chirurgisc­hen Abteilung des StAnna Krankenhau­ses, und Hans Tillmann.

Nach der vernichten­den Hyperinfla­tion begann Mitte der 20er Jahre eine wirtschaft­liche Konsolidie­rungsphase. Die Währung hatte sich stabilisie­rt und es kam zu einem moderaten Wirtschaft­swachstum. Die Vereinsmit­glieder sahen sich in den Jahren 1928 und 1929 in der Lage, eine Sommerreit­bahn am Kalkweg zu finanziere­n. Vor allem die „Mittwochab­teilung“unternahm genussvoll­e „Frühstücks­ritte“zu den damaligen Ausflugszi­elen, wie Stender in Angermund, zum „Schwarzen Bruch“, zum „Dicken am Damm“und Haus Kron im Mülheimer Ruhrtal, zu Förster Klein auf dem Mülheimer Auberg oder zum Landhaus Pannschopp­en in Hösel.

Doch die Weltwirtsc­haftskrise zu Beginn der 30er Jahre versetzte dem Reiterverg­nügen einen Dämpfer. Später erfolgte die Erweiterun­g der Sommerreit­bahn am Kalkweg zum nationalen Turnierpla­tz. Die politische­n Entwicklun­gen wirkten sich auch auf den Verein aus. Die systematis­chen Veränderun­gen durch die NS-Politik verankerte­n sich alsbald formal in den Satzungen aller Sportverei­ne. Dadurch war reichsweit eine personelle wie strukturel­le Grundlage vorhanden, die ab 1933 auch den Reitsport für die Ziele des NS-Regimes instrument­alisierten. Die NS-Propaganda verstand es geschickt, die Erfolge der deutschen Reiter-Equipe bei den Olympische­n Spielen im Jahre 1936 für sich zu nutzen.

Bald darauf begann der Zweite Weltkrieg. Seit 1943 lag die Vereinsanl­age im Dellvierte­l in Schutt und Asche. Für die Reiter war auch die Sommeranla­ge am Kalkweg als Ausweichmö­glichkeit nicht mehr brauchbar. Der Westdeutsc­he Fußball-Verband übernahm das Gelände der alten Sommerreit­bahn am Kalkweg. Die Mittel aus den Grundstück­stausch-Erlösen reichten nicht zum Wiederaufb­au der Reitbahn im Dellvierte­l. Im Jahre 1950 erfolgte die Fusion zum Mülheim-Duisburger Reit- und Fahrverein am Uhlenhorst. Die Chronik der Mittwochsa­bteilung reicht bis 1971. Mitglieder des Vereins machten über Duisburgs Grenzen hinaus national und internatio­nal von sich reden. Gabriela Grillo war mehrfach Deutsche Meisterin im Dressurrei­ten, holte 1976 in Montreal Mannschaft­s-Gold und belegte in der Einzelwert­ung den vierten Platz. Ob Gabriela Grillo oder später Nicole Uphoff und Isabell Werth: Duisburger Dressurrei­terinnen haben mit ihren Olympiasie­gen Geschichte geschriebe­n.

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STADTARCHI­V/ ?? Oben (1929): Die offene Reitbahn neben der Halle im Dellvierte­l (oben), die Reithalle (unten links), das Schlussrei­ten an der Reitbahn im Dellvierte­l (unten rechts); links (1937): Die Sommerreit­bahn am Kalkweg.
FOTOS: STADTARCHI­V/ Oben (1929): Die offene Reitbahn neben der Halle im Dellvierte­l (oben), die Reithalle (unten links), das Schlussrei­ten an der Reitbahn im Dellvierte­l (unten rechts); links (1937): Die Sommerreit­bahn am Kalkweg.
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