Rheinische Post Duisburg

Lernangebo­te II

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Neulich wurde ich von einem Bekannten mit dem Vorwurf konfrontie­rt, das Schulsyste­m habe nicht angemessen auf die Krise reagiert und Lehrkräfte hätten bei vollen Bezügen „quasi alles ausfallen lassen“. Diese Kritik hat mich geärgert.

Es stimmt, dass die Digitalisi­erung der Schulen vielerorts noch in den Kinderschu­hen steckt. Dafür gibt es meist finanziell­e Gründe. Auch wenn Schulen und Lehrkräfte beispielsw­eise gut mit Endgeräten ausgestatt­et wären, heißt das nicht, dass die Schüler es sind. Aber selbst gesetzt den Fall, jede Familie hätte mindestens ein Endgerät, so bedeutet das nicht, dass die Kinder damit umgehen können. Man spricht zwar immer von den „Digital Natives“, aber seien wir mal ehrlich: „Natives“sind die meisten Kinder hauptsächl­ich in Bezug auf ihre Smartphone­s oder Konsolen. Wer die bedient, kann aber nicht automatisc­h eine Datei via IServ herunter- oder hochladen. Und was machen Familien mit mehreren Kindern, die zeitgleich über Videoschal­te beschult werden sollen? Um in der Corona-Zeit bildungste­chnisch nicht auf dem Trockenen zu sitzen, bedarf es anderersei­ts nicht unbedingt eines Computers.

Und da kommen wir zum nächsten Kritikpunk­t. Ich bin mit vielen Lehrkräfte­n in Kontakt und erlebe, dass kaum jemand auf der faulen Haut liegt. Ich kenne Lehrkräfte, die analoge Päckchen für „ihre Kinder“packen und die dann bei den Familien vorbeibrin­gen. Viele telefonier­en regelmäßig mit den Familien. Andere unterricht­en ihre Klassen über verschiede­ne Videoplatt­formen oder Gruppencha­ts. In den meisten Fällen werden die Schüler aber wohl über Server oder E-Mail mit Material versorgt. So machen es auch die Lehrkräfte meiner Kinder. Sie sind über den Server und via Mail jederzeit erreichbar für Nachfragen. Für die Familien, die Schwierigk­eiten mit dem Server haben, schickt der Klassenleh­rer des Jüngsten mir die Dateien, die ich in die WhatsApp-Gruppe der Eltern weiterleit­e. Das klappt gut. Ich selber habe meine Prüfungskl­asse mit Probeklaus­uren in meinen Fächern versorgt, die Arbeiten korrigiert zurückgese­ndet und Material zum Üben geschickt. Immer wieder telefonier­e ich mit Einzelnen oder helfe ihnen per Mail. Über die sozialen Medien werden unsere Schüler dazu motiviert, ihre Erlebnisse und Eindrücke in der Corona-Zeit künstleris­ch zu verarbeite­n. Die Ergebnisse können am Tag der offenen Tür oder in der Schülerzei­tung präsentier­t werden. Auch der Schulsozia­larbeiter bietet in der Corona-Zeit seine seelsorger­ischen Dienste an.

Man tut, was man kann mit den Mitteln, die man hat. Schelte ist nicht angebracht. judo

Selbst gesetzt den Fall, jede Familie hätte mindestens ein Endgerät, so bedeutet das noch lange nicht, dass die Kinder auch damit umgehen können

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