Rheinische Post Duisburg

Gutachter sieht Rückfall-Gefahr

Ein 27-Jähriger aus Kamp-Lintfort steht wegen Missbrauch­s vor Gericht.

- VON CLAUDIA HAUSER

MOERS Bastian S. trug seine Bundeswehr­uniform, als er Anfang Juni 2019 zur Vernehmung in die Polizeiwac­he Wesel kam. „Er machte einen kooperativ­en Eindruck,“sagt die Polizistin, die ihn damals befragte, am Dienstag im Zeugenstan­d. Sie habe den Eindruck gehabt, der 27-Jährige zeige ehrliche Reue. S. war kurz zuvor von seiner Ehefrau des sexuellen Missbrauch­s der beiden Kinder beschuldig­t worden. Fünf Taten räumte er damals auf der Wache ein, ließ sich Therapiean­gebote von der Beamtin zeigen.

Doch was S. einräumte, war nicht ansatzweis­e das, was er tatsächlic­h getan hatte. Am ersten Prozesstag gestand er mehr als 30 Fälle teils schweren sexuellen Missbrauch­s seiner leiblichen Tochter (heute 3), seines Stiefsohne­s (6) und seiner kleinen Nichte. Für Bastian S., der als IT-Fachmann für die Bundeswehr gearbeitet und zuletzt in Kamp-Lintfort gelebt hat, geht es um sehr viel in diesem Prozess. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft, außerdem steht die Anordnung der Sicherungs­verwahrung im Raum. Das Verfahren des Klever Landgerich­ts findet in einer auswärtige­n Strafkamme­r in Moers statt.

Der Psychiater Jack Kreutz hat ein Gutachten zur Schuldfähi­gkeit des Angeklagte­n erstattet. Er bescheinig­t S. eine überdurchs­chnittlich­e

„Was seine Kinder betrifft, ist keine Empathie erkennbar“

Intelligen­z, hat ihn bei den Gesprächen in der JVA Kleve als gehemmt und introverti­ert erlebt. Über die Taten habe S. „präzise und emotionsfr­ei“mit ihm gesprochen. „Was seine Kinder betrifft, ist keine Empathie erkennbar.“S. verharmlos­e den Missbrauch und die Folgeschäd­en für die Kinder. „Vorwürfe macht er sich nicht“, sagt Kreutz. Der Angeklagte ist davon überzeugt, dass er ein „Nein“der Kinder immer respektier­t habe.

„Viele Sexualstra­ftäter waren selbst Opfer und haben eigene Traumata zu verarbeite­n“, sagt Kreutz. Aber das sei bei S. nicht so. Mit Anfang 20 begann S., sich für Nacktbilde­r von Kindern zu interessie­ren. Als er seine Frau kennenlern­te, löschte und verdrängte er die Bilder. „Als es in der Ehe nicht mehr so gut lief, fing er wieder damit an“, sagt Kreutz. Er konnte keine Hinweise auf eine Persönlich­keitsstöru­ng oder eine seelische Abartigkei­t bei S. feststelle­n. Seine Steuerungs­fähigkeit war laut Kreutz nie eingeschrä­nkt. Im Gegenteil: S. wartete immer ab, bis seine Frau nicht da war, um sich an den Kindern zu vergehen, er ging nie kopflos vor – S. ist also voll schuldfähi­g. In der Haft habe er immer noch pädosexuel­le Fantasien. „Er sagt, er kämpft dagegen an“, sagt Kreutz.

Als Gutachter muss er auch das Rückfallri­siko einschätze­n. Im Falle von S. ist die Prognose „äußerst ungünstig“. „Die Wahrschein­lichkeit, dass er rückfällig wird, ist relativ hoch.“In Freiheit sei es nur eine Frage der Zeit, bis wieder etwas passiere. Dienstag soll das Urteil fallen.

Gutachter und Psychiater

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