Den BND besser kontrollieren
Das Bundesverfassungsgericht erinnert den Bundesnachrichtendienst, dass Geheimdienste nicht über der Verfassung stehen. Das war notwendig.
KARLSRUHE Um bizarre Ansichten war der Bundesnachrichtendienst nie verlegen. Als es vor Jahren um die Datenerfassung über Satelliten ging, argumentierte der Geheimdienst: Weil die Satelliten im Weltall unterwegs sind, könne die Überwachung unmöglich Grundrechten unterworfen sein. Das Weltall galt dem BND als rechtsfreier Raum. Und nicht nur das.
So betrachtete der Auslandsgeheimdienst auch das Irdische als einen Ort, an dem Gesetze für ihn nur bedingt gelten. Befugnisse sah man gern beim BND, Einschränkungen argumentierten die Beamten weg – oder übersahen sie ganz. Das Bundesverfassungsgericht hat den BND nun daran erinnert, dass er an Recht und Gesetz gebunden ist (Az.: 1 BvR 2835/17).
Mehr als 150.000 Kommunikationen erfasst der BND, Mitarbeiter machen daraus 260 Mitteilungen – jeden Tag. Das Netz, das der Geheimdienst auswirft, ist ziemlich groß. Klar, dass da etliche Dinge mitkommen, die den BND nichts angehen. Gespräche über Sexualpartner, Mails von deutschen Staatsbürgern oder Telefonate von Rechtsanwälten und Journalisten zum Beispiel.
Ausländische Journalisten und die Organisation „Reporter ohne Grenzen“waren es dann auch, die die bestehende „strategische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“vor dem Verfassungsgericht nun zu Fall brachten. Der Erste Senat hat den Verfassungsbeschwerden vollständig zugestimmt. Nikolaos Gazeas, Kölner Rechtsanwalt und Experte für Geheimdienstrecht, sagt: „Das Gericht erteilt der gesamten Argumentation der Bundesregierung in der Frage der Grundrechtsbindung eine klare Absage.“
Die war sich nämlich derart sicher, dass der BND im Ausland nicht an Grundrechte gebunden ist, dass im 2016 aufgelegten BND-Gesetz sogar ein Hinweis auf Artikel 10 des Grundgesetzes fehlt – das Fernmeldegeheimnis. Allein schon wegen dieses formellen Fehlers erklärte der Erste Senat die Praxis des BND für verfassungswidrig.
Im NSA-Untersuchungsausschuss hatte ein BND-Mitarbeiter noch gesagt, Ausländer seien bei der Überwachung „zum Abschuss freigegeben“. Das Verfassungsgericht unter der Federführung des scheidenden Richters Johannes Masing verneinte diese Anmaßung nicht nur, es formulierte erstmals aus, dass deutsche Staatsgewalt auch im Ausland an Grundrechte gebunden ist – und sich Ausländer auf sie berufen können. Ein historischer Schritt.
Grundsätzlich darf der BND Chats, E-Mails und Telefone überwachen, entschied das Gericht. Die Arbeit des BND sei von „überragendem öffentlichen Interesse“. Aber der Geheimdienst muss sich dabei an Regeln halten und verhältnismäßig vorgehen. Journalisten und Rechtsanwälte, die Berufsgeheimnisträger, müssen besonders geschützt sein.
Auch die Weitergabe der gesammelten Daten an Geheimdienste anderer Staaten oder deutsche Staatsanwälte wird strenger geregelt. Rechtsanwalt Gazeas sagt: „Das Gericht hat der Übermittlung von Daten an Partnerdienste rechtsstaatliche Grenzen gesetzt. Aber den Austausch mit anderen hat das Gericht nicht verboten, die Arbeitsfähigkeit des BND bleibt gewährt.“
Insgesamt sei es ein sehr kluges Urteil, findet Gazeas. „Das Grundsatzurteil sollte Pflichtlektüre für alle Mitarbeiter deutscher Sicherheitsbehörden sein“, sagt er. Das Bundesverfassungsgericht erinnere daran, dass der Ausgangspunkt der Werteordnung der Schutz von Grund- und Menschenrechten sei.
Das Gericht mahnt auch eine effizientere Kontrolle des BND an. So müssen das Parlamentarische Kontrollgremium und die G-10-Kommission besser aufgestellt werden. Sie dürfen ihre Erkenntnisse auch miteinander besprechen – das war bislang nicht eindeutig.
Die FDP geht noch einen Schritt weiter und fordert, einen Nachrichtendienst-Beauftragten des Deutschen Bundestages einzusetzen. Nach der Vorstellung des FDP-Innenpolitikers Konstantin Kuhle soll dieser ähnlich wie der Wehrbeauftragte arbeiten.