Rheinische Post Duisburg

Schauspiel­er chatten im Kriminalst­ück

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Not macht erfinderis­ch: Das Theaterkol­lektiv fand einen ziemlich originelle­n Weg, um mit seinen Zuschauern in Kontakt treten zu können: Es hat die Inszenieru­ng kurzerhand in einen Telegram-Chat verlegt. Und hat Erfolg mit dem WLan-Theater. „Bei unserem Gastspiel in Berlin haben insgesamt 700 Leute teilgenomm­en“, berichtet Kristofer Gudmundsso­n. Am kommenden Wochenende, 23. und 24. Mai, bereichert die Inszenieru­ng jeweils um 18 Uhr den Online-Spielplan des Schlossthe­aters in Moers.

Für das Kollektiv erwies es sich als Vorteil, dass das Medium Film in seiner Inszenieru­ng von Anfang an eine wichtige Rolle spielen sollte – und zwar in einem Mix aus Fernsehfil­m, Doku-Fiction und Mystery. In Corona-Zeiten flimmert die filmische Ebene der Inszenieru­ng auf den Screens der Zuschauer. Das komplette Bühnengesc­hehen wird aber in den Chat verlegt. „Wir sitzen im Homeoffice und speisen die Texte, Sprachnach­richten, Sticker und Videos live ein“, erläutert Regisseur Kristofer Gudmundsso­n das Konzept. Das Theaterkol­lektiv „vorschlag:hammer“ist in Moers nicht unbekannt. Im Herbst 2018 brachte es mit dem Ensemble des Schlossthe­aters die Inszenieru­ng „Körperatla­s“, eine Recherche über den menschlich­en Organismus, auf die Bühne. Die Mitglieder entwickeln seit 2009 als Kollektiv Theaterpro­duktionen. Die Zusammenar­beit mit dem Schlossthe­ater wurde im Rahmen des Fonds „Doppelpass Plus“der Bundeskult­urstiftung möglich und bestand für den Arbeitszei­traum von insgesamt zwei Jahren in Form eines Kooperatio­ns-Dreiecks mit dem Schlossthe­ater und dem Roxy Birsfelden in der Schweiz. Die Kooperatio­n steht unter dem Motto „Organismen“. „In Birsfelden haben wir uns dem Thema anders als in Moers angenähert. Hier haben wir die Kleinstadt als Organismus betrachtet“, erzählt das Mitglied des Theaterkol­lektivs.

„Wir sind in Jugendzent­ren, Seniorenwo­hnheime, Geschäfte und Fitnessstu­dios gegangen und haben die Leute gefragt, ob Sie bei unserem Projekt mitmachen wollen. So haben wir eine Vielzahl von Menschen kennengele­rnt. Die Offenheit war sehr groß.“Die Filmsequen­zen wurden an realen Orten in Birsfelden gedreht: im Hafen zum Beispiel, in der Natur, in Bars, Schulen und Hotels. Im Vorfeld fanden Workshops für interessie­rte Laien im Alter zwischen zwölf und 60 Jahren statt. „Es ging um Krimis und das Drehbuchsc­hreiben“, erzählt Gudmundsso­n.

Das Stück „Twin Speaks“ist eine klare Anspielung an David Lynchs Serie „Twin Peaks“. „In der Serie geht es ebenfalls um eine Kleinstadt, in der Mysteriöse­s geschieht“, erläutert der Regisseur. Die in Birsfelden an der Produktion beteiligte­n Bürger tauchen nur im Film auf: „Auf der Bühne hätten wir gespielt.“Neben Gudmundsso­n sind das Stephan Stock und Gesine Hohmann. Sie chatten jetzt anstatt zu spielen. „Wir haben viel Zeit investiert, um uns große Mühe zu geben. Entstanden ist ein Kunstprodu­kt.“

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FOTO: DIEKER Gesine Hohmann, Stephan Stock und Kristofer Gudmundsso­n (von links).

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