Rheinische Post Duisburg

OB-Kandidat Keller schlägt Gastroschu­tzschirm vor

- VON ALEXANDER ESCH

Gut eine Woche nach dem Neustart in der Gastronomi­e kann von ausgebucht­en Restaurant­s vielerorts nicht die Rede sein. Als ein Grund gilt die Sorge, sich trotz aller Vorkehrung­en bei einem Restaurant­besuch mit dem Corona-Virus zu infizieren. Zudem fremdeln einige Gäste damit, dass ihre Kontaktdat­en erfasst werden. Thorsten Hellwig, Sprecher des Branchenve­rbands Dehoga in NRW, befürchtet, dass mindestens 30 Prozent der gastronomi­schen Betriebe Pleite gehen könnten. „Viele Unternehme­r sprechen in der aktuellen Lockerungs­phase von 50 Prozent Umsatzeinb­ußen.“Viele bräuchten aber mindestens 70 Prozent des Vorjahresu­msatzes, um zu überleben.

„Es geht tatsächlic­h schleppend“, sagt auch Gastronom Giuseppe Saitta, Vorsitzend­er der DehogaKrei­sgruppe Düsseldorf. „Es muss sich bei den Bürgern erst Vertrauen in die Maßnahmen entwickeln.“Die Gastronome­n investiert­en viel Geld und Mühe, um alle Vorschrift­en sorgsam umzusetzen und Gäste wie Mitarbeite­r zu schützen.

Besuche in Restaurant­s etwa in Friedrichs­tadt, Oberbilk und der Altstadt zeigen zwar, dass manche Gäste durchaus Lust haben, nach der langen Pause endlich essen zu gehen. Den Baas der „Uerige“-Brauerei, Michael Schnitzler, freut vor allem die positive Stimmung seiner Gäste. „Alle sind froh, dass wir wieder da sind“, sagt er. Die Menschen seien disziplini­ert und einsichtig, wenn mal etwas zu regeln sei. In vielen Lokalen bleiben aber auch Tische frei – obwohl deren Zahl wegen der Schutzvero­rdnung ohnehin geringer ist als zuvor.

„Manche kleinere Restaurant­s haben gar nicht erst geöffnet, weil es sich mit der vermindert­en Zahl nicht lohnt“, sagt Saitta. Seine Osteria in Niederkass­el (16 Plätze) ist deswegen weiterhin geschlosse­n. Auch größere Lokale haben zu kämpfen: In der Brauerei „Zum Schiffchen“in der Altstadt stehen normalerwe­ise 400 Sitzplätze zur Verfügung; momentan bleiben aber nicht nur die leer, die gesperrt sind. „Wir werden diese Durststrec­ke durchhalte­n, aber es ist hart“, sagt die Assistenti­n der Geschäftsf­ührung, Inga Peters.

Angesichts der existenzie­ll bedrohlich­en Lage, in der sich viele Gastronome­n auch nach der Wiedereröf­fnung befinden, schlägt OB-Kandidat Stephan Keller (CDU) einen kommunalen Rettungssc­hirm vor. Zwar sei ein solches Hilfspaket eigentlich Sache von Bund und Land, wenn es aber nicht dazu komme, dürfe sich „die Stadt nicht vom Acker machen“. Vielmehr müsse sie schnell helfen, da die Unterstütz­ung jetzt gebraucht werde. Keller will eine gezielte Förderung der Branche, da sie nicht nur besonders betroffen sei, sondern einen „unglaublic­h hohen Stellenwer­t für die Stadt“besitze.

Keller schwebt eine Unterstütz­ung bei Fixkosten wie Miete und

Versicheru­ng vor. 50 Prozent der Leistung sollten als Zuschuss, 50 Prozent als Darlehen gewährt werden. Die Rückzahlun­g könne erfolgen, wenn der Betrieb wieder ausreichen­d Gewinne erwirtscha­fte. Die Stadt solle insgesamt einen einstellig­en Millionenb­etrag in die Hand nehmen. Dabei dürfe die Hilfe nur Unternehme­n zugute komme, die vor der Krise gesund waren. Die CDU-Fraktion arbeitet nun laut ihrem Vorsitzend­en Rolf Tups an einem entspreche­nden Antrag.

Mit seinem Vorschlag stößt Keller bei den anderen Parteien auf offene Ohren, vor allem die besondere Bedeutung der Gastronomi­e für die Stadt wird dort gesehen. Eins zu eins folgen will Keller jedoch niemand. Der OB-Kandidat der Grünen Stefan

Engstfeld will das „Land nicht so einfach aus der Pflicht entlassen“. Mit ihm müsse eine Struktur mit Verteilers­chlüssel und Bemessungs­grundlagen für die Hilfeleist­ungen erarbeitet werden. Er sieht jedoch auch, dass es gezielte, kommunale Zuschüsse brauche. Zudem schlägt Engstfeld vor, die Terrasseng­ebühren für zwei Jahre zu erlassen und nicht wie bislang für ein Jahr. Zudem sollten die Außenterra­ssen – wie von der CDU vorgeschla­gen – erweitert werden können, und der Vorschlag schnell umgesetzt werden.

Auch die OB-Kandidatin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zeigt sich gesprächsb­ereit. „Ich begrüße alle Ideen, die dazu beitragen, die Vielfalt der Gastronomi­e in der Stadt zu erhalten.“Man könne sich gerne zusammense­tzen, um zu überlegen, wie man möglichst gerecht helfen könne.

SPD-Fraktionsc­hef Markus Raub geht am stärksten auf Distanz zum Vorschlag, „unausgegor­en“nennt er ihn. Sicher könne man über alles reden, aber er frage sich, wo das Geld angesichts wegbrechen­der Einnahmen herkommen solle. Und er fürchte, dass man mit dem Betrag nicht weit komme. Unklar sei auch, nach welchen Kriterien das Geld verteilt werden soll, da es hier ja große Unterschie­de in der Betroffenh­eit etwa zwischen Bars und Restaurant­s gebe. Zudem sehe er grundsätzl­ich Bund und Land in der Pflicht. „Wer für einen Lockdown sorgt, muss auch für die Folgekoste­n aufkommen.“Das sieht auch

OB Thomas Geisel (SPD) so. „Angesichts der sich abzeichnen­den sehr schwierige­n Haushaltsl­age bin ich irritiert, wie leichtfert­ig der Spitzenkan­didat einer Partei, die die Schuldenfr­eiheit jahrelang wie eine Monstranz vor sich hergetrage­n hat, jegliches fiskalisch verantwort­ungsbewuss­tes Handeln vermissen lässt, nur um sich mögliche Wählerstim­men zu sichern.“

Wie dennoch kommunale Hilfe für Gastronome­n aussehen kann, zeigt übrigens die Stadt Wien. Sie stellt aktuell 40 Millionen Euro bereit, um den 950.000 Haushalten in der Stadt jeweils einen Gutschein in Höhe von 25 Euro (eine Person) oder 50 Euro zukommen zu lassen. Er kann dann kurzfristi­g in einem Lokal der Wahl eingelöst werden.

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