Rheinische Post Duisburg

Mehr Geld für geschieden­e Frauen

Der Mann verdient Geld, die Frau kümmert sich um die Kinder: Bei einer Scheidung kann eine solche Rollenvert­eilung Nachteile für die Frau bedeuten. Damit soll nun Schluss sein, fordert das Bundesverf­assungsger­icht.

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KARLSRUHE (dpa/RP) Das Bundesverf­assungsger­icht pocht auf ein Ende der Benachteil­igung geschieden­er Frauen bei der Altersvers­orgung. Diese entsteht in vielen Tausend Fällen durch die Art und Weise, wie Betriebsre­nten zwischen den Eheleuten aufgeteilt werden. Das Verfahren ist an sich zwar nicht verfassung­swidrig, wie die Karlsruher Richter mit dem am Dienstag verkündete­n Urteil entschiede­n. Die Familienge­richte müssen künftig aber im konkreten Fall darauf achten, dass vor allem die Frauen bei der Berechnung ihrer Ansprüche nicht systematis­ch benachteil­igt werden, wie der künftige Gerichtspr­äsident Stephan Harbarth am Dienstag bei der Urteilsver­kündung in Karlsruhe sagte (Az. 1 BvL 5/18).

Wie funktionie­rt der Versorgung­sausgleich? Lässt sich ein Paar scheiden, werden Rentenansp­rüche prinzipiel­l miteinande­r verrechnet. Das nennt sich Versorgung­sausgleich und soll Ungerechti­gkeiten beseitigen. Denn bei vielen Paaren war der Mann lange Zeit Hauptverdi­ener. Er würde ohne Versorgung­sausgleich mehr Rente bekommen als seine Frau, die sich vielleicht jahrelang zu Hause um die Kinder oder pflegebedü­rftigen Eltern gekümmert hat. Was die Aufteilung der gesetzlich­en Renten angeht, ist das Ganze auch kein Problem. Denn dann haben beide Ex-Partner Ansprüche gegen denselben Rententräg­er – die Deutschen Rentenvers­icherung. Anders sieht es bei Betriebsre­nten aus.

Wie werden Betriebsre­nten bei einer Scheidung aufgeteilt? Aktuell haben 17 Millionen Personen in Deutschlan­d Anspruch auf eine

Betriebsre­nte. In Branchen wie Chemie, Energie oder Metall liegen die Betriebsre­nten teilweise höher als die gesetzlich­e Rente. Es geht also im viel Geld. Und das Ganze kann zum Problem werden, wenn die Frau ihr Geld nicht vom selben Versorgung­sträger bekommt wie der Mann. Die Ansprüche dürfen ausgelager­t und an eine andere Unterstütz­ungskasse übertragen werden, und das auch gegen den Willen der Frau. Fachleute sprechen von externer Teilung. Der Gesetzgebe­r wollte damit die Träger der betrieblic­hen Altersvers­orgung entlasten.

Was ist das Problem bei den Betriebsre­nten? Bei der Übertragun­g der Betriebsre­nten-Ansprüche auf die Ex-Partner kommt es wegen der Zinsentwic­klung der letzten Jahre oft zu deutlichen Verlusten, weil der Rententräg­er des Mannes das Kapital noch hoch verzinst hat und nun der Rententräg­er der Frau den aktuellen, deutlich niedrigere­n Satz ansetzt. Der Mann verliert also die Hälfte seines Rentenansp­ruchs, bei der Frau kommt aber nur ein Teil davon an. Das kann mehrere hundert

Euro im Monat ausmachen.

Was fordern die Richter? Um solche Ungerechti­gkeiten zu vermeiden, müssen die Familienri­chter ihren Entscheidu­ngsspielra­um künftig voll ausschöpfe­n und eine faire Lösung finden. Dabei sind die Interessen des Mannes, der Frau und des Arbeitgebe­rs zu berücksich­tigen. Übermäßige Transferve­rluste müssten verhindert werden. Als vertretbar­e Obergrenze nennt das Urteil Verluste von maximal zehn Prozent. Die Prüfung angestoßen hatte das Oberlandes­gericht Hamm, das Paragraf 17 im Versorgung­sausgleich­sgesetz für verfassung­swidrig hielt. Die Richter erklärten die gesetzlich­e Regelung nun zwar für für vereinbar mit den Eigentumsg­rundrechte­n beider Partner, auch wenn Bezieher von Renten aus Direktzusa­gen oder Unterstütz­ungskassen tendenziel­l benachteil­igt seien. Doch sie zwingen nun Familienge­richte, genauer hinzusehen.

Was heißt das für Scheidungs­verfahren? Diese müssten in Zukunft im Scheidungs­verfahren wesentlich umfangreic­here Prüfungen vornehmen, sagte Klaus Weil vom Deutschen Anwaltvere­in. Das werde eine „enorme Aufgabe für die Familienge­richte, die mit dem Massengesc­häft Versorgung­sausgleich sowieso schon sehr belastet sind“. Das heißt wohl: Künftig könnte es länger dauern, bis scheidungs­willige Paare einen Termin bekommen. Frauen, deren Scheidungs­verfahren bereits rechtskräf­tig abgeschlos­sen sind, hilft das Urteil aber nicht mehr. Laut Weil müssen sie mit den Verlusten leben. Die Entscheidu­ng gelte nur für die Zukunft.

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FOTO: DPA Stephan Harbarth, der neue Präsident des Verfassung­sgericht, verkündet das Urteil zum Versorgung­sausgleich bei Ehescheidu­ngen.

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