Arbeitgeber gegen Recht auf Homeoffice
Minister Hubertus Heil will an mindestens 24 Tagen pro Jahr einen Rechtsanspruch für Arbeitnehmer auf Heimarbeit einführen.
BERLIN Die Union und die Arbeitgeber haben Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zurückgewiesen, für Arbeitnehmer an mindestens 24 Tagen im Jahr einen Rechtsanspruch auf Heimarbeit oder Homeoffice zu schaffen. „Die Krise hat gezeigt, dass die meisten Arbeitgeber, die es können, ohnehin gerne Homeoffice anbieten“, sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann unserer Redaktion. „Aber wir dürfen diejenigen, die es nicht oder nur schwer können, nicht mit zusätzlichen Rechtsansprüchen und Bürokratie belasten. Viele Mittelständler kämpfen derzeit ums Überleben, und neue Auflagen sind das Letzte, was sie gebrauchen können“, sagte der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung MIT.
Auch Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer wandte sich strikt gegen einen Rechtsanspruch auf Homeoffice. „Mobiles Arbeiten ist in Deutschland Alltag. Wo dies möglich ist, bieten die Arbeitgeber dies heute schon an. 24 Tage Homeoffice – rechtlich verbrieft – gehen an dieser Realität vorbei und sind völlig aus der Luft gegriffen“, sagte Kramer. „Weder orientiert sich das an den Möglichkeiten der Unternehmen noch an den Bedürfnissen der Beschäftigten. Es werden letztlich Erwartungen geschaffen, die nicht erfüllt werden können“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA).
SPD-Politiker Heil dagegen will Forderungen der Gewerkschaften aufgreifen. Sein „Mobile-ArbeitGesetz“sei fertiggestellt und werde in Kürze auf den Weg gebracht, sagte Heil der „Bild am Sonntag“. Den Wunsch eines Mitarbeiters nach Arbeit im Homeoffice solle ein Arbeitgeber künftig nur noch dann ablehnen dürfen, wenn es dafür organisatorische oder betriebliche Gründe gebe. „Dort, wo es möglich ist, sollen alle Angestellten einen gesetzlichen Anspruch von mindestens 24 Tagen pro Jahr für mobile Arbeit bekommen“, sagte Heil. Dass der Rechtsanspruch anders als zunächst erwogen nur für 24 Tage im Jahr gelten soll, ist eine Konzession Heils an die Arbeitgeber.
Er begründete seinen Vorstoß mit guten Erfahrungen während der Corona-Krise. „Das Virus hat uns gelehrt, dass viel mehr mobiles Arbeiten möglich ist, als wir dachten“, sagte der SPD-Politiker. Mobiles Arbeiten sei „nicht nur etwas für junge Leute, die mit Laptop und Latte Macchiato im Café sitzen“. Da Homeoffice für viele schon Realität sei, anderen aber auch oft noch nicht ermöglicht werde, brauche es dafür ein Gesetz.
Für Arbeitgeber solle es dadurch nicht mehr möglich sein, mobiles Arbeiten aus Prinzip abzulehnen, so Heil. „Chef und Mitarbeiter werden in Zukunft darüber auf Augenhöhe verhandeln.“Die 24 Tage seien eine Untergrenze: Mitarbeiter und ihre Arbeitgeber könnten individuell oder in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen darüber hinausgehen. Zudem solle das Gesetz dafür sorgen, dass im Homeoffice nicht zu viel gearbeitet werde. Die Arbeitszeit müsse künftig digital dokumentiert werden. Auch die gesetzliche Unfallversicherung solle im Homeoffice weiter greifen.
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß, verwies auf große Unterschiede zwischen den Arbeitnehmergruppen.
Viele Tätigkeiten könnten nicht digital ausgeübt werden, sondern erforderten Anwesenheit. „Einen echten Rechtsanspruch könnte es ja nur für einen Teil der Arbeitnehmerschaft geben. Doch dann würde man ein Zwei-Klassen-System im Arbeitsrecht errichten“, sagte Weiß. „Das wäre ungerecht, und deshalb geht so etwas nicht“, sagte der CDU-Politiker. „Dass Arbeitgeber einen
Wunsch auf Homeoffice ernsthaft prüfen, das sollte selbstverständlich werden“, fügte Weiß hinzu.
Der Arbeitswelt habe das „unfreiwillige Experiment“während der Corona-Pandemie gut getan, sagte auch Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe. „Ich bin sehr dafür, dass wir uns auch künftig mehr mobiles Arbeiten zutrauen. Aber ich bin dagegen, dass wir die entstandene Experimentierfreude von Arbeitnehmern und Arbeitgebern durch einen Rechtsanspruch wieder gefährden“, sagte Gröhe. Viele Unternehmen würde ein Rechtsanspruch eher abschrecken. Nicht wenige Arbeitnehmer wünschten sich zudem, wieder öfter aus dem Homeoffice zurückkehren zu können, so Gröhe.
„Es gibt überhaupt keinen gesetzlichen Handlungsbedarf. Denn in der Pandemie hat sich gezeigt, dass die Arbeitgeber die notwendige Flexibilität aufbringen“, sagte der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.