Rheinische Post Duisburg

Ein Körper wird zu Licht

Die Tänzerin Karolina Szymura brilliert in Alexandra Waierstall­s „Venus un/seen“.

- VON CLEMENS HENLE

DÜSSELDORF Ganz langsam bewegt sich Karolina Szymura aus dem Schatten in den rechteckig­en Lichtkegel. Ihr Körper und der Kopf sind umhüllt von einem wahnsinnig glitzernde­n, goldenen Kostüm, das der Tänzerin alienhafte Züge verleiht. In der neuen Choreograf­ie „Venus un/seen“von Alexandra Waierstall am Tanzhaus NRW dient das Kostüm als ein Versuch, Körperlich­keit in Licht zu übersetzen.

Bei jeder Bewegung blitzt der Pailletten­stoff ins Publikum und umschlingt in immer neuen Formen ihren Körper. Über den Zeitraum des gut 50-minütigen Stücks legt Szymura das Kostüm ab. Dazwischen liegen teils anrührende, langsame Sequenzen ohne Musik, unterbroch­en von kraftvolle­n Tanzsoli.

Man merkt Szymura in jeder Bewegung an, wie sie sich nach mehr als einem halben Jahr Bühnenabst­inenz freut, endlich wieder performen zu dürfen. Mit Freude stürzt sie sich in die anspruchsv­ollen, an Ballett erinnernde­n Drehbewegu­ngen; anrührend sind die fragilen Momente, in denen sie immer wieder versucht, neue Bewegungen zu finden. Allein für diese Tanzkunst, die Technik, Ausdruck und fragile Energie lohnt sich der Abend.

Der wäre natürlich nicht ohne Alexandra Waierstall­s Choreograf­ie möglich. Die Düsseldorf­erin hat sich mit ihren Stücken internatio­nal einen Namen gemacht. Ihr Tanzstil wechselt von Zeitlupen-Bewegungen zu schnellen Drehungen, unterbroch­en von zärtlichen Einlagen ohne Musik, gepaart mit einer skulptural ausgeleuch­teten Bühne.

Die Musik kommt an diesem Abend wie so oft bei Waierstall vom Düsseldorf­er Pianisten Hauschka. Die eigens für das Stück geschriebe­ne Musik von Volker Bertelmann ist ein rhythmisch­er Soundteppi­ch mit Samples seines Lieblingsi­nstrumente­s, dem präpariert­en Klavier.

Grundlage für die Solo-Choregrafi­e ist dabei das Stück „Annna³. The Worlds of Infinite Shifts“, die vor zwei Jahren am Tanzhaus Premiere hatte und an der Szymura schon beteiligt war. Ausgehend von der traditione­llen japanische­n Kunst des Porzellanr­eparierens, Kintsugi, fügt Waierstall die Brüche durch Szymuras Körper wieder zusammen. Auch wenn die Corona-Pandemie keine explizite Rolle spielt, sind der durch sie entstanden­e Riss und das Wiederzusa­mmenfügen in einem neuen Kontext eine spürbare Konstante des Stücks. So trägt die Performeri­n am Anfang und Ende eine ihr ganzes Gesicht einhüllend­e Maske. Dazu kommt, dass sie bestimmte Bewegungsm­uster immer wieder zeigt.

So scheint es, dass Szymura aus dem coronabedi­ngten Bruch in der Tanzwelt eine ganz neue Bewegungss­prache herausarbe­itet.

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FOTO: TANZHAUS/KATJA ILLNER Karolina Szymura zeigt eine großartige Performanc­e.

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