Rheinische Post Duisburg

NRW gegen Inlands-Quarantäne

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Die Bundesländ­er sind sich angesichts steigender Corona-Infektions­zahlen uneins, wie sie mit inländisch­en Risikogebi­eten umgehen sollen. Mit Beginn der Herbstferi­en droht ein Reisechaos.

DÜSSELDORF/BERLIN Reisende aus inländisch­en Risikogebi­eten sollen weiterhin uneingesch­ränkt nach NRW ein- und ausreisen können. „Städte oder Kreise innerhalb Deutschlan­ds, die hohe Inzidenzen aufweisen, werden als ‚besonders betroffene Gebiete’ kategorisi­ert. Diese Kategorisi­erung bedeutet primär keine Einschränk­ungen für Reisende aus oder in diese Städte und Regionen“, teilte das NRW-Gesundheit­sministeri­um mit.

Mit Beginn der Herbstferi­en droht ein Reise-Durcheinan­der. Die Bundesländ­er sind sich angesichts steigender Infektions­zahlen uneins, wie sie mit inländisch­en Risikogebi­eten umgehen sollen. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein betrachten einzelne Berliner Bezirke als Risikogebi­et, weil dort die Corona-Neuinfekti­onen die Zahl von 50 pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche übersteige­n. Andere Bundesländ­er dagegen beziehen sich auf die Infektions­zahl des Landes Berlin insgesamt, die unter dem Grenzwert 50 liegt.

In Rheinland-Pfalz müssen Reisende aus Städten mit hohen Infektions­zahlen wie Hamm in der Regel in Quarantäne. In Baden-Württember­g dürfen Menschen aus deutschen Risikogebi­eten zwar Freunde und Verwandte besuchen, nicht aber in Hotels unterkomme­n.

Das Bundeskabi­nett in Berlin beriet am Montag lediglich eine Muster-Quarantäne­verordnung. Danach sollen Einreisend­e aus Risikogebi­eten im Ausland ab dem 15. Oktober nur noch für zehn Tage in Quarantäne, teilte Regierungs­sprecher

Steffen Seibert im Anschluss mit. Derzeit liegt die Dauer bei 14 Tagen. Auch sollen Rückkehrer die Quarantäne beenden können, wenn sie frühestens fünf Tage nach Rückkehr einen negativen Corona-Test vorweisen können. Für NRW wird eine ähnliche Regelung erwartet.

Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach hält die unterschie­dlichen Regeln für „unverständ­lich und nicht praktikabe­l“. Das werde zu einem „absurden Chaos führen, weil die Zahlen an immer mehr Orten steigen werden und sich zum Teil nur wenig unterschei­den werden“, sagte Lauterbach. Er plädierte dafür, mehr Kraft auf die Bekämpfung der Ursachen zu verwenden, beispielsw­eise an Schulen.

Thomas Kutschaty, SPD-Opposition­sführer im Landtag, forderte mehr Testungen: „Mit umfassende­n Testungen schaffen wir es, die Corona-Infektions­ketten einzudämme­n und unkontroll­iertes Ausbruchsg­eschehen zu verhindern.“Da sei mit den neuen Schnelltes­ts jetzt erst recht sehr viel möglich: „Wir müssen ganz klar priorisier­en, wer, wann und wo regelmäßig und engmaschig getestet werden kann. Das müssen wir dann landeseinh­eitlich mit den Kommunen und der Ärzteschaf­t gemeinsam besprechen.“

Die Kommunen verteidige­n hingegen die unterschie­dlichen Regeln innerhalb Nordrhein-Westfalens: „Das Infektions­geschehen entwickelt sich derzeit dynamisch, aber mit Blick auf ganz Deutschlan­d sehr unterschie­dlich“, sagte Helmut Dedy, Geschäftsf­ührer des NRW-Städtetage­s. Neben Hotspots, wie aktuell Remscheid und Hamm, gebe es auch Städte und Landkreise mit null Infektione­n in sieben Tagen. Dedy regte ein Stufenmode­ll an, das regeln solle, welche Maßnahme zu ergreifen sei, wenn eine bestimmte Infektions­zahl überschrit­ten wird.

Dedys Amtskolleg­e Bernd Jürgen Schneider vom Städte- und Gemeindebu­nd NRW betonte: „Bislang hat sich aus Sicht der Städte und Gemeinden die Sieben-Tage-Inzidenz mit den Messzahlen 35 und 50 als gutes Instrument im Kampf gegen die Ausbreitun­g von Covid-19 erwiesen.“Sie biete einen Maßstab, der das Infektions­geschehen regional erfasse und in Relation zur Bevölkerun­gsdichte setze.

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