NRW gegen Inlands-Quarantäne
Die Bundesländer sind sich angesichts steigender Corona-Infektionszahlen uneins, wie sie mit inländischen Risikogebieten umgehen sollen. Mit Beginn der Herbstferien droht ein Reisechaos.
DÜSSELDORF/BERLIN Reisende aus inländischen Risikogebieten sollen weiterhin uneingeschränkt nach NRW ein- und ausreisen können. „Städte oder Kreise innerhalb Deutschlands, die hohe Inzidenzen aufweisen, werden als ‚besonders betroffene Gebiete’ kategorisiert. Diese Kategorisierung bedeutet primär keine Einschränkungen für Reisende aus oder in diese Städte und Regionen“, teilte das NRW-Gesundheitsministerium mit.
Mit Beginn der Herbstferien droht ein Reise-Durcheinander. Die Bundesländer sind sich angesichts steigender Infektionszahlen uneins, wie sie mit inländischen Risikogebieten umgehen sollen. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein betrachten einzelne Berliner Bezirke als Risikogebiet, weil dort die Corona-Neuinfektionen die Zahl von 50 pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche übersteigen. Andere Bundesländer dagegen beziehen sich auf die Infektionszahl des Landes Berlin insgesamt, die unter dem Grenzwert 50 liegt.
In Rheinland-Pfalz müssen Reisende aus Städten mit hohen Infektionszahlen wie Hamm in der Regel in Quarantäne. In Baden-Württemberg dürfen Menschen aus deutschen Risikogebieten zwar Freunde und Verwandte besuchen, nicht aber in Hotels unterkommen.
Das Bundeskabinett in Berlin beriet am Montag lediglich eine Muster-Quarantäneverordnung. Danach sollen Einreisende aus Risikogebieten im Ausland ab dem 15. Oktober nur noch für zehn Tage in Quarantäne, teilte Regierungssprecher
Steffen Seibert im Anschluss mit. Derzeit liegt die Dauer bei 14 Tagen. Auch sollen Rückkehrer die Quarantäne beenden können, wenn sie frühestens fünf Tage nach Rückkehr einen negativen Corona-Test vorweisen können. Für NRW wird eine ähnliche Regelung erwartet.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält die unterschiedlichen Regeln für „unverständlich und nicht praktikabel“. Das werde zu einem „absurden Chaos führen, weil die Zahlen an immer mehr Orten steigen werden und sich zum Teil nur wenig unterscheiden werden“, sagte Lauterbach. Er plädierte dafür, mehr Kraft auf die Bekämpfung der Ursachen zu verwenden, beispielsweise an Schulen.
Thomas Kutschaty, SPD-Oppositionsführer im Landtag, forderte mehr Testungen: „Mit umfassenden Testungen schaffen wir es, die Corona-Infektionsketten einzudämmen und unkontrolliertes Ausbruchsgeschehen zu verhindern.“Da sei mit den neuen Schnelltests jetzt erst recht sehr viel möglich: „Wir müssen ganz klar priorisieren, wer, wann und wo regelmäßig und engmaschig getestet werden kann. Das müssen wir dann landeseinheitlich mit den Kommunen und der Ärzteschaft gemeinsam besprechen.“
Die Kommunen verteidigen hingegen die unterschiedlichen Regeln innerhalb Nordrhein-Westfalens: „Das Infektionsgeschehen entwickelt sich derzeit dynamisch, aber mit Blick auf ganz Deutschland sehr unterschiedlich“, sagte Helmut Dedy, Geschäftsführer des NRW-Städtetages. Neben Hotspots, wie aktuell Remscheid und Hamm, gebe es auch Städte und Landkreise mit null Infektionen in sieben Tagen. Dedy regte ein Stufenmodell an, das regeln solle, welche Maßnahme zu ergreifen sei, wenn eine bestimmte Infektionszahl überschritten wird.
Dedys Amtskollege Bernd Jürgen Schneider vom Städte- und Gemeindebund NRW betonte: „Bislang hat sich aus Sicht der Städte und Gemeinden die Sieben-Tage-Inzidenz mit den Messzahlen 35 und 50 als gutes Instrument im Kampf gegen die Ausbreitung von Covid-19 erwiesen.“Sie biete einen Maßstab, der das Infektionsgeschehen regional erfasse und in Relation zur Bevölkerungsdichte setze.
Leitartikel