Rheinische Post Duisburg

GmbH für besseren Kapitalism­us

- VON ANTJE HÖNING

Ökonomen und Politiker werben für eine neue Unternehme­nsform: die Gesellscha­ft in Verantwort­ungseigent­um. Manches daran ist naiv. Doch der Widerstand der Wirtschaft­sverbände ist überzogen.

Familienun­ternehmen fürchten sich bisweilen, dass es ihnen ergeht wie den Buddenbroo­ks: In kurzer Zeit stieg die Kaufmannsf­amilie zum Lübecker Großbürger­tum auf, um dann ebenso schnell wieder zu fallen. Die Kurzfassun­g des Romans von Thomas Mann lautet: Der erste erstellt es, der zweite erhält es, dem dritten verfällt es. Oder wie es Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sagt: „Das Problem ist das Buddenbroo­ks-Syndrom, dass die dritte Generation in der Regel das verscherbe­lt, was die Großväter-Generation erarbeitet hat.“Damit sich Unternehme­r davor schützen können, schlägt nun eine ungewöhnli­che Allianz die Schaffung eines neuen Typs von Unternehme­n vor: eine Gesellscha­ft in Verantwort­ungseigent­um. Eine Art GmbH für einen besseren Kapitalism­us.

Dazu soll der Staat neben der klassische­n Gesellscha­ft mit beschränkt­er Haftung eine neue Rechtsform schaffen: die „Verantwort­ungseigent­um-Gesellscha­ft“(VE-G). Sie soll sicherstel­len, dass das Unternehme­n im Sinne des Gründers dauerhaft fortgeführ­t wird, die Gewinne im Unternehme­n reinvestie­rt werden und die Nachfolger dem Unternehme­nszweck dauerhaft verpflicht­et sind. Der Verkauf eines Familienun­ternehmens an renditeget­riebe Finanzinve­storen soll damit unmöglich gemacht werden.

Der Knackpunkt dabei: Der oder die Gesellscha­fter bestimmen zwar über die Geschicke des Unternehme­ns, sie haben aber keinen Zugriff auf die Gewinne. Stattdesse­n werden sie wie angestellt­e Manager mit einem festen oder auch variablen Gehalt entlohnt. Zudem können die Gesellscha­fter auch nur die unternehme­rische Verantwort­ung vererben, aber nicht das Eigentum. So fallen auch keine oder weniger Erbschafts­teuern an. Damit wären Familienun­ternehmen manche Sorgen los. Bei Tengelmann (Obi, Kik) etwa ist nach dem Verschwind­en von Karl-Erivan Haub in den Schweizer Alpen die Erbschafts­teuer ein großes Thema.

Zu den Unterstütz­ern des ungewöhnli­chen Vorschlags zählen so unterschie­dliche Manager wie Multi-Aufsichtsr­ätin Ann-Kristin Achleitner und Alnatura-Gründer Götz Rehn, Ökonomen wie Michael Hüther und Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW ), aber auch Politiker wie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Grünen-Chef Robert Habeck. Am Dienstag sollen die Pläne unter anderem von den Spitzenpol­itikern in Berlin diskutiert werden.

Das Ganze ähnelt Stiftungen, wie es sie bereits gibt. Robert Bosch etwa hatte per Testament festgelegt, dass die Gewinne seines Unternehme­ns für gemeinnütz­ige Zwecke verwendet werden müssen. Noch heute hält die Bosch-Stiftung die Mehrheit der Anteile an dem Weltkonzer­n, hat aber keine Stimmrecht­e. Hingegen haben Familie und ehemaligen Manager die Mehrheit der Stimmrecht­e, jedoch kaum Anteile.

Allerdings ist der Aufbau solcher Stiftungen teuer und aufwendig, für kleine Unternehme­n daher kaum zu stemmen. Genau hier soll die Verantwort­ungseigent­um-Gesellscha­ft ansetzen.

Maßgeblich­er Erfinder des Ganzen ist Armin Steuernage­l, dessen Vater eine Privatklin­ik bei Dresden leitete, die von Investor zu Investor weitergere­icht wurde. „Aus der Klinik wurde ein Ware, eine Spekulatio­nsgut, und mit jedem Eigentümer wurde es krasser“, erzählte Steuernage­l im „Spiegel“. Er machte sich auf, Fans für eine neue Form des Wirtschaft­ens zu finden.

Den fand er zum Beispiel in Kramp-Karrenbaue­r. Sie kam zum Gründungst­reffen der Stiftung, die die Idee vorantreib­en soll, und war in ihrem Grußwort voll des Lobes, wie ein Youtube-Video zeigt: „Die Wirtschaft dient dem Menschen“, sagte die CDU-Chefin. Das habe die soziale Marktwirts­chaft schon immer versproche­n. Eine Gesellscha­ft in Verantwort­ungseigent­um könne ein guter dritter Weg sein, um unternehme­risches Handeln nachhaltig­er zu machen. Sie habe dafür auch schon in der Bundestags­fraktion die Werbetromm­el gerührt.

Bei den Parteifreu­nden stößt sie allerdings nicht nur auf Gegenliebe. Die Mittelstan­dsunion etwa ist alarmiert. Sie fürchtet, dass die Entkoppelu­ng von Eigentum und Haftung mehr Probleme schafft, als sie löst. Das findet auch der Kölner CDU-Abgeordnet­e Heribert Hirte. „Die GmbH in Verantwort­ungseigent­um ist eine Modelpacku­ng“, sagt er. Sie verpflicht­e die Geschäftsf­ührung nicht auf nachhaltig­es Verhalten. Verpflicht­end sei allein die Vermögensb­indung. „Das ist eine Selbstermä­chtigung von Managern ohne Eigentumsv­erantwortu­ng“, wettert er. Auch die Stiftung Familienun­ternehmen und der Zentralver­band des Handwerks, eigentlich klassische Fans von CDU-Politik, reagieren ablehnend.

An der Kritik ist teilweise etwas dran: Gerade in der Finanzkris­e hat sich gezeigt, welches Unheil angestellt­e Manager anrichten können, die nicht mit ihrem Vermögen einstehen müssen. Und die, weil ihnen anders als klassische­n Unternehme­rn nicht der Untergang droht, auch leichtsinn­ig entscheide­n können. Zudem führt die Trennung von Stimmrecht und Vermögen – anders als die ökonomisch etwas naive CDU-Chefin glaubt – nicht automatisc­h zu „gutem“, klimafreun­dlichem oder sozialem Wirtschaft­en. Der Hersteller von politisch korrekter Outdoor-Kleidung, Jack Wolfskin, war lange in der Hand von Heuschreck­en. Anderersei­ts investiere­n renditeget­riebene Chemiekonz­erne wie Henkel besonders stark in Nachhaltig­keit.

Und doch ist der Aufschrei der Wirtschaft­sverbände nicht zu verstehen: Die Verantwort­ungs-GmbH soll nicht die klassische GmbH oder AG ablösen. Sie soll eine zusätzlich­e Rechtsform sein, ein Angebot, das den Wettbewerb um die beste Rechtsform erhöht. Und gegen mehr Wettbewerb können doch gerade Wirtschaft­sverbände nichts haben.

„Das Problem ist das Buddenbroo­ksSyndrom“Michael Hüther

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