Trump und das Härtefall-Medikament
Der Präsident musste im Krankenhaus viele Präparate einnehmen – eins ist noch experimentell. Das spricht gegen einen harmlosen Verlauf.
WASHINGTON Der US-amerikanische Präsident bekommt in diesen Tagen ein Medikament aus Mitgefühl, das nur in ausgewählten „Härtefall-Situationen“zum Einsatz kommen darf. „Compassionate use“, eben „Anwendung aus Mitgefühl“, heißt die Bestimmung, wonach ein noch nicht zugelassenes Medikament verabreicht werden kann, wenn auf keine andere Weise eine zufriedenstellende Therapie gelingen kann. Eine Infektion mit dem Coronavirus bei dem Corona-Verharmloser Donald Trump ist in jedem Fall ein ganz ungewöhnlicher Umstand. Dem Präsidenten nur das Beste, mögen sich die Leibärzte gedacht haben. Aber vielleicht war die Situation ja tatsächlich ernst.
Trump bekommt dieser Tage vielerlei Tabletten, unter anderem Remdesivir, das bei schweren Corona-Verläufen mittlerweile gängige Ebola-Medikament, und Dexamethason, ein Cortison-Präparat. Beide haben ihre Wirkung bei Covid-19 weltweit bewiesen. Remdesivir hemmt ein Enzym, das die Viren für ihre Vermehrung benötigen. Dexamethason ist ein sogenanntes künstliches Glucocorticoid, das entzündungshemmend und dämpfend auf das Immunsystem wirkt. Weiterhin muss er unter anderem Zink, Vitamin D, das Hormon Melatonin, Acetylsalicylsäure (ASS) und Famotidin (ein sogenanntes Antihistaminikum, das die Produktion von Magensäure hemmt) einnehmen.
Spannend ist aber der Antikörpercocktail der Firma Regeneron, den Trump in einer offenbar hohen Dosis einnehmen muss. Es handelt sich dabei um das Präparat RegnCoV-2, eine Kombination aus zwei sogenannten monoklonalen Antikörpern. Ihr Ziel ist die Passivimmunisierung mit synthetisch hergestellten Antikörpern, die das Virus neutralisieren. Die Wissenschaftler bei Regeneron hatten, wie die „Pharmazeutische Zeitung“schreibt, Tausende von vollständig humanen Antikörpern analysiert: „Dazu zählten einerseits humane Antikörper, die von gentechnisch veränderten Mäusen produziert worden waren, andererseits Antikörper, die bei Menschen identifiziert worden waren, die sich von Covid-19 erholt hatten.“Nach der Analyse wurden die Antikörper biotechnologisch in großem Maßstab hergestellt. Ihr biochemischer Trick: Sie blockieren die Spike-Proteine von Sars-CoV-2, mit denen der Erreger an Wirtszellen andockt.
Dieser Tage hatte Regeneron Studien-Daten zu Regn-CoV-2 vorgestellt. Ergebnis: Patienten, die den Antikörper-Cocktail bekamen, wiesen eine verringerte Viruslast in der Nase sowie kürzere Krankheitssymptome auf. Die dem US-Präsidenten nun verabreichte Acht-Gramm-Dosis wird als hohe Dosis angesehen. Bei der US-Zulassungsbehörde FDA hat Regeneron kürzlich eine Notfallzulassung für diese experimentelle Antikörper-Kombination beantragt.
All dies lässt darauf schließen, dass Trumps Zustand offenbar mitnichten harmlos war, als er ins Krankenhaus kam. Auch die Tatsache, dass er im hochspezialisierten Walter-Reed-Militärkrankenhaus in Bethesda im US-Bundesstaat Maryland behandelt wird, spricht gegen einen milden Verlauf. Offenbar musste ihm für kurze Zeit auch Sauerstoff zugeführt werden; eine künstliche Beatmung hat wohl aber nicht stattgefunden. Mittlerweile liege seine Sauerstoffsättigung, so seine Leibärzte, über 90 Prozent, was sie als zufriedenstellenden Wert ansahen; bei schweren Covid-19-Verläufen sinkt sie regelmäßig stark ab – ein Zeichen, dass die Lunge nicht mehr optimal arbeitet.
Genaue Prognosen über die Entwicklung des prominenten Patienten vermag angesichts vieler widersprüchlicher Angaben allerdings niemand abzugeben. Bekannt ist, dass die Covid-19-Krankheit erst nach einer bis zwei Wochen nach Symptombeginn einen komplizierten Verlauf nehmen kann. Deshalb kann kein Arzt zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass der Präsident geheilt sei. Selbst die Rückkehr ins Weiße Haus wird ihn nicht von fortwährender Überwachung befreien. Gewiss will Trump in Zeiten des Wahlkampfs nicht als siechender Kandidat gelten, gleichwohl ist es denkbar, dass er erneut ins Krankenhaus eingeliefert werden muss, wenn sich sein Befinden und seine Werte verschlechtern.
Ein schwerer Verlauf wäre bei Trump statistisch jedenfalls nicht verwunderlich: Er zählt wegen seines Alters (74) und seines Übergewichts zur Corona-Risikogruppe.
Alle Medikamente werden derzeit nur bei schweren Verläufen von Covid-19 gegeben