Der Dax 40 nimmt langsam Form an
Der Börsenbetreiber möchte die Zahl der Teilnehmer am deutschen Leitindex aufstocken – bei strengeren Regeln.
FRANKFURT Die Deutsche Börse möchte den deutschen Leitindex Dax reformieren und aufstocken. Gestern habe man eine entsprechende Befragung unter den Marktteilnehmern gestartet, teilte der Börsenbetreiber mit. Anlass für diese Reform ist der Wirecard-Skandal. Allerdings waren der Deutschen Börse auch zuvor schon Mängel in dem wichtigsten Aktienindex Deutschlands bewusst.
Die Börse schlägt vor, statt 30 künftig 40 Werte aufzunehmen. Diese müssten nachweislich profitabel sein. Das ist bisher nicht Voraussetzung, denn ausgerechnet der Essenslieferant Delivery Hero, der noch nie Gewinne geschrieben hat, hatte im September den insolventen Zahlungsdienstleiter Wirecard ersetzt. „Wir wollen auch die Sanktionsverfahren beschleunigen und höhere Sanktionen ermöglichen“, hatte Börsenchef Theodor Weimer erst im September gesagt. Außerdem sei es nach jetzigem Recht nicht zulässig, öffentlich zu machen, wenn ein Unternehmen die vorgeschriebenen Quartalsberichte nicht rechtzeitig veröffentliche. Ein solches Unternehmen möchte die Deutsche Börse ausschließen können, sollte der Bericht nicht binnen 30 Tagen veröffentlicht werden.
Auch das ist eine Reaktion auf den Fall Wirecard, das die Vorlage seiner Bilanz immer wieder verschoben hatte. Ein Unternehmen sollte innerhalb eines Dreijahres-Zeitraums zumindest zweimal einen Gewinn erzielt haben, meint Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit bei der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka. Das sei Ausdruck der Qualität eines Geschäftsmodells.
Zu diesen Fragen werden nun die großen Investoren, aber auch andere Marktteilnehmer bis zum 4. November befragt, die Entscheidung fällt spätestens Ende des Jahres die Deutsche Börse.
Die Zahl der Dax-Teilnehmer auszuweiten, das hatten Börsenexperten
schon lange gefordert. „Wir hätten uns vorstellen können, nicht nur über einen Dax 40, sondern auch über einen Dax 50 zu sprechen“, sagte Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im Deutschlandfunk. Der Vorteil: Dann sind deutlich mehr Branchen im Leitindex vertreten.
So dürfte die Bedeutung der Autoindustrie wie die der Konsumgüterbranche sinken, während die Chemieund Pharmaindustrie als auch Medienunternehmen stärker vertreten wären. Unternehmen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit umstrittenen Waffen erzielen, sollen jedoch ausgeschlossen werden. Das sei eine schwierige Frage, meint Börsenexperte Nieding. Denn ob Waffenhersteller überhaupt akzeptabel seien, sei die eine Frage. Die andere aber, ob man damit Unternehmen, die für die nationale Sicherheit wichtig seien, verwehren würde, in einen liquiden Börsenindex aufgenommen zu werden.
Neben diesen Kriterien möchte die Deutsche Börse die Zusammensetzung der „ersten Bundesliga“der deutschen Aktiengesellschaften künftig alle sechs Monate überprüfen statt einmal jährlich. Anwärter für den Aktienindex müssen künftig auch nur noch im regulierten Markt statt wie bisher in dem noch strenger regulierten „Prime Standard“notiert sein. Davon verspricht sich die Börse höhere Flexibilität. Den internationalen Gepflogenheiten will man sich annähern, indem man nicht mehr den Börsenumsatz berücksichtigt, sondern nur noch die Frage, wie viel die frei handelbaren Aktien am Markt wert sind (sogenannte Free-Float-Marktkapitalisierung).
Sollte der Dax also Zuwachs erhalten wird das jedoch auf Kosten des M-Dax gehen, in dem die nächstgrößeren Unternehmen vertreten sind. Der soll dann ebenfalls aus 50 Unternehmen bestehen statt zuvor aus 60. Im S-Dax der kleineren börsennotierten Firmen sollen aber weiterhin 70 Unternehmen vertreten sein.