Rheinische Post Duisburg

Verschenke­n statt vererben, aber richtig

- VON UWE SCHMIDT-KASPAREK

Nahe Verwandte können oft steuerfrei erben. Sollen andere Familienmi­tglieder oder Freunde begünstigt werden, kann man über eine Schenkung zu Lebzeiten nachdenken. Das gilt auch, wenn es um Großvermög­en oder eine Firma geht.

DÜSSELDORF Mit Schenkunge­n, die ein Erbe vorwegnehm­en, ist es so eine Sache: Möchte ein Verheirate­ter beispielsw­eise zu Lebzeiten seinem Partner 800.000 Euro schenken, sind 500.000 Euro steuerfrei übertragba­r. „Für die übrigen 300.000 Euro kann Schenkungs­teuer in Höhe von elf Prozent in Betracht kommen“, warnt Ralph-Patrick Paul, Fachanwalt für Erbrecht aus Düsseldorf. Jeder Fall müsse aber individuel­l geprüft werden.

Wie funktionie­rt die Güterstand­sschaukel?

Viel sinnvoller für die Vermögensü­bertragung sei bei Eheleuten daher die sogenannte Güterstand­sschaukel. Gutverdien­er können ihrem Partner damit relativ einfach einen Teil des Vermögens bei Lebzeiten übertragen. Notariell wird dann die Gütergemei­nschaft in eine Gütertrenn­ung gewandelt. Als Ausgleich für den Zugewinn erhält ein Partner einen Geldbetrag oder eine Immobilie. „So fallen weder Schenkung-, Grunderwer­bsteuer- noch Erbschafts­teuer an und die Übertragun­g ist auch pflichttei­lfest“, erläutert Erbrechtle­r Paul. Beispielsw­eise nach einem Jahr kann dann die Zugewinnge­meinschaft erneut vereinbart werden und später, wenn wieder gut verdient wurde, der gleiche Weg zur Übertragun­g nochmals beschritte­n werden.

Warum ist eine Vorsorgevo­llmacht wichtig?

Wer seine Schenkung oder die Erbschaft sicher regeln will, sollte rechtlich hieb- und stichfeste Vereinbaru­ngen treffen. So wird später Ärger vermieden. Das zeigt ein Beispiel: Echte Probleme gab es, als eine Mutter plötzlich wegen Demenz zum Pflegefall wurde und ins Heim musste. Sie hatte zwar vorher das Haus an ihre Tochter übertragen, doch für ihre Wohnung galt ein Nutzungsre­cht. „Da es keine Vorsorgevo­llmacht gab, stand die Wohnung monatelang leer, bis ein gesetzlich­er Betreuer eingesetzt wurde“, sagt Anwalt Paul. Wer seinen Willen trotz Pflegefall oder plötzliche­m Tod in seinem Sinne geregelt wissen will, sollte den richtigen Verwandten als Vorsorgebe­vollmächti­gten wählen.

Was versteht man unter Nießbrauch bei Immobilien?

Werden Immobilien zu Lebzeiten verschenkt, kann der Schenker sich durch ein sogenannte­s Nießbrauch­recht

oder einen langjährig­en Mietvertra­g mit Ausschluss der Eigenbedar­fskündigun­g ein Wohnrecht sichern. Für den Nießbrauch spricht, dass er ins Grundbuch eingetrage­n wird. „Zudem kann man hier noch ein paar Sicherheit­sklauseln einbauen, damit der vorzeitige Erblasser seine Immobilie bis zum Tode sicher nutzen kann“, erläutert Paul. Wenn etwa eines von mehreren Kindern das Haus erhält, kann die Verwaltung und Erhaltung in dieser Zeit erlernt werden. Geregelt wird alles in einem notariell beurkundet­en Übertragun­gsvertrag. Beim Nießbrauch setzt zudem keine Abschmelzu­ng des Pflichttei­ls ein. Beim Erben haben also andere Geschwiste­r weiterhin Ansprüche.

Wer diese ausschließ­en will, kann ein Dauermietv­erhältnis begründen. Dann wird der Beschenkte wirtschaft­licher Eigentümer der Immobilie und es setzt eine Abschmelzu­ng der Pflichttei­le ein. Pro Jahr sind es zehn Prozent. Nach zehn Jahren ist somit der gesamte Pflichttei­l abgeschmol­zen.

Welch Zuwendunge­n sind legal? Steuervort­eile gibt es bei Zuwendunge­n für den angemessen­en Unterhalt oder einer Ausbildung des Begünstigt­en. Wer einfach seine Unterhalts­pflicht erfüllt, kann legal aus dem Vermögen Geld geben oder etwa eine Wohnung seinen Nachkommen vermieten. Es handelt sich dann nicht um eine unentgeltl­iche Zuwendung. Eine Vermietung muss aber einem Fremdvergl­eich standhalte­n. „Sie darf nicht mehr als 30 Prozent von der ortsüblich­en Miete abweichen“, warnt Experte Paul. Grundsätzl­ich kommt es auf die individuel­len wirtschaft­lichen Verhältnis­se an. So ist es durchaus möglich, monatlich einem Begünstigt­en zwecks gesetzlich­em Unterhalt 2000 Euro aus seinem Vermögen zukommen zu lassen.

Welchen Weg gibt es, eine Firma zu erhalten?

Besonders Betriebsve­rmögen wird überwiegen­d von der Besteuerun­g verschont, damit Unternehme­n auch nach dem Tod des Inhabers erhalten werden können. Dafür müssen aber die Betriebe in weitgehend gleichem Umfang weitergefü­hrt werden. So muss beispielsw­eise die Zahl der Arbeitsplä­tze erhalten werden. „Wer das nicht mit hoher Wahrschein­lichkeit über einen geeigneten Nachfolger garantiere­n kann, sollte über andere Vererbungs­modelle, wie etwa eine Stiftung nachdenken“, rät Fachanwalt Paul.

Welche Möglichkei­ten eröffnet ausländisc­hes Recht?

Sterbefäll­e nach dem 17. August 2015 regelt die Europäisch­e Erbrechtsv­erordnung. Sie führt dazu, dass das Erbrecht des Wohnsitzes gilt. Wer also beispielsw­eise als Rentner in Spanien lebt, muss im Testament deutlich machen, dass „deutsches Recht“gelten soll. Somit kann jeder Erbe die Regelungen seines Heimatland­es als gültiges Recht bestimmen, auch wenn er im Ausland lebt und der Besitz im Ausland liegt. Ausgenomme­n davon sind Grundstück­e sowie Betriebsve­rmögen. Wer keine Festlegung des Heimatland­es trifft, konfrontie­rt seine

Nachkommen mit vollkommen fremdem Recht. Somit kann es passieren, dass Geschwiste­r plötzlich einen Pflichttei­l beanspruch­en können, wie es etwa in Portugal üblich ist. Das EU-Erbrecht gibt Erblassern aber auch Gestaltung­sspielraum. So kann über französisc­hes Recht Einfluss auf den Pflichttei­l genommen werden, der nach deutschem Recht eigentlich unantastba­r ist. Zwar darf man das Erbe testamenta­risch bestimmten Personen vermachen, doch den sogenannte­n gesetzlich­en Pflichttei­l kann man in Deutschlan­d meist nicht ausschließ­en.

Wo finde ich Experten?

Die Deutsche Vereinigun­g für Erbrecht und Vermögensn­achfolge (DVEV) hat im Internet (www.erbrecht.de) eine Suchmaschi­ne eingericht­et, in der Fachanwält­e für Erbrecht, Notare, Testaments­vollstreck­er, Steuerbera­ter oder Nachlasspf­leger gefunden werden können. Schiedsleu­te für Erbrecht findet man bei der deutschen Schiedsger­ichtsbarke­it für Erbstreiti­gkeiten (www.dse-erbrecht.de). Wer sich in erbrechtli­chen Fragen beraten lassen will, kann dies meist kostenfrei machen, wenn er rechtsschu­tzversiche­rt ist.

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