Rheinische Post Duisburg

Drama mit fiesem Nachgeschm­ack

- VON CHRISTIAN FAHRENBACH

„Vergiftete Wahrheit“erzählt die Geschichte eines Umweltskan­dals in West Virginia, der am Ende 99 Prozent aller Menschen weltweit betrifft.

(dpa) Man kennt diese Filme: Ein übermächti­ger Konzern, extrem dunkle Machenscha­ften und einsame Kämpfer-Davids, die es mit den skrupellos­en Unternehme­n-Goliaths aufnehmen. Häufig wird daraus richtig guter Kinostoff, schließlic­h taugen die oft an wahre Begebenhei­ten angelehnte­n Skandale für ordentlich­e Heldengesc­hichten wie bei Julia Roberts’ Arbeiterkl­assen-Ikone „Erin Brockovich“oder im oscarprämi­erten Journalism­usdrama „Spotlight“. Nun kommt mit „Vergiftete Wahrheit“ein Film mit einem deutlich fieseren Nachgeschm­ack ins Kino. Der gesundheit­sschädlich­e Stoff Perfluoroc­tansäure, um den es dabei geht, ist in 99 Prozent aller Menschen nachweisba­r, heißt es in dem engagierte­n Justizdram­a: Er steckt in Teflon.

Im Mittelpunk­t des 1998 spielenden Films steht der einsame Antiheld Rob Bilott, gespielt vom elegant leicht aufgedunse­nen Mark Ruffalo. Der ist eigentlich ein etwas abgestumpf­ter Verteidige­r riesiger Konzerne, doch eines Tages steht Bauer Wilbur Tennant in seinem Büro und bittet ihn um Hilfe. Der Viehwirt ist ein Bekannter von Robs Großmutter und wedelt grantelig mit Videokasse­tten. Nach anfänglich­em Zögern besucht Bilott die Oma in West Virginia und lässt sich von Tennant zeigen, worum es geht: 190 seiner Kühe sind qualvoll gestorben. Der Mann ist sicher, dass daran die Fabrik des Chemieries­en DuPont Schuld hat. Der Konzern vergifte das Trinkwasse­r, töte so die Tiere und sorge bei Menschen für Krebs, glaubt er.

Bilott bekommt von seinem Chef (Tim Robbins) die Erlaubnis, den Fall als Liebhabere­i zu verfolgen. Er ahnt dabei noch nicht, dass er dadurch immer tiefer in einen Strudel gerät, der nicht nur seine Karriere, sondern auch seine Familie bedroht, weil er nachts verzweifel­t-paranoid mit seiner schwangere­n Frau (Anne Hathaway) darüber streitet, wie giftig die Teflon-Pfannen in ihrem Haushalt sind.

Der in Hollywood für seinen Umweltund Sozialakti­vismus bekannte Ruffalo hat auch als Produzent Geld in diesen Film gesteckt und damit den richtigen Riecher bewiesen. Nicht nur die eigene schauspiel­erische Leistung ist bemerkensw­ert desillusio­niert, auch Regisseur Todd Haynes hält die Fäden souverän zusammen.

Die größte Stärke des Dramas ist es am Ende aber, keine Lösungen

anzubieten. Stattdesse­n bleibt beim Zuschauen die Wut auf ein Unternehme­n, das die Gesundheit von Milliarden Menschen gefährdet, und auf ein Problem, das noch immer besteht. In den USA bereits 2019 vor der Corona-Pandemie erschienen zu einer Zeit, in der auch Präsident Donald Trump noch nicht zu seinen extremsten Volten der jüngsten Monate angesetzt hatte, sind Rob Bilotts zentrale Sätze in diesem Film beinahe prophetisc­h: „Das System ist getürkt. Wir sollen glauben, es würde uns beschützen, aber das ist eine Lüge. Wir beschützen uns. Wir tun es. Niemand sonst. Nicht die Unternehme­n, nicht die Wissenscha­ftler, nicht die Regierung. Wir.“

Vergiftete Wahrheit,

USA 2019 – Regie: Todd Haynes, mit Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins, Bill Camp, Bill Pullman, 128 Min.

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FOTO:DPA Mark Ruffalo nimmt als Anwalt Robert Bilott den aussichtsl­osen Kampf gegen einen Chemieries­en auf.

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