Rheinische Post Duisburg

Stahl-Krise: „Staat muss hier eingreifen“

- VON EVA GOLDBACH UND MIKE MICHEL

Tausende Stahlarbei­ter wollen am Freitag, 16. Oktober, in Düsseldorf demonstrie­ren. Sie fordern eine Beteiligun­g von Bund und Land bei Thyssenkru­pp Steel. Die IHK sieht das skeptisch, Wirtschaft­sdezernent Haack hält das für denkbar.

Duisburgs IG-Metall-Chef Dieter Lieske weiß, dass sich ein Großteil der Belegschaf­t in Kurzarbeit befindet. Da in der Automobilb­ranche aktuell teilweise nicht produziert wird und die Corona-Situation dazu kommt, befinde man sich in einer „Sondersitu­ation“, so Lieske. Es seien zusätzlich­e Lücken entstanden – von 700 Millionen Euro in den ersten neun Monaten in diesem Jahr ist die Rede. Lieskes Fazit: „In der momentanen Situation muss der Staat eingreifen.“Nicht nur der Standort Duisburg sei betroffen, sondern auch alle anderen Standorte in der Region. Aus diesem Grund wollen die Stahlkoche­r in der nächsten Woche bei der Demonstrat­ion in Düsseldorf auf sich aufmerksam machen. Man sei im Moment dabei, die Demonstrat­ion zu planen, auch in Anbetracht der Corona-Hygiene-Maßnahmen. Die IG Metall erwartet bereits Teilnehmer­zahlen im vierstelli­gen Bereich.

Da die Stahlindus­trie als „systemrele­vant“eingestuft worden sei, müsse auch diese Branche gerettet werden. Ein ökologisch­er Umbau müsse stattfinde­n, hin zu ökologisch­em Stahl – dafür müsse jedoch investiert werden. Von der Landesregi­erung fordere man Unterstütz­ung und die Bereitscha­ft, die Stahlbranc­he am Leben zu erhalten – sonst drohe NRW „ein Desaster“, sagt Lieske.

Duisburgs Wirtschaft­sdezernent Andree Haack erklärte auf Anfrage dazu: „Das harte Wettbewerb­sumfeld und der hohe Transforma­tionsdruck passen derzeit nicht zueinander. Daher ist es durchaus denkbar, dass der Staat hier unterstütz­end eingreift.“Zurückhalt­ender äußert sich dazu Stefan Dietzfelbi­nger, Hauptgesch­äftsführer der Industrieu­nd Handelskam­mer. „Auch NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart und Ministerpr­äsident Armin Laschet sind in der Pflicht,

Druck auf Berlin auszuüben“, sagt er. Dietzfelbi­nger setzt große Hoffnungen in den Nationalen Stahlgipfe­l am 11. Dezember in Duisburg unter Federführu­ng des NRW-Wirtschaft­sministeri­ums. „Da haben wir hohe Erwartunge­n.“Wichtig seien langfristi­ge Perspektiv­en. Dazu gehören Investitio­nen für eine zukunftsge­richtete, CO2-neutrale Stahlprodu­ktion bis 2050. „Da müssen auch Bund und Land sich drum kümmern. Anderen Unternehme­n wie der Lufthansa wurde ja auch geholfen.“

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier habe Unterstütz­ung zugesagt, ohne konkret zu werden und auf den nächsten Sommer verwiesen. „So viel Zeit haben wir nicht. Vom Stahlgipfe­l erwarte ich Lösungen“, so Dietzfelbi­nger. Auch die EU sei gefragt, wenn man beim Autobau, der Produktion von Blechbüchs­en und dem Brückenbau nicht nur auf Importstah­l setzen wolle. „Das macht uns abhängig, und in China muss niemand CO2-Zertifikat­e zahlen. Anderersei­ts werden die wenigsten beim Autokauf 2000 Euro mehr für ihren Wagen bezahlen, nur weil er mit klimaneutr­alem Stahl produziert wurde.“

Das sieht Wirtschaft­sdezernent Andree Haack ganz ähnlich: „Die politische­n Rahmenbedi­ngungen müssen so gesetzt werden, dass eine klimaneutr­ale Industriep­roduktion

in Europa, in Deutschlan­d und in Duisburg wirtschaft­lich betrieben werden kann. Dies umfasst einen fairen Welthandel ebenso, wie eine internatio­nal wettbewerb­sfähige Energiepol­itik und ein Marktdesig­n, welches die Abnahme von klimaneutr­al produziert­em Stahl sicherstel­lt. Diese Punkte werden auch im Mittelpunk­t beim Stahlgipfe­l stehen.“Der Stahlstand­ort Duisburg gehöre zu den modernsten der Welt und die Unternehme­n hätten bereits sehr detaillier­te Planungen zum Einstieg in eine klimaneutr­ale Stahlprodu­ktion. Es könne weder im Interesse der Wirtschaft noch der Klimaschüt­zer sein, diesen Prozess zu behindern.

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FOTO. DPA Die Zukunft des Stahlstand­ortes Duisburg erscheint momentan ungewisser denn je.

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