Rheinische Post Duisburg

Angenehm normal

- VON FRANK HERRMANN

Nachdem das Fernsehdue­ll von Donald Trump und Joe Biden im Chaos versank, bekamen die Amerikaner zumindest von ihren Vize-Kandidaten eine geordneter­e Debatte geboten. Nur eine Fliege störte.

SALT LAKE CITY Kaum ist die eine Debatte über die Bühne gegangen, gibt es schon Streit um die nächste. In einer Woche sollen Donald Trump und Joe Biden ein zweites Mal aufeinande­rtreffen. Während die US-Medien noch spekuliert­en, ob der an Covid-19 erkrankte Amtsinhabe­r überhaupt teilnehmen kann, sprach die Kommission, die die Spielregel­n festzulege­n hat, ein Machtwort. Im Interesse der Gesundheit aller Beteiligte­n sollen die Protagonis­ten nun rein virtuell diskutiere­n, statt, wie ursprüngli­ch vorgesehen, wenige Meter voneinande­r entfernt in einer Kunsthalle in Miami zu sitzen. Es dauerte nicht lange, bis der Präsident Einspruch einlegte. Er werde seine Zeit nicht mit so etwas verschwend­en, protestier­te er am Donnerstag­morgen in einem Fernsehint­erview. „Du sitzt hinter einem Computer und sollst debattiere­n – das ist doch lächerlich.“

Wie es ausgeht, bleibt abzuwarten. Jedenfalls lässt die sich abzeichnen­de Kontrovers­e ein anderes TV-Duell schnell zur Randnotiz werden: das Duell zwischen Mike Pence und Kamala Harris, dem aktuellen Vizepräsid­enten und der Senatorin, die ihn im Amt beerben möchte. Dabei hatte es am Mittwochab­end für ein paar Minuten so ausgesehen, als sollten sich beide in Salt Lake City ein Streitgesp­räch für die Geschichts­bücher liefern. Eines, an das man noch lange zurückdenk­en würde.

Harris, Tochter einer Krebsforsc­herin aus Indien und eines Ökonomen aus Jamaika, die erste Frau mit dunkler Haut, die für das zweithöchs­te Amt im Staat kandidiert, bläst sofort zur Offensive. „Das amerikanis­che Volk ist Zeuge des größten Versagens einer Regierung in der Geschichte unseres Landes geworden“, sagt sie über das Corona-Krisenmana­gement. Dabei hätten Trump und Pence bereits Ende Januar gewusst, wie gefährlich das Virus sei. „Und sie haben es Ihnen nicht gesagt“, schiebt sie, direkt ans Publikum gewandt, hinterher. „Sie wussten es, und sie haben es verschleie­rt.“Deshalb hätten beide das Recht verwirkt, wiedergewä­hlt zu werden.

Pence versucht der Kritik die Spitze zu nehmen, indem er wiederholt, womit sich sein Chef schon seit Monaten aus der Affäre zu ziehen versucht. Zum einen, führt er an, habe Trump sehr früh das Richtige getan und noch im Januar ein Einreiseve­rbot aus China verfügt. Biden habe das damals abgelehnt und von Fremdenfei­ndlichkeit gesprochen. Zum anderen sei es dem Präsidente­n gelungen, die „größte Mobilisier­ung seit dem Zweiten Weltkrieg“zu organisier­en. Wer den Kraftakt nicht zu schätzen wisse, gibt er zu verstehen, der wisse die Leistung der Amerikaner insgesamt nicht zu würdigen. Darauf Harris unter Verweis auf 210.000 Corona-Tote zwischen Seattle und Miami: „Was immer die Regierung angeblich getan hat, es hat offensicht­lich nicht funktionie­rt.“

Es folgt ein Disput, der illustrier­t, was für weltanscha­uliche Gräben zwischen Republikan­ern und Demokraten

liegen. Pence spricht von der Freiheit, in deren Interesse man den Leuten schon zutrauen müsse, die richtigen Entscheidu­ngen zu treffen, während die Demokraten sie mit Verboten und Zwang bloß gängeln wollten. „Sie respektier­en das amerikanis­che Volk, indem Sie ihm die Wahrheit sagen“, kontert Harris. Während er einen Impfstoff bis Jahresende in Aussicht stellt, warnt sie vor wahlpoliti­sch motivierte­n Abkürzunge­n. „Wenn die Ärzte uns sagen, wir sollen das Vakzin nehmen, bin ich die Erste, die es nimmt. Wenn Donald Trump sagt, wir sollen es nehmen, nehme ich es nicht.“

So hart es inhaltlich zur Sache geht, stilistisc­h halten sich beide an die Etikette der Höflichkei­t. Trump hatte Biden bei der Premiere ein chaotische­s Duell aufgezwung­en, das in wüste Beschimpfu­ngen ausartete. Durch zwei Plexiglass­cheiben voneinande­r getrennt, zeigen Pence und Harris, dass es noch immer halbwegs geordnet und zivilisier­t zugehen kann.

Viel mehr dürfte, abgesehen von dem furiosen Start, nicht im Gedächtnis haften bleiben. Vermutlich war es letztlich eher die Fliege auf Pences Kopf, die für die größte Aufmerksam­keit sorgte. Auf der Bühne wurde es nicht erwähnt, als das Insekt auf dem Haar des Vizepräsid­enten landete. Doch in den sozialen Medien wurde das unübersehb­are Detail vielfach kommentier­t. „Das ist nicht auf Ihrem Fernseher. Das ist auf seinem Kopf“, twitterte MSNBC-Journalist­in Rachel Maddow. „Die Fliege weiß Bescheid“, twitterte Autor Stephen King. Andere machten Witze darüber, dass die Fliege am Haarspray festkleben könnte.

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FOTO: JUSTIN SULLIVAN/AFP Eine Bildkombin­ation aus dem TV-Duell zwischen Mike Pence und Kamala Harris.
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FOTO: DPA Herr der Fliegen: Das Insekt auf Mike Pences Kopf löste in den sozialen Medien Heiterkeit aus.

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