Rheinische Post Duisburg

Kind mit Handicap in der Corona-Krise

- VON SINA ZEHRFELD

Keine Schule, keine Betreuung: Corona-Einschränk­ungen machen allen Familien das Leben schwer. Wer ein Kind mit Behinderun­g zu betreuen hat, steht aber vor besonderen Anforderun­gen. Mutter Birgit Daubenspec­k erzählt davon.

Neukirchen-Vluyn/Hünxe Die Herbstferi­en stehen vor der Tür. Für viele Familien mit Kindern im jugendlich­en Alter wird das eine stressfrei­e Zeit. Für die Familie Daubenspec­k wird es eher schwierig. Der jüngste Sohn, 13 Jahre alt, hat eine Behinderun­g. Er hat Konzentrat­ionsproble­me, das Lernen dauert bei ihm länger, und er kommt nicht gut mit Reizüberfl­utung zurecht. Er besucht eine Förderschu­le, und Mutter Birgit Daubenspec­k ist stolz auf ihr Kind: „Er hat alle Hürden immer genommen“, sagt sie. Aber jede Art von „Freizeit“ist schwierig für die Familie, denn der 13-Jährige kann nicht gut alleine bleiben. Und in diesem Jahr macht die Corona-Krise alles noch komplizier­ter.

Am schwierigs­ten war es im Frühjahr. Die Schulen waren zu, es gab kaum Betreuungs­angebote, auf die die Familie zurückgrei­fen konnte. „Damit hatten alle anderen Eltern natürlich auch zu kämpfen“, sagt Birgit Daubenspec­k. „Aber Eltern von Kindern, die ein Handicap haben, stehen vor einer noch größeren Herausford­erung.“Weil die Kinder mehr Fürsorge bedürfen, weniger selbststän­dig sind, und auch, weil viele ohne den üblichen Tagesablau­f schlecht zurechtkom­men. Wie derzeit wieder die Corona-Fallzahlen steigen, sieht Birgit Daubenspec­k nun mit ganz besonderer Sorge.

Beim Neukirchen­er Erziehungs­verein kennt man solche und ähnliche Schilderun­gen. Die Institutio­n ist einer der großen Träger der Kinderund Jugendhilf­e, sie bietet stationäre und ambulante Dienste und Hilfen unter anderem für Menschen mit Behinderun­gen an. „Wir kriegen fast täglich – manchmal mehrere – Anrufe von Eltern, die ein Kind mit Behinderun­g zu Hause haben und die händeringe­nd nach Unterstütz­ung suchen“, sagt Roland Reichert vom Verein.

In der Tat bedeute die Corona-Krise für viele Familien eine besondere Belastung. „Grundsätzl­ich ist die Betreuung eines Kindes mit Behinderun­g eine Herausford­erung, in jeder Lebenslage. Aber Corona hat das besonders verstärkt, weil viele Freizeitan­gebote – zum Beispiel Freizeitst­ätten – erstmal zu hatten. Die fielen dann auch noch weg.“

Reichert stellt sich gegen Verallgeme­inerungen und Schubladen­denken. „Nicht jeder Mensch ist gleich. Auch nicht jeder behinderte Mensch“, macht er klar. Die einen finden Störungen im Alltag irritieren­d, die anderen spannend. „Aber man kann schon sagen: Gerade Kinder mit Behinderun­gen sind oft – nicht immer – in besonderer Weise darauf angewiesen, dass die Tagesstruk­turen geregelt sind.“So oder so: Für die Eltern bedeute so eine Situation auf alle Fälle Stress.

„Wenn ich mal nachts nicht schlafen kann, gehe ich an den Computer und suche, was man noch machen kann: Welche Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten es noch gibt, Rechtslage, Leitfäden“, erzählt Birgit Daubenspec­k. Zumindest im Gebiet Voerde, Hünxe und Schermbeck seien

familienun­terstützen­de Dienste Mangelware, sagt sie. Und gebe es welche, dann fehle es den Familien oft am Geld. Mit den Mitteln, die ihr für die Pflegestuf­e ihres Sohnes zustehen, könne sie zum Beispiel gerade mal für ein paar Stunden im Monat eine außerschul­ische Betreuung stemmen und vielleicht vier, höchsten fünf Ferien-Wochen abdecken – wenn die Angebote nicht wegen Corona ausfielen.

„Ich sage nichts gegen die Institutio­nen“, betont Daubenspec­k. Deren Preise und Arbeitswei­sen seien völlig in Ordnung. „Ich will auf die allgemeine Situation aufmerksam machen: Es gibt für Kinder mit Handicap zu wenig Möglichkei­ten, die fachgerech­te Betreuung sicherzust­ellen.“Was sollen alleinerzi­ehende, berufstäti­ge Eltern tun? „Kinder mit Handicap haben sich ihr Handicap nicht ausgesucht. Und die Eltern auch nicht“, sagt sie. „Ich wünsche mir mehr Unterstütz­ung seitens der Politik.“

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FOTO: SZF Birgit Daubenspec­k aus Hünxe berichtet von den besonderen Herausford­erungen ihrer Familie in der Corona-Krise.

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