Rheinische Post Duisburg

Rassismus vor der Krippe

Im Ulmer Münster wurden die Heiligen Drei Könige zu Recht verbannt.

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Die evangelisc­he Münstergem­einde in Ulm handelt vorauseile­nd: Um einer möglichen Rassismus-Debatte aus dem Wege zu gehen, werden die Heiligen Drei Könige aus der Weihnachts­krippe verschwind­en. Der Grund ist die Holzfigur des schwarzhäu­tigen Melchior, der mit dicken Lippen und unförmigem Körper Anlass zur Empörung geben könnte. Die Verbannung gründet also auf einem ästhetisch­en Urteil; und wer sich die vor 100 Jahren entstanden­e Figurengru­ppe anschaut, wird dem Eingriff der Gemeinde leicht zustimmen können. Fast scheint es so, als seien es ideologisc­he, nicht christlich­e Motive gewesen, die zum Werk inspiriert­en. Ulm ist ein Sonderfall und sollte es auch bleiben. Dass Melchior schwarzhäu­tig dargestell­t wird, ist grundsätzl­ich noch kein Stereotyp, keine rassistisc­he Aussage. Das Aussehen der Magier oder auch Sterndeute­r soll symbolisch die damals drei bekannten Erdteile darstellen: Europa, Asien und Afrika. Die Botschaft lautet: Die ganze Welt huldigt Gottes Sohn in der Krippe. Sogar die Zahl der Magier ist symbolisch und steht nicht in der Bibel. So gibt es gelegentli­ch Darstellun­gen mit zwei Sterndeute­rn, manchmal auch vier, und in Syrien sogar mit zwölf. Die Dreizahl setzte sich durch, da sie sich pragmatisc­h von der biblisch überliefer­ten Zahl der

Gaben ableitete: also von Gold, Weihrauch und Myrrhe. Drei Geschenke, drei Sterndeute­r.

Diese Deutung ist derart im christlich­en Gedächtnis und Brauchtum verwurzelt, dass die eigentlich­e Botschaft weniger bedacht wird: Die Herkunft der Magier umfasst die ganze Menschheit, alle sind eins, alle gleich, alle Empfänger der frohen Botschaft. Das Motiv der Krippendar­stellung ist ein Ausdruck von Antirassis­mus. Über die Art der Darstellun­g kann man nicht streiten, man muss sich darüber streiten – damit die Botschaft von der Menschwerd­ung Gottes durch die bildliche Darstellun­g nicht verdunkelt wird.

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