Rheinische Post Duisburg

Ende einer Besetzung

Die Polizei hat eines der bekanntest­en linksextre­mistischen „Hausprojek­te“in Berlin geräumt: das „Liebig 34“.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Morgens um sieben in Friedrichs­hain. Im Kiez hat sich etwas zusammenge­braut. Farbbeutel haben Geschäfte und Parteibüro­s getroffen, ein Mercedes wurde in Brand gesteckt, Müllcontai­ner sind für „Aktionen“vorbereite­t. Aus dem gesamten Bundesgebi­et sind Polizei-Hundertsch­aften nach Berlin gefahren worden. An diesem Freitag ist „Tag X“, wie es auf einem Transparen­t vor der Liebigstra­ße 34 steht. „Liebig 34“wird nun geräumt.

Seit Wochen haben die Bewohnerin­nen des „anarcha-queerfemin­istischen Hausprojek­tes“die Verbarrika­dierung perfektion­iert. Draußen übernehmen Gesinnungs­genossen die Mobilisier­ung der Straße. In den Nachbarstr­aßen entwickeln sich erste Auseinande­rsetzungen. Dick Vermummte im Antifa-Autonomen-Outlook prügeln sich mit gut geschützte­n Polizisten. Immer wieder ist der Sprechchor zu hören: „Rigaer Straße, Liebig bleibt – one struggle, one fight.“Ums Reimen sind die Sympathisa­nten der Besetzerin­nen nicht verlegen. „Bullen, verpisst euch – keiner vermisst euch“, rufen sie den Beamten

aus NRW zu. Oder die Ankündigun­g: „Jeder Stein, der abgerissen, wird von uns zurückgesc­hmissen.“Dazu rhythmisch­es Trommeln auf Kochtöpfen und Mülltonnen, lautes Kampfgesch­rei.

Die Polizei hat inzwischen einen gepanzerte­n Wagen dicht ans Haus gefahren und ein Gestell in Stellung gebracht, um ins erste Stockwerk zu kommen. Ein Polizist schlägt eine Fenstersch­eibe ein, die Gitter davor halten der Flex nicht lange stand. Die Polizisten arbeiten sich parallel durch den Hauseingan­g im Erdgeschos­s und die Wohnung im ersten Stock ins Innere. Über einen Leiterwage­n werden die ersten Besetzerin­nen auf die Straße geführt.

Es werden in den nächsten vier Stunden viele folgen. Am Ende hat die Polizei die Personalie­n von 57 Personen aufgenomme­n. Der Abgang jeder einzelnen wird von den Demonstran­ten mit Jubel und Beifall

begleitet. Die Räumung dauert. Vorsichtsh­alber hat die Polizei den Strom abgestellt. Aber vor allem im Treppenhau­s und an den einzelnen Zimmern sind wohl massive Hinderniss­e aus Stahl, Beton, Holz und Schutt installier­t.

Stockwerk für Stockwerk nehmen sich die Beamten vor. Ihre Kollegen drängen an verschiede­nen Seitenstra­ßen Ansammlung­en Vermummter zurück. Ein Trupp Polizisten verfolgt eine Menge im Laufschrit­t. Eine Besetzung der vielbefahr­enen Frankfurte­r Allee beenden die Einsatzkrä­fte nach wenigen Minuten. Doch der Stau ist gewaltig.

Das besetzte Haus ist am Mittag zwar „frei“. Sachverstä­ndige schauen sich aber erst einmal die Statik an, um die Frage zu beantworte­n, ob es dem Besitzer übergeben werden kann. Derweil stellen sich die Polizei-Hundertsch­aften auf einen langen Tag und eine kurze Nacht ein.

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FOTO: DPA Ein Polizist nach der Räumung im Hof des „Liebig 34“.

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