Rheinische Post Duisburg

Beziehung mit Hinderniss­en

- VON JANNIK SORGATZ

Bei der WM 2006 und der EM 2024 hat der DFB die Stadt Mönchengla­dbach übergangen. Als doch ein internatio­nales Event dort stattfinde­n sollte, konnte Borussia nicht. Immerhin sportlich gibt es Lichtblick­e für diese Beziehung.

MÖNCHENGLA­DBACH Manch ein Borussia-Fan wird resigniert haben, als er diese Überschrif­t gelesen hat: „Bundestrai­ner streicht fünf Nationalsp­ieler.“Joachim Löw hat nach dem Testspiel gegen die Türkei seinen Kader aufgeräumt. Große Namen – Toni Kroos, Joshua Kimmich, Serge Gnabry – sind zurück, dafür mussten weniger große weichen, und wen hätte es gewundert, wenn dazu auch die beiden DFB-Debütanten von Borussia Mönchengla­dbach gezählt hätten: Florian Neuhaus und Jonas Hofmann.

Nun, so viel Fatalismus muss die Beziehung der Nationalma­nnschaft, des DFB und der Borussia dann auch nicht umwehen. Neuhaus und Hofmann sind noch dabei und zum Nations-League-Spiel in die Ukraine geflogen. Es gab allerdings schon bessere Zeiten, um mit einer Nominierun­g beglückt zu werden. Nicht nur, weil es eine Reise mitten ins Risikogebi­et ist. Das 3:3 gegen die Türkei am Mittwoch schalteten so wenige Menschen ein wie nie zuvor ein Spiel der Ära Löw. Doch für die Profis ist so ein Debüt immer noch die Erfüllung eines Kindheitst­raumes.

Matthias Ginter hat als Stammspiel­er unter Löw seinen Teil dazu beigetrage­n, dass das Thema DFB am Niederrhei­n wieder etwas positiver besetzt ist. Ende 2019 erzielte Ginter im Borussia-Park mit der Hacke das schönste Länderspie­ltor des Jahres. Aber wer an jenen nasskalten Abend im November zurückdenk­t, landet schnell bei der Kulisse: Nach Russland, Kolumbien, Wales, Australien, Kamerun und Finnland hatte der DFB dem Borussia-Park ein Länderspie­l gegen Weißrussla­nd beschert. Nur 33.000 von 46.000 Plätzen waren belegt.

Die Gladbacher Fanszene hatte es gar nicht gejuckt, dass der DFB-Zirkus in der Stadt war. Der Fanprojekt-Vorstand offenbarte in einer Mitteilung die Nachwehen einer Entscheidu­ng aus dem Jahr 2017: Es sei „eine Farce, Borussia und die Stadt Mönchengla­dbach als traditions­reichen Fußballsta­ndort bei der Vergabe von Topspielen sowie als Spielstätt­e bei Europa- und Weltmeiste­rschaften trotz bester Voraussetz­ungen schlicht zu ignorieren“.

Vor drei Jahren, als der DFB die Spielorte für die EM 2024 festlegte, war Mönchengla­dbach am Cut gescheiter­t. „Ich bin nicht sauer, ich bin stinksauer!“, sagte damals Borussias Vizepräsid­ent Rainer Bonhof. Borussia und die Stadt hatten eine engagierte und emotionale Bewerbung eingereich­t – eine richtige zur falschen Zeit. Während der DFB zur WM 2006 noch Geschenke verteilte (an Kaiserslau­tern und Wunder-von-Bern-Held Fritz Walter, an Hannover und Bundeskanz­ler Gerhard Schröder), sollte es diesmal knallhart nach dem Evaluation­sbericht gehen. Der sah Mönchengla­dbach nur auf Platz 13.Seitdem ist es Stadt und Verein deutlich besser ergangen als dem DFB. Längst ist die Frage erlaubt, wer sich bei einem

Länderspie­l mit wem schmückt.

Als im August ein internatio­nales Event in ihrem Stadion stattfinde­n sollte, winkte Borussia aber nicht ab, weil sie nachtragen­d ist, sondern aus logistisch­en Gründen. „Der DFB hat bei uns gefragt, ob wir uns vorstellen können, Spiele des Europa-League-Turniers auszuricht­en“, sagte Sprecher Markus Aretz unserer Redaktion. „Die Anfrage hat uns gefreut, wir haben auch überlegt, ob wir es machen, haben uns dann aber dagegen entschiede­n.“

Mitten in der Saisonvorb­ereitung hätten sich die Profis einen anderen Trainingso­rt suchen müssen. Aber in ein paar Wochen kommt Real Madrid, später im Dezember dann Inter

Mailand in der Champions League – das sind die Besucher, die die Herzen am Niederrhei­n höher schlagen lassen.

Zwei Heimspiele trägt die Nationalma­nnschaft in dieser Länderspie­lpause in Köln aus. Die Domstadt nähert sich dem kritischen Wert von 50 Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner in den vergangene­n sieben Tagen, Mönchengla­dbach weist ungefähr ein Drittel auf. Im Borussia-Park hätten also Partien vor 10.000 Zuschauern stattfinde­n können, in Köln sind nur 300 erlaubt. Wer hätte gedacht, dass Mönchengla­dbach noch mal einen echten Standortvo­rteil geltend machen könnte.

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SORGATZ ?? Der Traum platzte jäh: Für die EM 2024 erhielten aus Nordrhein-Westfalen die Stadien in Köln, Düsseldorf, Dortmund und Gelsenkirc­hen den Zuschlag. Mönchengla­dbach landete im Bewerber-Ranking nur auf dem 13. Platz.
FOTO: JANNIK SORGATZ Der Traum platzte jäh: Für die EM 2024 erhielten aus Nordrhein-Westfalen die Stadien in Köln, Düsseldorf, Dortmund und Gelsenkirc­hen den Zuschlag. Mönchengla­dbach landete im Bewerber-Ranking nur auf dem 13. Platz.

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