Rheinische Post Duisburg

Die Hexe ist ihr Ding

- SEMA KOUSCHKERI­AN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Im Tanzhaus NRW ist das erste abendfülle­nde Stück der 29 Jahre alten Düsseldorf­er Performeri­n zu sehen. Der Titel der Produktion lautet „Femina Saga“.

DÜSSELDORF Zoe, im bürgerlich­en Leben Marie Zoe Buchholz, hat viele Talente und ist um die halbe Welt gereist, um sie zu entfalten: Sie singt, tanzt, unterricht­et und choreograf­iert. Im Tanzhaus NRW ist jetzt das erste abendfülle­nde Stück der 29 Jahre alten Düsseldorf­er Performeri­n zu sehen.

Sie sind vor allem Tänzerin, jetzt choreograf­ieren Sie Ihre erste große Arbeit, „Femina Saga“. Wechseln Sie die Seiten?

ZOE Ich persönlich vermeide mittlerwei­le solche Zuschreibu­ngen. Ich sehe mich weder als Tänzerin noch als Choreograf­in, sondern als jemanden, der auf der Bühne steht und was macht. Das Tanzhaus NRW hatte vor eineinhalb Jahren die Sommerresi­denzen für Künstler ausgeschri­eben. Das war für mich eine Chance, in einen künstleris­chen Prozess einzusteig­en.

War das Thema schnell klar?

ZOE Ja. Wenn ich mich mit irgendetwa­s identifizi­ere, dann ist es der Archetyp der Hexe. Um sie geht es in meinem Stück. Ich hatte schon immer eine große Affinität zu Märchen als deutsches Kulturgut, in denen ich mich jedoch als Afro-Deutsche schon als Kind nicht repräsenti­ert sah. Eine Hexe wiederum hat viel zu erzählen und ist als Figur von Marginalis­ierung betroffen. Das ist etwas, das man als Frau mit afro-diasporisc­hem Hintergrun­d in besonderem Maße nachvollzi­ehen kann. Selbst im künstleris­chen Bereich hält Diversität nur sehr langsam Einzug.

Was meinen Sie, wenn Sie sagen, dass Sie sich mit dem Archetyp

Hexe identifizi­eren können?

ZOE Es hat damit zu tun, dass die Hexe gerade nicht eindeutig zu identifizi­eren ist, da sehe ich Parallelen. Eine Hexe kann Magierin, Heilerin, aber auch böse sein. Die Hexe bietet mir als Künstlerin Raum und viele Facetten, um zum Beispiel wichtige und aktuelle Themen wie die Rück-Aneignung von Identität zu beleuchten. Das beschäftig­t mich als Künstlerin und privat.

Inwiefern?

ZOE Ich denke viel darüber nach, wie die spirituell­e Prägung der Herkunft meines aus Benin in Westafrika stammenden Vaters mit meiner westlichen, europäisch­en Sozialisat­ion zusammenpa­sst. Es geht in dem Stück um Biografisc­hes, aber auch um die Historie der Hexe, von ihrer Verfolgung bis zu #metoo.

Welche Rolle spielt die Körperlich­keit? Sie selbst haben mit Hip-Hop begonnen und sich dem Voguing

zugewandt, weil Sie die weibliche Energie zelebriere­n wollten.

ZOE Körperlich­keit spielt eine große Rolle. Es ist für mich eine spannende Herausford­erung, Lust und Sinnlichke­it aus der Bewegungss­prache des Voguing innerhalb meines Stücks in einen neuen Kontext zu setzen. Insbesonde­re vor dem Hintergrun­d, dass die Szene sich gegen Rassismus, Diskrimini­erung und Transphobi­e wendet und insofern politisch ist. Jedoch bekam ich während der Erarbeitun­g von „Femina Saga“die Rückmeldun­g, dass es schwierig ist, Erotik auf der Bühne darzustell­en und gleichzeit­ig als Frau ernst genommen zu werden. Aber wer bestimmt, was auf eine Theaterbüh­ne gehört? Ich glaube, es herrscht hier eine Doppelmora­l. Je nachdem welcher Körper sich einer bestimmten Ästhetik bedient, lesen wir verschiede­ne Dinge. Das eine wird als Hochkunst gewertet, das andere als ordinäres Entertainm­ent. Das gilt es zu ändern!

Welche Musik gibt es in „Femina Saga“zu hören?

ZOE Ein großes Spektrum – von Jazzklassi­kern, Live-Gesang über House bis hin zu Beats aus dem Ballroom-Space.

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FOTO: S. WINTJENS Die Performeri­n Zoe.

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