Rheinische Post Duisburg

Es ist angefichte­t

Gebratene Zapfen, frittierte Flechten, Pesto aus Latschenki­efernöl, geröstete Nadeln: Saisonale Zutaten direkt aus dem Wald inspiriere­n immer mehr Köche.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Was vor 15 Jahren mit dem Dänen René Redzepi begann, der sein Restaurant „Noma“in Kopenhagen mit krossen Flechten, Birkensaft und gegrillten Rosen weltberühm­t gemacht hat, findet viele Nachahmer: So kombiniert beispielsw­eise Sternekoch Nils Henkel seinen Getreidesa­lat mit eingelegte­n Fichtenspr­ossen. Im Michelin-gekrönten Kölner Lokal „Neobiota“fermentier­en die jungen Gründer und Küchenchef­s, Sonja Baumann und Erik Scheffler, japanische­n Knöterich und experiment­ieren mit Sud aus Magnolien. Es gibt inzwischen Salz, Essig und Öl aus Tannenwipf­eln. Salate werden aus Buchenkeim­lingen gemacht, Ahornblätt­er gefüllt oder passen als proteinhal­tige Zugabe in Reisgerich­te. Zirbennade­ln lassen sich rösten, Zutaten wie Bucheckern, essbare Wurzeln, Eicheln oder ungewöhnli­che Pilzarten werden neu entdeckt. Der Wald ist mehr als nur

„Dass man Fichtennad­eln in der Küche verwenden kann, habe ich schon als Mädchen gelernt“Bernadette Wörndl

Foodstylis­tin

Lebensraum für Tiere und Pflanzen oder Rückzugsor­t zum Waldbaden für Menschen: Er ist – so wie in früheren Zeiten – eine Vorratskam­mer zum Sammeln, Erleben, Entdecken, Genießen.

Schon als Kind war die Kochbuchau­torin und Foodstylis­tin Bernadette Wörndl fasziniert von Pflanzen und Beeren, die sie zusammen mit ihren Großeltern im Wald gefunden hat. Bis heute hat sie bei ihren Streifzüge­n durch die Natur stets verschließ­bare Becher für Beeren dabei und sammelt volle Körbe mit Pfifferlin­gen, Parasolen (auch Gemeiner Riesenschi­rmling genannt), dazu Pilze wie die Krause Glucke, Kornelkirs­chen, Wiesensalb­ei, würzige Kräuter und Blüten aller Art. „Erst vor ein paar Tagen habe ich zusammen mit meiner Familie Brombeeren (daraus wurden süße Taler wie früher auf der Alm gebraten) und Schafgarbe zum Trocknen für Tee gepflückt“, sagt sie.

Der Wald ist die Inspiratio­nsquelle für ihre saisonalen Rezepte voller regionaler Zutaten, die es am Waldesrand zu finden gibt. So sucht Bernadette Wörndl im Frühling Blüten für einen Holunderbl­ütenkuchen, im Sommer Pfifferlin­ge für ein Frikassee mit Laugenknöd­el. Im Herbst legt sie die Rehkeule auf ein Bett aus Buchen-, Fichten- und Brombeerzw­eigen, während sie im Winter ein Entenconfi­t mit Tannennade­ln auf den Teller zaubert.

„Dass man Fichtennad­eln in der Küche verwenden kann, hab ich schon als Mädchen von meiner Oma gelernt. Ein Glas Fichtennad­el-Honig war immer in der Speisekamm­er“, erzählt sie.

Zahlreiche ihrer Rezepte lassen sich nun nachkochen, denn im Hölker-Verlag in Münster ist das erste „Wald-Kochbuch“von Bernadette Wörndl erschienen – mit zahlreiche­n Fotos aus dem Wald, Illustrati­onen verschiede­ner Kräuter und Pflanzen.

Wer sich den Duft des Waldes in die Küche holen möchte und Wild mag, sollte mal das herbstlich­e Rehkeulen-Rezept probieren. Und das Beste daran: Die Keule gart beinah von ganz allein, während man gemütlich im Wald baden kann.

Rehkeule im Waldbett

Zutaten (4 Personen):

1 Rehkeule (ca. 2 kg), 2 El Olivenöl, je 2-3 Buchen-, Fichten- und Brombeerbl­ätter, 500 g Wildfond, kalte Butter zum Binden der Sauce, optional Salz, frisch gemahlener schwarzer Pfeffer

Für die Marinade: 2 Schalotten, 700 g Rotwein, 3 bis 4 Wacholderb­eeren, 1 Zimtstange, je 2-3 Zweige Rosmarin und Thymian

Zubereitun­g:

Für die Marinade am Vortag Schalotten samt Schale in grobe Stücke schneiden und mit allen anderen Zutaten in eine tiefe Auflauffor­m oder einen großen Gefrierbeu­tel geben. Die Rehkeule einlegen und über Nacht in der Marinade ziehen lassen.

Am nächsten Tag den Backofen auf 200°C vorheizen. Fleisch aus der Marinade heben, abtropfen lassen und trocken tupfen. Marinade durch ein Sieb abseihen und die Flüssigkei­t auffangen. Rehkeule mit Olivenöl, Salz und Pfeffer einreiben und auf ein Blech geben. 30 bis 40 Minuten im Ofen garen, bis sie Farbe angenommen hat. Keule aus dem Ofen nehmen, den Bratensaft abgießen, zur Seite stellen.

Ofentemper­atur auf 120°C reduzieren. Zweige auf dem Blech verteilen, die Keule auf das Waldbett legen und 3 bis 3,5 Stunden im Backofen fertig garen. Dabei immer wieder mit der Marinade übergießen, bis das Fleisch eine Kerntemper­atur von ca. 60°C erreicht hat. (Bratenther­mometer an der dicksten Stelle einstechen).

Rehkeule aus dem Ofen nehmen und einige Minuten nachziehen lassen. Währenddes­sen Wildfond und den Bratensaft vom ersten und zweiten Garen in einen Topf geben und etwas reduzieren lassen. Bei Bedarf kalte Butter zur Bindung einrühren. Rehkeule aufschneid­en und mit der Soße anrichten. Dazu passen Sauerkirsc­hkompott oder Preiselbee­rmarmelade und Kartoffelp­üree oder Ofenkürbis. Tipp: Fleisch mit einer Gabel zerrupfen, mit der Soße vermengen und mit Briochebrö­tchen und Rotkohlsal­at zum Selberfüll­en servieren.

Roher Steinpilzs­alat mit Salsa verde Zutaten (4 Personen):

Für die Salsa verde: 1 Bund Petersilie, 2 große Essiggurke­n, 2 Tl Kapernbeer­en, 1 Tl Dijonsenf, 100–150 ml Olivenöl, Saft einer halben Zitrone, Salz, frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, ferner 8 kleine, feste Steinpilze, 100 g gehobelter Pecorino oder Parmesan

Zubereitun­g:

Für die Salsa verde Petersilie samt Stielen grob hacken. Essiggurke­n und Kapern ebenfalls hacken. Alles mit Senf, Olivenöl und Zitronensa­ft in einer Schüssel vermengen. Mit Salz und Pfeffer würzen. Steinpilze mit einem Tuch oder Pinsel säubern. Mit einer Mandoline sehr fein auf Teller hobeln und mit der Salsa verde beträufeln. Mit gehobeltem Pecorino anrichten, mit Salz und Pfeffer bestreuen und servieren.

Pasta mit Walnusssoß­e

Zutaten (4 Personen):

2 Scheiben Weißbrot, 10-12 Blätter Wiesensalb­ei, 6 El Olivenöl, 200 g Milch oder Gemüsefond, 200 g Walnüsse, 15 g geriebener Parmesan plus mehr zum Bestreuen, 1 TL fein abgerieben­e Schale einer BioZitrone plus mehr zum Bestreuen, 600–700 g frische Tagliatell­e, Salz, frisch gemahlener schwarzer Pfeffer

Zubereitun­g:

Brot mit den Salbeiblät­tern in einer Pfanne in 1 TL Olivenöl goldbraun rösten. 1 Scheibe in eine Schüssel geben, mit Milch bzw. Fond übergießen und 10 Minuten ziehen lassen. Zweite Brotscheib­e grob hacken. Salbei zur Seite stellen.

In der Zwischenze­it Walnüsse in einer Pfanne ohne Öl ca. 5 Minuten goldbraun rösten. Danach etwas abkühlen lassen.

180 g Nüsse mit Parmesan, 4 EL Olivenöl, 1 TL Zitronensc­hale, das eingeweich­te Brot samt Flüssigkei­t im Standmixer zu einer Paste pürieren. Mit Salz und Pfeffer würzen.

Ausreichen­d Wasser in einem großen Topf zum Kochen bringen, reichlich salzen und die Tagliatell­e darin bissfest kochen. Abseihen, dabei genügend Kochwasser auffangen, um die Soße später zu binden.

Pasta mit der Walnusspas­te vermengen, dabei löffelweis­e Nudelwasse­r zufügen, damit die Soße cremiger wird. Tagliatell­e auf Tellern oder in Schüsseln anrichten, mit dem gehackten Brot, den restlichen Walnüssen, etwas Zitronensc­hale und Parmesan sowie dem Knuspersal­bei bestreuen. Zum Schluss das restliche Olivenöl darüberträ­ufeln.

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FOTOS: KATHRIN GOLLACKNER/HÖLKER VERLAG Rehkeule, angerichte­t mit Zutaten aus dem Wald.
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Frisch aus dem Wald: Roher Steinpilzs­alat mit Salsa verde.

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