Rheinische Post Duisburg

Reizwort und Kopfstände

- VON ELENA ZELLE

Plötzlich war sie da: DIE Idee. So stellen sich viele Leute Kreativitä­t vor – ganz so einfach ist es aber nicht. Gerade im Homeoffice tun sich viele schwer. Doch es gibt Abhilfe, berichten zwei Experten.

Homeoffice steht nach wie vor für viele täglich oder zumindest wochenweis­e im Kalender. Inzwischen haben sich die meisten wahrschein­lich gut eingegroov­t. Aber das bringt auch Probleme mit sich: Wer wochenlang in seinem eigenen Süppchen kocht, hat irgendwann keine Ideen mehr. Stattdesse­n braucht es Meetings, Brainstorm­ing und vielleicht ein gemeinsame­s Feierabend­bier, um kreative Ideen zu entwickeln. Oder? Experten erklären, wie Kreativitä­t entsteht, wie man im Homeoffice kreativ arbeiten kann und was bei einer Blockade zu tun ist.

Mit dem Begriff Kreativitä­t ist die Fähigkeit gemeint, etwas Neues und Brauchbare­s zu schaffen, wie Prof. Rainer Holm-Hadulla erklärt. Er ist Kreativitä­tsforscher und Berater an der Universitä­t Heidelberg.

Klare Strukturen für die Fantasie und Brauchbare­s schaffen Grundsätzl­ich sei Kreativitä­t etwas sehr Individuel­les, aber dennoch haben die meisten Menschen etwas gemeinsam: „Alle brauchen klare Strukturen, um innerhalb dieses Rahmens frei fantasiere­n zu können“, weiß Holm-Hadulla. „Nicht umsonst haben alle bedeutende­n Künstler, Wissenscha­ftler und politisch Aktive feste Arbeitsrit­uale.“Kreativitä­t ist also nicht unbedingt etwas, das einen plötzlich überfällt. Laut Holm-Hadulla ist Kreativitä­t vielmehr ein Prozess, der aus fünf Phasen besteht:

Die erste Phase ist die Vorbereitu­ng, sie dient dem Wissenserw­erb (tmn) Wenn man im Urlaub krank wird, ist das oft besonders ärgerlich. Von Erholung ist dann nicht mehr viel zu spüren. Aber muss man den Urlaub so leicht aufgeben? Nein, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht in Köln. Wer im Urlaub krank wird, bekommt diese Tage vom Arbeitgebe­r gutgeschri­eben. Dafür müssen Beschäftig­te eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng vorlegen. Grundsätzl­ich gilt zwar: „Ist der Urlaub festgelegt, dann liegt alles, was den Urlaub stört, in der persönlich­en Risikosphä­re des Arbeitnehm­ers“, führt Oberthür aus. Etwa, wenn das eigene Kind krank wird oder ein Vulkanausb­ruch die Reise verhindert.

(tmn) Eine duale Berufsausb­ildung lässt sich auch in Teilzeit absolviere­n. Das erklärt die Bundesagen­tur für Arbeit auf ihrem Portal „Planet-Beruf“. Auszubilde­nde brauchen allerdings die Zustimmung ihres Betriebs. Die tägliche oder wöchentlic­he Arbeitszei­t kann den Infos zufolge um maximal 50 Prozent reduziert werden. Abhängig davon, auf wie viele Arbeitsstu­nden man sich mit dem Betrieb einigt, verlängert sich die Gesamtdaue­r bis zum Abschluss der Ausbildung. Es gibt aber eine Maximalgre­nze: Eine Ausbildung in Teilzeit darf laut Planet-Beruf höchstens eineinhalb mal so viel Zeit in Anspruch nehmen

aus dem Bereich, in dem man kreativ werden möchte. Danach folgt die Inkubation – eine Phase der Ruhe, in der das erworbene Wissen sortiert wird und sich setzen kann. Dann folgt im Idealfall die Illuminati­on – der Aha-Moment. „Diese Phase wird in aller Regel überschätz­t“, sagt Holm-Hadulla.

Phase vier, die Realisieru­ng, ist meist die anstrengen­dste und verlangt Widerstand­sfähigkeit. Am Ende steht die Verifikati­on, also die Überprüfun­g, wie das Ergebnis auf andere wirkt.

Was bedeutet das nun für kreatives Arbeiten im Homeoffice? Grundsätzl­ich ist Kreativitä­t auch von zu Hause aus möglich. Aber: „Kreativitä­t entsteht nicht im luftleeren Raum“, weiß Psychologi­n und Coach Cordula Nussbaum. „Um kreativ zu sein, brauchen wir Impulse von außen.“Wie diese Impulse aussehen sollten, hängt vom Typ ab. Extroverti­erte Menschen haben es im Homeoffice schwerer, denn: „Sie haben Ideen beim Reden, für sie ist der Austausch mit anderen wichtig.“Aber auch das ist im Homeoffice möglich: via Telefon oder Videokonfe­renz.

Für eher introverti­erte Menschen kann die Arbeit von zu Hause aus gut funktionie­ren. Denn sie kommen auf gute Ideen, indem sie in Gedanken schwelgen. Die Impulse kommen von Dingen aus ihrer Umgebung.

Mit der Reizgegens­tand-Methode die Ideenfabri­k ankurbeln Bei manchen Menschen läuft das unterbewus­st, andere können sich die sogenannte Reizgegens­tand-Methode zunutze wie die in der Ausbildung­sordnung festgelegt­e Dauer für die Vollzeitau­sbildung. Die Vergütung kann der Betrieb anteilig verkürzen.

(tmn) Auch wenn ein Arbeitnehm­er ins Ausland entsendet wurde, kann ein Arbeitsunf­all vorliegen. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehm­er für die Tätigkeit im Ausland freigestel­lt wurde. Auf ein entspreche­ndes Urteil des Hessischen Landessozi­algerichts (AZ: L 3 U 105/16 ZVW) verweist die Arbeitsgem­einschaft Sozialrech­t im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). Es müsse aber eine Beschäftig­ung beim Arbeitgebe­r vor und nach der Entsendung bestehen. Mit dem Urteil wurde ein Unfall eines Tierpflege­rs als Arbeitsunf­all anerkannt. Der bei einem deutschen Zoo beschäftig­te Mann wurde für ein Projekt eines vietnamesi­schen Nationalpa­rks freigestel­lt. Während einer Exkursion hatte der Mann einen Unfall. Die Unfallkass­e lehnte die Anerkennun­g als Arbeitsunf­all ab. Der Pfleger klagte und verwies darauf, dass der Zoo seine Tätigkeit in Vietnam bezahlt habe. Das Landessozi­algericht gab dem Mann Recht. Aus den Umständen ergebe sich ein hinreichen­d intensives Beschäftig­ungsverhäl­tnis des Pflegers bei dem deutschen Zoo – auch während seines Aufenthalt­s in Vietnam. machen. Bei dieser Kreativitä­tstechnik nimmt man sich einen Gegenstand, der auf den ersten Blick nichts mit der Aufgabe

zu tun hat und überlegt, was beide Dinge doch miteinande­r zu tun haben könnten – über die Gemeinsamk­eiten entstehen ganz neue Ideen, weiß Nussbaum. „Die abgespeckt­e Variante ist die Reizwort-Methode: statt eines Gegenstand­es sucht man sich ein Wort.“

Eine andere Technik, um die Kreativitä­t in Schwung zu bringen, ist die Kopfstandt­echnik: Bei dieser Technik überlegt man sich, wie man genau das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich möchte, wie Nussbaum erklärt. Zum Beispiel das Thema Briefwahl: Eigentlich sollten in Corona-Zeiten möglichst viele Menschen per Brief wählen, nun überlegt man sich also, was man tun kann, um das zu verhindern: Jede Stimmabgab­e kostet zum Beispiel zehn Euro Porto und der Stimmzette­l kann nur um Mitternach­t eingeworfe­n werden. Hat man genug gesammelt, wird all das zurückgedr­eht.

Eines aber steht fest, da können die Techniken noch so gut sein: „Wer wochenlang alleine in seinem Zimmerchen sitzt, auf ein leeres Dokument starrt und wartet, dass einen die Muse küsst, der hat definitiv keine Ideen“, sagt Nussbaum. Wichtig im kreativen Prozess ist auch das Zeitmanage­ment. Viele glauben, sie seien nur unter Druck richtig kreativ. Das treffe allerdings nur auf die wenigsten Menschen zu. Sie rät daher, den Druck bewusst rauszunehm­en. „Man sollte sich Luft lassen, um Impulse zu sammeln und nicht alles auf den letzten Drücker anfassen.“

Die besten Ideen kommen beim Abwasch? Das helfe auch bei Blockaden. Nussbaum rät, in Momenten, in denen nichts mehr geht, erst einmal die Situation zu unterbrech­en und Stress abzubauen. „Wer gerne joggen geht, läuft eine schnelle Runde.“Manchen helfe Meditation, andere entspannen Routinetät­igkeiten wie Abwaschen oder Putzen. Dann rät sie, im Falle einer Blockade bewusst mit Kreativitä­tstechnike­n zu arbeiten – die Lieblingst­echnik heraussuch­en und ausprobier­en, was geht.

Ebenfalls hilfreich: der Austausch mit anderen. Man könne eine Freundin oder die Lieblingsk­ollegin anrufen und nach Ideen fragen. „Die Idee des anderen zündet bei uns oft ein Feuerwerk.“

RECHT & ARBEIT

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FOTO: GIORGIO FOCHESATO/WESTEND61/DPA-TMN Keine neuen Ideen? Mit einem Reizwort oder Reizgegens­tand kann man der Kreativitä­t im Homeoffice auf die Sprünge helfen.
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FOTO: DPA-TMN Cordula Nussbaum ist Psychologi­n und Coach.
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FOTO: DPA-TMN Prof. Rainer Holm-Hadulla ist Kreativitä­tsforscher.

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