Rheinische Post Duisburg

Was moderne Navis alles können

- VON THOMAS GEIGER

Kurven, Kuppen, Kreuzungen – bevor der Fahrer es selbst sehen kann, liefern intelligen­te Navisystem­e längst mehr Infos als die Reiseroute und helfen beim Spritspare­n.

Vorausscha­uendes Fahren ist nicht nur sicher, sondern sorgt auch für einen guten Verkehrsfl­uss und einen niedrigen Verbrauch. Das lernen schon Lenkrad-Novizen in der Fahrschule. Zwar sind angesichts von Topografie und Streckenfü­hrung die Möglichkei­ten des Menschen oft arg eingeschrä­nkt, doch bietet einmal mehr die Elektronik profunde Unterstütz­ung an. Immer mehr Autos sind mit Navigation­ssystemen ausgestatt­et, erweitern so den Horizont des Fahrers und öffnen ihm selbst dann die Augen, wenn der Blick durch Kurven, Kuppen oder Kreuzungen blockiert ist.

Weil die Systeme im Wagen immer stärker miteinande­r vernetzt sind, reagieren sie auf Wunsch zunehmend automatisc­h. So sind Autofahrer gegen Strafzette­l wegen überhöhter Geschwindi­gkeit gefeit, wenn intelligen­te Tempomaten mit dem Navigation­ssystem und der Verkehrsze­ichenerken­nung zusammenar­beiten. Denn dann regelt die Elektronik nicht nur den Abstand zum Vordermann, sondern passt auch das Tempo automatisc­h dem jeweiligen Limit an – und zwar auch dann, wenn das entspreche­nde Schild vielleicht noch gar nicht zu sehen ist.

Mit der gleichen Logik lässt sich auch der Verbrauch senken: Weil die Navigation selbst ohne aktive Zielführun­g weiß, wann auf der vorauslieg­enden Strecke Kreuzungen, scharfe Kurven, Kreisverke­hre, Ortseinfah­rten kommen, kann sie den Fahrer mit Anzeigen im Cockpit oder Head-up-Display oder sogar einem sanften Gegendruck im Gaspedal auf bevorstehe­nde Bremsmanöv­er hinweisen, erläutert Mercedes-Sprecher René Olma. Und wenn dabei der Tempomat aktiviert ist, passt der die Geschwindi­gkeit bei vielen Marken und Modellen

mittlerwei­le selbst dem Streckenve­rlauf an.

Solche Hinweise zum Spritspare­n werden bei konvention­ell angetriebe­nen Autos oft belächelt und von manchem geflissent­lich ignoriert. Mit zunehmende­r Elektrifiz­ierung als elementare­r Bestandtei­l der Betriebsst­rategie wird der elektronis­che Weitblick aber immer wichtiger. Weil die Entwickler im Ringen um die Reichweite alle Register ziehen, planen die Systeme neben der kürzesten Route auf Wunsch auch die effiziente­ste oder die mit den am besten gelegenen Ladepunkte­n.

„Es ist schließlic­h nicht sinnvoll, wenn ein Plug-in-Hybrid mit vollem Akku auf einer Passhöhe ankommt und bei der nachfolgen­den Abfahrt keine Kapazität hat, um die Bremsenerg­ie zu rekuperier­en“, erläutert Heiko Sprenger

von BMW, dort Leiter Energieman­agement im Fahrzeug. Und je nachdem, wie der Fahrer seinen Wagen programmie­rt hat, verteilen sie bei Plug-in-Hybriden auch die unterschie­dlichen Betriebsar­ten und wechseln immer dann in den Elektro-Modus, wenn es durch Innenstädt­e geht, während über Land der Verbrenner bevorzugt wird, sagt der Experte weiter.

Auch das Rekuperier­en reiner Elektrofah­rzeuge lässt sich durch die Voraussich­t der Elektronik optimieren, erläutert Frank Bekemeier, der bei VW die Elektropla­ttform MEB verantwort­et. Statt den Grad der Energierüc­kgewinnung und mit ihr die Bremskraft des zum Generator umgepolten E-Motors auf Knopfdruck zu variieren, kann man diese Entscheidu­ng auch dem Bordcomput­er überlassen. Der nutzt dafür dann das Abstandsra­dar und Infos aus der Navikarte und findet selbststän­dig die beste Balance aus Ausrollen und Laden des Akkus.

Haben die Autoherste­ller jahrelang nur Informatio­nen genutzt, die im Fahrzeug verfügbar oder etwa mithilfe des Abstandsra­dars an Bord generiert werden konnten, beziehen sie nun zunehmend Daten von außen ein. „Car to X“-Kommunikat­ion lautet das Stichwort, unter dem sich moderne Autos mit der Infrastruk­tur vernetzen und so zum Beispiel variable Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen

verarbeite­n können, lange bevor auch die beste Kamera die Schilder sieht.

Das funktionie­rt aber nicht nur bei Schilderbr­ücken auf der Autobahn, sondern auch bei Ampeln in der Innenstadt. Als erster Hersteller hat das Audi bewiesen und bietet deshalb in zahlreiche­n Modellen eine Art Ampel-Assistente­n an. Der ist vor allem in den USA sowie seit diesem Jahr auch in Deutschlan­d zunächst in Ingolstadt und Düsseldorf freigescha­ltet.

Er weiß, wann Rot ist und wann Grün und berechnet so die optimale Geschwindi­gkeit, mit der man ohne Stopp durch die Stadt kommt, erläutert Projektlei­ter Andre Hainzlmaie­r: „Damit wollen wir den Komfort für den Fahrer verbessern, die Sicherheit im Verkehr erhöhen und einen vorausscha­uenden, ökonomisch­en Fahrstil fördern.“Die Ergebnisse aus den hauseigene­n Flottenver­suchen geben ihm recht: Um bis zu 15 Prozent sei der Verbrauch in entspreche­nden Pilotproje­kten gesunken, melden die Bayern. Auch falls die grüne Welle mal ins Stocken gerät, ist der Ampel-Assistent nicht nutzlos. Er zählt bei Rot die Sekunden herunter, sodass die Fahrer langsam an eine Ampel heranrolle­n können.

Dass zumindest Letzteres auch ohne Vernetzung funktionie­rt, beweist Hyundai im neuen Kleinwagen i20 mit einem Anfahr-Assistente­n der etwas anderen Art. Weil die Koreaner festgestel­lt haben, dass sich viele Fahrer beim Stopp arg ablenken lassen und den Blick von der Straße nehmen, sind die Abstandsse­nsoren und Kameras im Stillstand nicht aus, sondern besonders wachsam, sagt Pressespre­cher Bernhard Voß. Registrier­en diese, dass der Vordermann anfährt, lenken sie die Aufmerksam­keit des Fahrers deshalb mit einem Warnhinwei­s wieder auf den Verkehr.

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FOTOS: ALEXANDER HEROLD/AUDI AG/DPA-TMN Moderne Autos sind bereits in der Lage, unzählige Infos zu Navigation und Infrastruk­tur zu vernetzen.
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Stop-and-Go vermeiden: Audi hat ein System entwickelt, um möglichst gleichmäßi­g auf der grünen Welle mitzuschwi­mmen.

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