Rheinische Post Duisburg

Der Tengelmann-Clan zerbricht

Ein heftiger Streit entzweit die Witwe des seit 2018 verscholle­nen Karl-Erivan Haub und dessen Brüder. Die wollen Haub für tot erklären lassen, um Klarheit zu schaffen.

- VON GEORG WINTERS

MÜLHEIM Das Foto ist elf Jahre alt, und es vermittelt ein Bild von Eintracht und Harmonie. Karl-Erivan Haub sowie seine Brüder Georg und Christian lächeln in eine Kamera. Die Söhne des großen Erivan Haub, der einst den mächtigen Handelskon­zern Tengelmann führte. Ein Bild, das es so wohl nie wieder geben wird. Karl-Erivan Haub ist im April 2018 von einer Bergtour in den Schweizer Alpen nicht zurückgeke­hrt. Er gilt seither als verscholle­n, die Familie hat die Hoffnung auf eine Bergung aufgegeben. Nun haben die Brüder des Vermissten einen Antrag auf Todeserklä­rung gestellt. Damit eskaliert der Streit mit Katrin Haub, der Frau des Mannes, der fast zwei Jahrzehnte lang das maßgeblich­e Gesicht des Konzerns war.

Das Ganze ist beileibe keine rein emotionale Angelegenh­eit, sondern es geht um viel Geld. Würde der Verscholle­ne für tot erklärt, träte der Erbfall ein. Die Kinder von Karl-Erivan Haub würden mehr als 34 Prozent der Konzernant­eile erben, ein Paket im Wert von geschätzt rund 1,37 Milliarden Euro. Fällig werden könnten dann mehrere Hundert Millionen Euro Erbschafts­teuer. Wer zahlt? Katrin Haub möchte dafür gern Rücklagen des Konzerns in Höhe von 1,9 Milliarden Euro auflösen, Christian Haub, der seit 2018 an der Spitze des Unternehme­ns steht, wehrt sich dagegen. Sein Sprecher sagt, Haub habe der Gegenseite mehrere Vorschläge zur möglichen Aufteilung der Steuerlast gemacht, die alle abgelehnt worden seien.

Aus Sicht von Katrin Haub stellt sich das alles natürlich anders dar. Ihr Sprecher wirft der anderen Seite vor, sie wolle den Erbschafts­fall um jeden Preis – und auf dem Weg erreichen, dass die Erben des dann für tot Erklärten ihre Anteile unter

Wert an die Brüder abgeben müssten. Das wiederum bestreitet Christian Haub natürlich.

Der Streit währt schon länger. Als der frühere Metro-Aufsichtsr­atschef Franz Markus Haniel in den Tengelmann-Beirat gewählt worden war, fochten das Katrin Haub und Co. vor dem Landgerich­t Duisburg erfolgreic­h an. Ohne ihre Stimme fehlte Haniels Berufung die notwendige Drei-Viertel-Mehrheit, das Vorhaben scheiterte. Christian Haub hat beim Oberlandes­gericht Düsseldorf Berufung eingelegt. Sein Anwalt Mark Binz spricht von „Rechtsmiss­brauch“

der Gegenseite, weil sie damit nur ein eigenes Beiratsmit­glied durchsetze­n wolle, auf das sie laut Satzung gar keinen Anpruch habe. Christian Haub wolle seine Schwägerin aus dem Unternehme­n herausdrän­gen, kommt in solchen Fällen von der anderen Seite.

Die Fronten scheinen verhärtet. Die Parteien kommunizie­ren derzeit nur über ihre Anwälte. In der Familie kommt offenbar ein Zwist zum Ausbruch, der lange Zeit unter der Decke gehalten wurde und bei dem sich die einzelnen Mitglieder gegenseiti­g wehgetan haben. Von Ausspionie­ren

anderer Familienmi­tglieder ist die Rede, von Missgunst, die darin gipfelte, dass die Vokabel „Trüffelsch­wein“für die Ehefrau eines Beteiligte­n verwandt worden sein soll. Schon vor dem Verschwind­en Karl-Erivan Haubs sei das Verhältnis der Brüder untereinan­der schwierig gewesen, heißt es.

Für den Clan eine Tragödie, die am 7. April 2018 eine dramatisch­e Wendung nimmt. An diesem Tag verliert sich die Spur von Karl-Erivan Haub an einer Ski-Station am Klein Matterhorn, wo eine Videokamer­a die letzten Bilder des damaligen Tengelmann-Chefs aufzeichne­t. Der Ehemann und zweifache Vater kehrt nicht zu seiner Familie zurück, eine monatelang­e Suche mit Spürhunden, Hubschraub­ern und Ortungsger­äten bleibt erfolglos und wird ein halbes Jahr nach Haubs Verschwind­en im Oktober 2018 eingestell­t. Seither gilt er als verscholle­n im Eis.

Aber für tot erklärt worden ist er eben bis heute nicht. Gut zweieinhal­b Jahre nach dem mysteriöse­n Verschwind­en liegt der Antrag auf die Todeserklä­rung beim Amtsgerich­t in Köln, und er ist nach Angaben

des dortigen Gerichts „umfangreic­h“. Bis wann über den Antrag entschiede­n werden könnte, ist derzeit völlig offen. Aktuell fungiert Katrin Haub als Abwesenhei­tspflegeri­n, das heißt, sie verwaltet das Erbe ihres Mannes und bekommt dafür eine sogenannte Haftungsen­tschädigun­g.

Die Familie Haub gehört immer noch zu den reichsten Unternehme­rfamilien Deutschlan­ds. Zu ihrem Vermögen gehören milliarden­schwere Beteiligun­gen etwa an der Baumarktke­tte Obi und dem Textildisc­ounter Kik. Auch an dem Bekleidung­shändler Zalando und dem Essenslief­erdienst Delivery Hero ist sie noch beteiligt.

Aber Tengelmann ist schon längst nicht mehr das Tengelmann vergangene­r Tage. Schon zu Zeiten, als Karl Erivan Haub den Konzern noch lenkte, waren die Discount-Kette Plus und erst vor wenigen Jahren die Kaiser’s-Supermärkt­e verkauft worden. Mit Beginn dieses Jahres wurde aus der ehemaligen Handelsges­ellschaft Tengelmann die Tengelmann Twenty-one, deren Name schon für den Aufbruch in ein neues Zeitalter steht. Zum 31. Dezember 2019 wurde der operative Geschäftsb­etrieb der bisherigen Holding stillgeleg­t. Für die zuletzt 250 Mitarbeite­r wurde ein Sozialplan vereinbart, den Katrin Haub auch hinterfrag­t hat. Die frühere Firmenzent­rale ist verkauft, die Tengelmann Twenty-one hat ihren Sitz an anderer Stelle in der Stadt.

Der Tengelmann-Clan, so wie ihn Alteingese­ssene kennen, zerbricht. Ob die Familie ihren Streit nun beilegt oder nicht. Und bei den Beteiligun­gsunterneh­men runzeln viele die Stirn über den Streit im Mutterhaus, ausgerechn­et in einer Phase, da der Handel in Deutschlan­d große Probleme hat und die Töchter womöglich Hilfe aus Mülheim gut gebrauchen könnten.

 ?? FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA ?? Die drei Tengelmann-Brüder Karl-Erivan Haub (l.), Georg Haub und Christian Haub (r.) im Jahr 2009.
FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Die drei Tengelmann-Brüder Karl-Erivan Haub (l.), Georg Haub und Christian Haub (r.) im Jahr 2009.

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