Spiel mit Widersprüchen
Der 36-jährige Düsseldorfer Akademie-Absolvent Daniel Schubert malt seine Bilder in der Ruhe eines Walddorfs am Niederrhein. Wer seine Werke im Atelier betrachtet, glaubt das zu spüren.
DÜSSELDORF Eine halbe Autostunde von Düsseldorf entfernt zeigt die Welt ein anderes Gesicht. Kein Lärm stört die Idylle eines Walddorfs am Niederrhein. Wer Ruhe sucht, findet sie dort. Daniel Schubert, 36-jähriger Maler und Absolvent der Düsseldorfer Akademie, fährt regelmäßig zu seinem Arbeitsplatz nahe der niederländischen Grenze, schöpft dort für seine Bilder aus seinem Inneren und zugleich aus dem Reichtum der Natur.
Ruhe ist nicht nur die Voraussetzung seiner Arbeit, sie steckt auch in den Bildern und teilt sich im besten Falle den Betrachtern mit. Viele Käufer seiner nur vage an die sichtbare Wirklichkeit angelehnten Werke, das weiß Schubert aus Gesprächen, schätzen gerade diese Ruhe, die aus den Werken spricht, und die Einladung zum stillen Zwiegespräch auch über Widersprüche. „Alles, was man zum Betrachten meiner Bilder braucht, ist eine anfängliche Offenheit ihnen gegenüber, etwas Zeit, Ruhe und Achtsamkeit“, sagt er. Dann wird man sich auf diese scheinbar gegenstandslose Kunst zwischen Concept Art und Monochromie einen Reim machen können.
Vor den neuen Bildern im Atelier schildert Daniel Schubert seinen geraden Weg zur Kunst. Schon als Schüler hatte er für Malerei Feuer gefangen, nach dem Abitur führte eine Bewerbung an der Düsseldorfer Akademie sofort zum Erfolg und zu zwei Lehrern, bei denen er „sich fand“, wie er es ausdrückt: dem eher freien, gestisch malenden Herbert Brandl und dem im vorigen Jahr gestorbenen, figürlichen Eberhard Havekost.
Kurioserweise hatte er bei Brandl gegenständlich gemalt, danach hatte er sich bei Havekost vom Gegenstand entfernt. Als Havekost ihm den unpublizierten ungegenständlichen Teil seiner Arbeiten offenbarte und den Weg dafür ebnete, dass beide fortan vom selben Galeristen vertreten wurden, fühlte sich Schubert weiterhin gut aufgehoben. Die Galerie Gebrüder Lehmann in Dresden kümmert sich seitdem ebenso um den Verkauf seiner Bilder wie der Händler Gerhard Hofland in Amsterdam.
Als Schubert 2012 von Havekost den Meisterbrief entgegennahm, hatte er bereits die Welt gesehen und in anderen Ländern künstlerisch gearbeitet, hatte ein Stipendium der Cité internationale des Arts in Paris bekommen und stand kurz vor der Auszeichnung mit einem Stipendium des Kunstfonds Bonn. Schon damals lebte er von der Malerei. Früh stellte er in Metropolen wie Wien, Amsterdam, Berlin und Düsseldorf aus. Rückblickend findet er: „Es war für mich ein weicher Absprung, ein glücklicher Abgang von der Akademie.“An seinem Wohnort Oberbilk schätzt er das Großstadt-Flair und den multikulturellen Charakter des Stadtteils, an seinem Walddorf das
Gegenteil. Beide Quellen, der Trubel und die stille Natur, münden in seine Kunst.
Blickt man auf die Bilder, die zurzeit in seinem Atelier nebeneinander an den Wänden hängen und lehnen, könnte man glauben, man habe es mit drei, vier verschiedenen Künstlern zu tun. Da gibt es eine monochrome Arbeit auf Nesselstoff, durch den das dahinterliegende Kreuz des Rahmens durchscheint, wobei der Stoff im unteren Teil des Bildes verdunkelt ist. Man kann daraus einen landschaftlichen oder architektonischen Bezug lesen, doch der Künstler will seine Bilder offen halten: „Bilder haben immer etwas Mysteriöses.“Mit Schönheit habe die Arbeit auf Nesselstoff nichts zu tun. Eher sei sie eine Ermunterung des Betrachters, „neue Wege zu finden“.
Nahezu gegenständlich wirkt demgegenüber ein Hochformat, das im Frühling dieses Jahres entstanden ist, titellos wie fast alle Bilder Schuberts. Pflanzen und Landschaft haben dort schon allein in der Farbwahl Spuren hinterlassen. „Da stecken viele Spaziergänge drin“, merkt der Künstler an.
Links daneben befindet sich ein Bild, das zunächst wie ein Raster wirkt, dann allerdings durch seine kunstvolle Unregelmäßigkeit doch wieder auf die Natur zu verweisen scheint. Hervorgegangen ist dieser Latex-Druck aus einer aufwändigen Bearbeitungskette, in der Luftpolsterfolie eine Rolle spielt.
In einem anderen Bild, das drei Farbbahnen vereint, spielt ebenfalls das Material der Bespannung eine herausragende Rolle: Jute. Es weckt Assoziationen an Kaffeesäcke, an Länder, die den Gegenpol zu unserem Wohlstand bilden. „Ich kann mit Widersprüchen spielen und komme dabei auf neue Ideen“, sagt Schubert. Keines seiner Bilder ist so lapidar, wie es zunächst scheinen könnte. In einem Fall liegen 15 durchscheinende Farbschichten übereinander und verleihen dem Gemälde mit seinen Schattierungen etwas Überirdisches, in einem anderen Bild hätte ein falsch gesetzter Pinselstrich die gesamte Komposition zerstört. „Ich muss da superpenibel sein“, unterstreicht Schubert, „für mich ist die Herstellung eines Bildes erst mal ein Kampf, ein totaler Stress“. Ruhe und Achtsamkeit stehen für ihn am Anfang, dann folgt der Kampf, und erst am Ende kann er die Ruhe genießen, die sein eigenes Bild auf ihn und andere Betrachter verströmt und alle zu sich selbst finden lässt.
Wohin die Reise geht, darüber vermag Daniel Schubert nichts zu sagen, allenfalls etwas Allgemeines: „Ich bewege mich weiter, möchte nicht still stehen.“Er könnte sich vorstellen, irgendwann auch Skulpturen und Objekte zu machen – in aller Ruhe, wie es seine Art ist.