Sie haben den Ernst der Lage nicht erkannt
Nicht ganz zufrieden“ist Angela Merkel mit den in vielstündigem Ringen im Kanzleramt erreichten Beschlüssen. Ja, die Ministerpräsidenten haben an den Auflagen gedreht. Es kommen ein Sperrstunden-Automatismus, zusätzliche Auflagen für private Treffen und eine ausgedehnte Maskenpflicht, wo das Infektionsgeschehen in riskante Dimensionen geht. Hoffentlich haben die Zusagen, das nun berechenbar bundesweit zu regeln, eine längere Halbwertzeit als zurückliegende Schwüre für mehr Einheitlichkeit. Jeder Bürger sollte wissen, was auf ihn in seiner Umgebung zukommt, wenn die Schwellenwerte von 35 und 50 Neuinfizierten binnen sieben Tagen je 100.000 Einwohner überschritten werden – unabhängig vom jeweiligen Bundesland.
Doch Merkel wollte mehr.Weil es bei der 50er-Schwelle eigentlich schon zu spät ist, um schnell die Zahlen herunterzubekommen. Weil dann schon der Punkt erreicht ist, an dem es schwer wird, die Infektionsketten noch nachzuverfolgen. Das Beispiel Berlin zeigt es. Es dauerte nur Tage, bis die ersten Bezirke vom 50erWert auf den 100er-Wert kamen. Und eine Eindämmung ist derzeit nicht wahrzunehmen.
Die während der Konferenz von Bund und Ländern eintreffenden Nachrichten über den Notstand in Frankreich, über den Kurs Richtung Lockdown auch in anderen Ländern und den weiteren Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland hätten mehr Entschlossenheit nahegelegt. Aber die Ministerpräsidenten schafften es nicht einmal, ihren Streit über das Beherbergungsverbot beizulegen, obwohl es gerade Hunderttausende gesunde Familien zwingt, die Tests in Anspruch zu nehmen, die eigentlich andere Bevölkerungsgruppen brauchen. Um Wochen vertagt statt entschieden. Diese Runde der Verantwortlichen hat offenbar den Ernst der Lage nicht erkannt.
BERICHT SPERRSTUNDE AB 23 UHR IN RISIKOGEBIETEN, TITELSEITE