Kom(m)ödchen vor dem Aus
Theaterchef Kay Lorentz sieht in der neuen Corona-Verordnung den Todesstoß.
DÜSSELDORF An der Eingangstüre zum Kom(m)ödchen hängt die Ankündigung, dass wegen der neuen Corona-Verordnung das Haus bis zum 31. Oktober geschlossen bleiben muss. Eine ziemlich behutsame Formulierung ist das. Denn drinnen wählt Theaterchef Kay Lorentz andere Worte: „Wenn es bei der verordneten Platzausnutzung von 20 Prozent bleibt, ist das der Todesstoß fürs Kom(m)ödchen. Dann machen wir den Laden dicht.“
Das wäre also das Ende der großen, politischen Kabarettbühne, 1947 von Kay und Lore Lorentz gegründet, die seit 1992 von ihrem Sohn Kay Lorentz bis heute weitergeführt wird. Leute wie Ernst Hilbich, Thomas Freitag, Harald Schmidt, Jochen Busse und Christian Ehring gehörten dem Ensemble an, jetzt sorgen Maike Kühl, Daniel Graf, Martin Maier-Bode und Heiko Seidel für eine volle Bude. Die Auslastung des Hauses mit Programmen wie „Irgendwas mit Menschen“und „Quickies – Schnelle Nummern zur Lage der Nation“lag bei 98 Prozent. Bis das Virus kam und alles anders wurde.
Nach den ersten Hygieneschutz-Verordnungen durften immerhin noch 168 Zuschauer ins Haus mitten in der Altstadt, das Kom(m)ödchen stellte aber ein eigenes und strengeres Hygienekonzept auf – mit nur 105 Plätzen. Sicherheit war ihnen wichtig, natürlich auch das Vertrauen der Zuschauer. Das war zum Überleben zwar ein bisschen zu wenig, aber doch zum
Sterben zu viel, zumal das Ensemble auch Doppelvorführungen leistete.
Jetzt aber dürften nur noch 40 Zuschauer rein. „20 Prozent sind kein Hygienekonzept, sondern Willkür“, sagt Maier-Bode. Und für Stücke-Autor Dietmar Jacobs ist die neue Verordnung praktisch ein Berufsverbot. Mit dem Unterschied: „Aber wir sind doch nicht gefährlich!“Ein neues Foto zeigt das vierköpfige Ensemble dementsprechend mit Corona-Masken – als Maulkorb vor dem Mund. Die Kabarettisten sehen sich mehr und mehr als ein „politisches Bauernopfer“, das eben dort gesucht werde, wo es den geringsten Widerstand zu geben scheint: nämlich in der Kultur. Die aber ist nach den Worten von Jacobs der Mörtel der Gesellschaft – nicht auch, sondern gerade in Krisenzeiten wie der aktuellen. Denn wer lacht, nimmt immer ein bisschen Abstand zum Alltag. Und auch das ist lebenswichtig: „Wir sind doch nicht nur eine Angstgesellschaft“, sagt Jacobs.
Als Kay Lorentz vor 28 Jahren das Kom(m)ödchen in – wie er sagt – wirtschaftlich schweren Zeiten übernahm, verspürte er einen „großen Kampfgeist“. Der sei jetzt wieder erwacht, wenn auch der Kontrahent diesmal weitaus schwieriger zu fassen ist: das Virus auf der einen Seite und die Kulturpolitik auf der anderen Seite, von der sich das Kom(m)ödchen im Stich gelassen fühlt. Dabei habe das Haus in seiner langen Geschichte noch nie Subventionen bekommen.
Und auch jetzt fordert das Theater nicht das große Geld; bloß seine Zuschauer, damit die jüngste Ankündigung an der Eingangspforte nur eine unschöne Hausmitteilung bleibt und keine Todesanzeige wird.