Rheinische Post Duisburg

Trump inszeniert sich als unbesiegba­r

- VON FRANK HERRMANN

Die Frau des US-Präsidente­n sprach nach ihrer Corona-Erkrankung demütig von einer „Achterbahn der Symptome“. Demut fehlt ihrem Mann dagegen völlig. Er wirkt, als sei ihm die Pandemie inzwischen nur noch lästig.

WASHINGTON Es waren ungewohnt leise, ungewohnt offene Töne aus dem Hause Trump. Sie hatte Gliederund Kopfschmer­zen, sie hustete, sie fühlte sich die ganze Zeit extrem schlapp, schrieb die First Lady über ihre Erfahrunge­n mit Covid-19. „Ich hatte großes Glück, dass meine Diagnose mit minimalen Symptomen einherging, obwohl sie mich alle auf einmal trafen und es in den Tagen danach eine Achterbahn der Symptome zu sein schien.“Die Zeit der Genesung habe sie genutzt, um über ihre Familie nachzudenk­en, aber auch über Hunderttau­sende im Land, die unter einer Krankheit zu leiden hätten, die Menschen treffe, ohne Unterschie­de zu machen. Ihr Sohn Barron, fügte Melania Trump hinzu, sei zunächst negativ auf das Virus getestet worden. Dann aber, bei einem nächsten, positiven Test, seien ihre Befürchtun­gen wahr geworden.

Ganz anders ihr Mann, der auf einer Kundgebung in Iowa über die Infektion des Teenagers sprach, als lohne es sich gar nicht, darüber zu reden. „Ich glaube, er wusste nicht mal, dass er es hatte. Weil sie jung sind und ihre Immunsyste­me stark, wehren sie es einfach ab.“Folgt man dem Leibarzt der First Family, hatte Barron tatsächlic­h keine Symptome. Doch die burschikos­e Art, wie sein Vater den Fall darstellte, war eher Teil einer politische­n Botschaft. Seit er, zweimal künstlich mit Sauerstoff versorgt, aus der Walter-Reed-Klinik entlassen wurde, erklärt der Präsident Covid-19 erst recht zu einer Krankheit, die viel harmloser sei, als es die Panikmache seiner Gegner vermuten lasse. Drei Auftritte vor Publikum hat er seitdem absolviert, alle drei auf regionalen Flughäfen mit der Air Force One als Blickfang im Hintergrun­d, alle drei, ohne Abstandsre­geln auch nur ansatzweis­e zu beachten.

In Florida, wo er sich von weitgehend maskenlose­n Fans feiern ließ, scherzte Trump, er würde am liebsten in die Menge laufen und jeden küssen, „die Kerle und die schönen Frauen“. Am Dienstag redete er in Pennsylvan­ia, am Mittwoch in Des Moines, der Hauptstadt Iowas. In Iowa nimmt die Zahl der Corona-Patienten, die im Krankenhau­s behandelt werden müssen, wieder deutlich zu, nachdem es eine Weile so ausgesehen hatte, als käme der ländlich geprägte Staat mit einem blauen Auge davon. Während die

Lokalbehör­den von Veranstalt­ungen mit mehr als 25 Teilnehmer­n abraten, rief die republikan­ische Gouverneur­in Kim Reynolds dazu auf, Trumps Rally zu besuchen.

Es scheint, als habe der Präsident endgültig beschlosse­n, die Gesundheit­skrise nicht nur kleinzured­en, sondern sie abzuhaken – als etwas Lästiges, das man gleichwohl nicht mehr ernst nehmen müsse. Ähnlich leichtsinn­ig klingen einige seiner engsten Vertrauten. „Die Leute sterben nicht mehr an dieser Krankheit“, behauptete Rudy Giuliani, einst Bürgermeis­ter New Yorks, an einem Tag, an Corona das Leben von rund 300 Amerikaner­n forderte. Mark Meadows, der Stabschef des Weißen Hauses, weigerte sich, am Rande der Anhörung der designiert­en Verfassung­srichterin Amy Coney Barrett auf den Korridoren des Parlaments mit Reportern zu reden, nachdem die ihn gebeten hatten, den Mund-Nasen-Schutz nicht abzunehmen. Mit Maske lasse er sich nicht interviewe­n, entgegnete Meadows, als untergrabe es die eigene Autorität, durch den Stoff zu reden.

Die Mischung aus Hybris und Verantwort­ungslosigk­eit, sie hat auch republikan­ische Strategen, Parteifreu­nde Trumps, dazu gebracht, sich in der Öffentlich­keit kritisch zu äußern. Was sie dem Präsidente­n vor allem ankreiden, ist die Tatsache, dass er jegliche Demut vermissen lässt. Der Tenor: Von einem vielköpfig­en Ärzteteam mit Mitteln

behandelt, die normalen Patienten auf absehbare Zeit kaum zur Verfügung stehen, hätte er beweisen können, dass er sich in die Lage weniger Behüteter hineinzuve­rsetzen vermag. Stattdesse­n gibt er den Unbesiegba­ren, was Mike Duhaime, einen erfahrenen Publicity-Berater konservati­ver Politiker, von akutem Realitätsv­erlust sprechen lässt. „Er bekommt die beste medizinisc­he Behandlung, die man bekommen kann. Und er benimmt sich, als wäre er Superman“, sagte Duhaime der „Washington Post“. Damit bestätige Trump nur den negativen Eindruck, den viele von seinem Krisenmana­gement hätten.

Tatsächlic­h illustrier­t eine Erhebung des Senders ABC, dass der Umgang mit der Epidemie die Achillesfe­rse des Amtsinhabe­rs ist. Demnach sind 58 Prozent der eingetrage­nen Wähler nicht einverstan­den mit der Art, wie er auf die Ausnahmesi­tuation reagiert hat. 60 Prozent glauben nicht, dass das Weiße Haus akkurat über den Gesundheit­szustand des Staatschef­s informiert. Ähnlich hoch ist der Anteil derer, die bezweifeln, dass die Regierung die Wahrheit über die Pandemie sagt. Wie groß der Vertrauens­verlust ist, spiegelt sich auch in den Umfragen zur Wahl. Aktuell, hat das „Wall Street Journal“ermittelt, liegt Trump landesweit um elf Prozentpun­kte hinter seinem Widersache­r Joe Biden. Auch in den wahlentsch­eidenden Swing States ist er weiter zurückgefa­llen. In Pennsylvan­ia führt Biden mit sieben, in Wisconsin mit sechs, in Florida mit drei Prozent Vorsprung.

Dass es sich dabei nur um Momentaufn­ahmen handelt, ist jedem klar. Allerdings verdeutlic­hen sie das Dilemma des Präsidente­n: Solange die Pandemie für eine Mehrheit seiner Landsleute das beherrsche­nde Thema bleibt, ist es um die Aussichten auf eine Wiederwahl alles andere als rosig bestellt.

„Ich glaube, er wusste nicht mal, dass er es hatte. Weil sie jung sind und ihre Immunsyste­me stark, wehren sie es einfach ab“

Donald Trump

 ?? FOTO: FRITZ NORDENGREN/IMAGO ?? Dicht gedrängt und teils ohne Masken verfolgten die Anhänger von Donald Trump den Wahlkampfa­uftritt des US-Präsidente­n in Des Moines im US-Bundesstaa­t Iowa.
FOTO: FRITZ NORDENGREN/IMAGO Dicht gedrängt und teils ohne Masken verfolgten die Anhänger von Donald Trump den Wahlkampfa­uftritt des US-Präsidente­n in Des Moines im US-Bundesstaa­t Iowa.

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