Macron orientiert sich in der Krise an Deutschland
Der französische Präsident greift zu harten Corona-Maßnahmen. Die Krankenhäuser kommen an ihre Belastungsgrenzen.
PARIS Die Wut bei Frankreichs Wirten ist riesig. „Wir sind am Ende unserer Kräfte, wir können das nicht mehr“, sagte Didier Chenet, Präsident des Hotel- und Gastroverbands GNI. Der Zorn der Gastronomen richtet sich gegen den Präsidenten Emmanuel Macron. Der hatte wegen massiv steigenden CoronaZahlen nächtliche Ausgangssperren angekündigt. Das seien Maßnahmen zur Abschreckung der Menschen, erregte sich Chenet am Donnerstag im Sender Franceinfo, aber den Preis dafür müssten die Wirte bezahlen. Deshalb verlangt der GNI-Präsident massive Hilfen vom Staat.
Die Einschränkungen treffen vor allem die Großstädte. In Paris und in den Ballungsräumen von Grenoble, Lille, Lyon, Marseille, Rouen, Saint-Etienne und Toulouse dürfen die Bürger ab diesem Wochenende das Haus zwischen 21 Uhr abends und 6 Uhr morgens nur noch in Ausnahmefällen verlassen, wie Macron im Fernsehen ankündigte. Auf Reisebeschränkungen innerhalb des Landes, wie sie in Deutschland heftigen Streit ausgelöst haben, verzichtet Frankreich dagegen. Nicht das Reisen sei das Problem, sondern die großen Ansammlungen von Menschen seien es.
Gleichzeitig versucht der Präsident Optimismus auszustrahlen: „Wir haben nicht die Kontrolle über die Epidemie verloren.“Aus diesem Grund sei es nicht sinnvoll, einen Lockdown über das ganze Land zu verhängen, wie es im Frühjahr der Fall war. „Aber wir sind in einer Phase, in der wir nun entschieden agieren müssen“, sagte Macron und fügte dann hinzu: „Wir schaffen das.“
Der Staatschef versuchte die Maßnahmen auch mit einem Hinweis auf Deutschland zu rechtfertigen. „Deutschland greift schon jetzt zu ähnlichen Maßnahmen“, sagte er unter Verweis auf die geplanten Sperrstunden für die Gastronomie in Berlin und anderen Städten – dabei seien die Infektionszahlen dort noch deutlich niedriger.
Vor allem in Paris hatte sich die Lage zuletzt massiv verschlechtert.
Die Zahl der Neuansteckungen stieg laut den Gesundheitsbehörden auf 422 pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche – mehr als das Achtfache des Warnwerts von 50, der in Berlin und anderen deutschen Städten zuletzt überschritten wurde. Bei jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren liegt die sogenannte Inzidenz sogar bei 800.
Große Besorgnis ruft hervor, dass in den Kliniken in Paris bereits fast die Hälfte der Intensivbetten mit Corona-Kranken belegt ist, bis Ende Oktober könnten es 90 Prozent sein. Frankreich ist in der Corona-Pandemie mit fast 33.000 Todesfällen nach absoluten Zahlen eines der am stärksten betroffenen Länder in Europa.