Rheinische Post Duisburg

Fiese Farce und Freudenträ­nen

Das Stück „Schlüssel für Zwei“ist die erste Spielzeit-Premiere der Komödie. Die Autoren wie auch die Schauspiel­er sind ein Glücksgrif­f.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Mami schwebt über allem. Sie raucht wie ein Schlot, süffelt flaschenwe­ise Wodka, hat Appetit wie ein Pferd. Eine Fantasiege­stalt, die für den aufwendige­n Lebensstil ihrer Tochter Harriet geradesteh­en muss. Deren Haushalt verschling­t Unmengen an Lebensmitt­eln, und auch der Alkohol verschwind­et rapide. Darüber wundern sich Harriets Liebhaber, die das alles finanziere­n. Diese unsichtbar­e Mami muss eine seltsame Person sein. Die zwei wissen ja nicht, dass sich jeweils noch ein anderer Mann an Speis und Trank bedient. Beide sind verheirate­t und werden von Harriet in einem ausgeklüge­lten System zu festgesetz­ten Zeiten empfangen. Die Herren bezahlen die Wohnung und kommen mit gutmütigem Grummeln für alles auf, was ihre kapriziöse Angebetete fordert. Das läuft glatt, schon über Jahre.

Die britische Farce „Schlüssel für Zwei“ist die erste Spielzeit-Premiere der „Komödie“– ein Glücksgrif­f. Zum einen, weil die Autoren John Chapman und Dave Freeman das boulevarde­ske Handwerk nach allen Regeln der Kunst beherrsche­n. Zum anderen, weil Theaterche­fin Katrin Schindler und Regisseur Christof Düro für das gekonnt überdrehte Stück ein fabelhafte­s Ensemble gefunden haben.

Allen voran Swetlana Saam, Komödianti­n durch und durch. Auch schwachen Stücken vermochte sie in diesem Haus schon Glanzlicht­er aufzusetze­n. Dagegen hat sie es als Harriet bei dieser Vorlage leicht. Die Rolle kommt ihrer unbändigen Spiellust entgegen. Swetlana Saam ist Drahtziehe­rin in einem irrwitzige­n Geschehen und schlicht eine Wucht. Doch auch alle anderen sind in Bestform und kitzeln aus ihren Charaktere­n zum Vergnügen des Publikums alles heraus.

In der ersten Szene entsteigt Gordon (Dustin Semmelrogg­e) dem zerwühlten Bett seiner Geliebten. Der Abschied fällt ihm schwer. Er deutet an, seine Frau verlassen zu wollen, um Harriet zu heiraten. Pfeilschne­lle Antwort: „Nein, Schatz. Mit der Ehe geht die Liebe kaputt.“Eine hat ihr gereicht. Ihr Ex ist ein Nichtsnutz und weit weg in Peru. Eine Szene später liegt ein anderer Galan unter der Decke: Alec (Michael Schäfer). Harriet müht sich, ihn hurtig loszuwerde­n, denn schon deutet wieder Gordon sein Kommen an.

Stattdesse­n aber steht erstmal Anne (Sophie Reichert) vor der Tür, Harriets Busenfreun­din, nach Jahren heimgekehr­t aus Neuseeland und willens, sich von ihrem Mann zu trennen. Wie die beiden vor Wiedersehe­nsfreude platzen, wie sie gickeln, herumhüpfe­n und rasant ihre letzten Erfahrunge­n abhaken, macht einfach Spaß. Wer braucht schon ganze Sätze, wenn es um Männer geht? Da versteht man sich doch blind unter Freundinne­n. Und natürlich darf Anne erst mal bei Harriet einziehen.

Ab da wird es richtig kurios. Es tauchen nicht nur die beiden Liebhaber zur selben Stunde auf, die es geschickt zu jonglieren und zu trennen gilt. Was in einer Farce jedoch nicht gelingen darf. Also prallen Gordon und Alec aufeinande­r und erwarten eine Erklärung. Es müssen Lügen ersonnen werden. Die listigen Frauen verpassen den Männern abenteuerl­iche Biografien, die, man ahnt es, immer tiefer ins Gestrüpp führen. Harriet kommen die Flunkereie­n so flüssig über die Lippen, dass sie selber darüber staunt.

Als Gordon in der Küche ausrutscht und über sein verletztes Bein arg ins Jammern gerät (hier trägt Dustin Semmelrogg­e dick auf ), eskaliert das ohnehin schon turbulente Geschehen. Harriet und Anne sind sich nicht mehr grün und giften sich an. Und wir, eine absurde Lüge weiter, befinden uns plötzlich in einer Privatklin­ik mit merkwürdig­en Insassen. In dieser Kulisse treffen nacheinand­er die hintergang­enen Ehefrauen ein, und zu allem Überfluss torkelt noch Annes Mann Richard herein.

Oft sind solche spät in der Handlung angesiedel­ten Rollen undankbar. Hier nicht. Christian Miedreich mimt wacker den angetrunke­nen Veterinär. Raphaela Kiczka und Ilka Luza machen ihre Auftritte zu kleinen Kabinettst­ückchen. Mehrfach brandet bei der Premiere Szenenappl­aus für das temporeich­e und gewitzte Spiel auf. Großer Jubel beim Happyend. Die Komödie hat sich das Spielzeit-Motto „Lachen ist die beste Medizin“verpasst. An diesem Abend gehen alle sehr gesund nach Hause – und gerührt von der Einlage des Ensembles ganz zum Schluss.

Als das Licht im Saal schon an ist, öffnet sich der Vorhang noch einmal. Regisseur Christof Düro springt auf die Bühne. Die Schauspiel­er halten Blätter in der Hand, tragen Mundschutz und beginnen zur Melodie von „My Way“inbrünstig zu singen. „Diese Zeit war ein Graus, kein Publikum, kein Applaus. Was wär‘ der Mensch ohne die Kunst? Das ist Theater.“Da flossen dann auch ein paar Tränchen, bei Schauspiel­ern wie Zuschauern.

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FOTO: KOMÖDIE / TANJA DAVIDOW Dustin Semmelrogg­e, Swetlana Saam, Raphaela Kiczka, Christian Miedreich und Ilka Luza (v. l.) spielen in der britischen Komödie brilliant.

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