Fiese Farce und Freudentränen
Das Stück „Schlüssel für Zwei“ist die erste Spielzeit-Premiere der Komödie. Die Autoren wie auch die Schauspieler sind ein Glücksgriff.
DÜSSELDORF Mami schwebt über allem. Sie raucht wie ein Schlot, süffelt flaschenweise Wodka, hat Appetit wie ein Pferd. Eine Fantasiegestalt, die für den aufwendigen Lebensstil ihrer Tochter Harriet geradestehen muss. Deren Haushalt verschlingt Unmengen an Lebensmitteln, und auch der Alkohol verschwindet rapide. Darüber wundern sich Harriets Liebhaber, die das alles finanzieren. Diese unsichtbare Mami muss eine seltsame Person sein. Die zwei wissen ja nicht, dass sich jeweils noch ein anderer Mann an Speis und Trank bedient. Beide sind verheiratet und werden von Harriet in einem ausgeklügelten System zu festgesetzten Zeiten empfangen. Die Herren bezahlen die Wohnung und kommen mit gutmütigem Grummeln für alles auf, was ihre kapriziöse Angebetete fordert. Das läuft glatt, schon über Jahre.
Die britische Farce „Schlüssel für Zwei“ist die erste Spielzeit-Premiere der „Komödie“– ein Glücksgriff. Zum einen, weil die Autoren John Chapman und Dave Freeman das boulevardeske Handwerk nach allen Regeln der Kunst beherrschen. Zum anderen, weil Theaterchefin Katrin Schindler und Regisseur Christof Düro für das gekonnt überdrehte Stück ein fabelhaftes Ensemble gefunden haben.
Allen voran Swetlana Saam, Komödiantin durch und durch. Auch schwachen Stücken vermochte sie in diesem Haus schon Glanzlichter aufzusetzen. Dagegen hat sie es als Harriet bei dieser Vorlage leicht. Die Rolle kommt ihrer unbändigen Spiellust entgegen. Swetlana Saam ist Drahtzieherin in einem irrwitzigen Geschehen und schlicht eine Wucht. Doch auch alle anderen sind in Bestform und kitzeln aus ihren Charakteren zum Vergnügen des Publikums alles heraus.
In der ersten Szene entsteigt Gordon (Dustin Semmelrogge) dem zerwühlten Bett seiner Geliebten. Der Abschied fällt ihm schwer. Er deutet an, seine Frau verlassen zu wollen, um Harriet zu heiraten. Pfeilschnelle Antwort: „Nein, Schatz. Mit der Ehe geht die Liebe kaputt.“Eine hat ihr gereicht. Ihr Ex ist ein Nichtsnutz und weit weg in Peru. Eine Szene später liegt ein anderer Galan unter der Decke: Alec (Michael Schäfer). Harriet müht sich, ihn hurtig loszuwerden, denn schon deutet wieder Gordon sein Kommen an.
Stattdessen aber steht erstmal Anne (Sophie Reichert) vor der Tür, Harriets Busenfreundin, nach Jahren heimgekehrt aus Neuseeland und willens, sich von ihrem Mann zu trennen. Wie die beiden vor Wiedersehensfreude platzen, wie sie gickeln, herumhüpfen und rasant ihre letzten Erfahrungen abhaken, macht einfach Spaß. Wer braucht schon ganze Sätze, wenn es um Männer geht? Da versteht man sich doch blind unter Freundinnen. Und natürlich darf Anne erst mal bei Harriet einziehen.
Ab da wird es richtig kurios. Es tauchen nicht nur die beiden Liebhaber zur selben Stunde auf, die es geschickt zu jonglieren und zu trennen gilt. Was in einer Farce jedoch nicht gelingen darf. Also prallen Gordon und Alec aufeinander und erwarten eine Erklärung. Es müssen Lügen ersonnen werden. Die listigen Frauen verpassen den Männern abenteuerliche Biografien, die, man ahnt es, immer tiefer ins Gestrüpp führen. Harriet kommen die Flunkereien so flüssig über die Lippen, dass sie selber darüber staunt.
Als Gordon in der Küche ausrutscht und über sein verletztes Bein arg ins Jammern gerät (hier trägt Dustin Semmelrogge dick auf ), eskaliert das ohnehin schon turbulente Geschehen. Harriet und Anne sind sich nicht mehr grün und giften sich an. Und wir, eine absurde Lüge weiter, befinden uns plötzlich in einer Privatklinik mit merkwürdigen Insassen. In dieser Kulisse treffen nacheinander die hintergangenen Ehefrauen ein, und zu allem Überfluss torkelt noch Annes Mann Richard herein.
Oft sind solche spät in der Handlung angesiedelten Rollen undankbar. Hier nicht. Christian Miedreich mimt wacker den angetrunkenen Veterinär. Raphaela Kiczka und Ilka Luza machen ihre Auftritte zu kleinen Kabinettstückchen. Mehrfach brandet bei der Premiere Szenenapplaus für das temporeiche und gewitzte Spiel auf. Großer Jubel beim Happyend. Die Komödie hat sich das Spielzeit-Motto „Lachen ist die beste Medizin“verpasst. An diesem Abend gehen alle sehr gesund nach Hause – und gerührt von der Einlage des Ensembles ganz zum Schluss.
Als das Licht im Saal schon an ist, öffnet sich der Vorhang noch einmal. Regisseur Christof Düro springt auf die Bühne. Die Schauspieler halten Blätter in der Hand, tragen Mundschutz und beginnen zur Melodie von „My Way“inbrünstig zu singen. „Diese Zeit war ein Graus, kein Publikum, kein Applaus. Was wär‘ der Mensch ohne die Kunst? Das ist Theater.“Da flossen dann auch ein paar Tränchen, bei Schauspielern wie Zuschauern.