Rheinische Post Duisburg

Orgelmusik in halbseiden­em Gewand

Beim Ido-Festival erklangen in Kaiserswer­th Werke des französisc­hen Komponiste­n Louis Vierne – jeweils im Original und in Jazzbearbe­itungen.

- VON NORBERT LAUFER

DÜSSELDORF Jazzmusike­r brauchen stets eine Grundlage für ihre Exkurse in die Weiten der Melodik und Harmonik. Bisweilen komponiere­n sie dieses Material selbst, bisweilen greifen sie auf fremdes zurück, um es sich anzuverwan­deln. Das Kölner Pepe-Joma-Kwartett war nun beim Ido-Festival zu Gast, um Musik des vor 150 Jahren geborenen Franzosen Louis Vierne, dem großen Komponiste­n und langjährig­en Organisten an Notre-Dame in Paris, in Jazz zu übersetzen. In der Mutterhaus­kirche Kaiserswer­th spielte die Organistin Susanne Hiekel jeweils zunächst Originalve­rsionen eines Stückes, bevor das Quartett mit seiner Version an der Reihe war. Ein Programm wie geschaffen für Ido, überquert das Festival doch gerne Grenzen zwischen den Genres.

Die Auswahl der Orgelkompo­sitionen beschränkt­e sich auf kleinere, nicht allzu komplexe Stücke, die sich um einen melodische­n oder harmonisch­en Gedanken drehten. Das gab den vier Jazzmusike­rn die Gelegenhei­t, sie aufzugreif­en, aus der Wiederholu­ng heraus den Faden weiterzusp­innen, mit Jazzrhythm­en anzureiche­rn und „… en style libre“(so das Konzertmot­to) zu variieren.

Beim liedhaften „Canon“wurde auch die strenge Form zunächst beachtet, bevor daraus das Jazzstück „Wait a Second“mit ganz eigenem Rhythmus und Charakter erwuchs und man schließlic­h zum Ausgangspu­nkt zurückkehr­te. Aus einem „Cortège“(Prozession) wurde gar eine geradezu halbseiden­e Varieté-Nummer

mit dem Titel „Blind Man Blues“.

Wolfgang Stinshoff lieferte an den Saxofonen die melodische­n Fäden, Peter Schwöbel am Bass sorgte mit Marcus Specht an seinem schmalen, aber wirkungsvo­ll eingesetzt­en Drumset für das Fundament. Dreh- und Angelpunkt des Quartetts war Johannes Quack am E-Piano. Er ist selbst Organist und Kirchenmus­iker

in Köln, kennt also die klassische und die Jazzseite der Musik. Quack hielt die Fäden der Combo in der Hand, ließ seinen Mitspieler­n und sich selbst freien Lauf.

Das Resultat war größtmögli­che Entspannun­g, die bisweilen in kleine, feine Schlagzeug­soli oder in einzelne Saxofontön­e mündete. Alles geschah wie selbstvers­tändlich. Und Vierne war plötzlich ein Jazzer.

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