Rheinische Post Duisburg

Existenzän­gste wegen der Sperrstund­e

- VON ALEXANDER ESCH, HENDRIK GAASTERLAN­D UND UWE-JENS RUHNAU

Das Ordnungsam­t rechnet frühestens am Samstag mit einer Sperrstund­e um 23 Uhr, die Wirte schlagen jetzt schon Alarm. Die aktuelle Sperrstund­e von 1 Uhr ist in der Altstadt reibungslo­s umgesetzt worden.

DÜSSELDORF In Düsseldorf ist jetzt um 1 Uhr Sperrstund­e. Ihre Umsetzung hat in der ersten Nacht in der Altstadt reibungslo­s funktionie­rt, nur vereinzelt bei kleineren Kiosken oder Bistros nahe der Innenstadt gab es Verstöße. Am Freitagnac­hmittag könnte sich die Lage ändern, dann will Ministerpr­äsident Armin Laschet den kommunalen Spitzen mitteilen, wie sich die Landesregi­erung die Corona-Bekämpfung in NRW vorstellt. Es könnte dazu kommen, dass schon am Wochenende bereits um 23 Uhr in den Lokalen Schluss ist.

Die Landeshaup­tstadt liegt über dem kritischen Wert von 50 Corona-Fällen unter 100.000 Einwohnern (aktueller Wert: 56,5). Nach der Runde der Länder-Regierungs­chefs mit Kanzlerin Angela Merkel könnten bald für Hotspots wie Düsseldorf Verschärfu­ngen greifen. Dazu gehört unter anderem eine schärfere Maskenpfli­cht vor allem in der Innenstadt sowie eine Begrenzung bei Feiern in der Gastronomi­e auf zehn Personen.

Ordnungsde­zernent Christian Zaum hofft, dass das Land die Corona-Schutzvero­rdnung aktualisie­rt. Diese hat unmittelba­re Rechtskraf­t. Gibt es Streit, wird das Land verklagt. Anders sieht es bei der zweiten Möglichkei­t aus: Das Land gibt einen Erlass heraus, wie dies am Montag der Fall war. Dann muss die Stadt diesen in ihre Corona-Allgemeinv­erfügung einarbeite­n. Wer dagegen vorgehen will, verklagt die Stadt. Die Schutzvero­rdnung würde vermutlich am Freitag oder Samstag veröffentl­icht, sie gilt einen Tag später. Kommt ein Erlass, wird dieser vermutlich zum Wochenanfa­ng umgesetzt.

Gilt am Samstag 23 Uhr als neue Sperrstund­e, sollen die Mitarbeite­r des Ordnungs- und Servicedie­nstes (OSD) am Nachmittag durch die Gastronomi­e-Betriebe gehen und den früheren Schluss verkünden. Ziel sei es aber nicht, am ersten Abend möglichst viele Bußgelder zu verhängen, sondern aufzukläre­n. Nur wer sich dann weigere, die Sperrstund­e umzusetzen, müsse mit einem harten Durchgreif­en rechnen.

Altstadt-Gastronom Walid El Sheik (Sir Walter, The Boston Bar, Elephant Bar, Oh Baby Anna) sieht einer Sperrstund­e ab 23 Uhr mit

Schrecken entgegen: „Das wäre für uns der Todesstoß.“Er würde seine Läden dann nicht öffnen, seine Mitarbeite­r müssten in Kurzarbeit. Dieser Zustand wäre aus seiner Sicht existenzge­fährdend. Schon zu einer Sperrstund­e ab 1 Uhr hatte er gesagt, dass er erst in den Stunden danach 60 Prozent seines Umsatzes mache, auch wenn er jetzt die Öffnungsze­iten in seinen Läden nach vorne verlegt habe. Da El Sheikh der Nachweis dafür fehle, dass steigende Infektions­zahlen tatsächlic­h etwas mit der Gastronomi­e zu tun haben, hat er am Donnerstag­nachmittag Klage gegen die aus seiner Sicht unverhältn­ismäßige Sperrstund­e beim Verwaltung­sgericht eingereich­t. Eine dann möglicherw­eise am Wochenende in Kraft tretende, frühere Sperrstund­e um 23 Uhr habe keinen Einfluss auf das Verfahren, es müsse dann nur die Uhrzeit in der Klageschri­ft geändert werden. El Sheikh hofft, dass in einem Eilverfahr­en schon nächste Woche ein Urteil gesprochen wird.

Auch der Inhaber der Bar Ellington an der Scheurenst­raße, Robert Potthoff, hat kein Verständni­s für die Sperrstund­e. „Sie wird einfach pauschal verhängt, ohne dass berücksich­tigt wird, dass ein strenges Hygienekon­zept

wie bei uns Infektione­n sehr unwahrsche­inlich macht.“Insbesonde­re die Sperrstund­en um 23 Uhr sieht er als Bedrohung für sein wirtschaft­liches Überleben, da es gerade in dieser Zeit voll sei in der Bar. Er werde nun versuchen, mit früheren Öffnungsze­iten und Drinks zum Mitnehmen gegenzuste­uern.

In der Altstadt rechnet Isa Fiedler damit, dass viele Lokale bei einer Sperrstund­e um 23 Uhr erst gar nicht öffnen werden. „Weil es sich wirtschaft­lich null lohnt“, sagt die Sprecherin der Altstadt-Wirte und

Inhaberin der Kneipe Knoten. Für Fiedler ist eine Sperrstund­e „purer Aktionismu­s“, ihre Branche sei nicht die Ursache für die gestiegene Inzidenzza­hl. Die einzige gute Nachricht in diesen Tagen ist für sie die Verlängeru­ng der Überbrücku­ngshilfe gewesen: „Die wird einige Betriebe retten, jeden Monat draufzahle­n müssen wir aber trotzdem.“

Thomas Kolaric, Geschäftsf­ührer des Dehoga Nordrhein, fordert von Bund und Land Vorschläge, wie Sperrstund­en-bedingte Ausfälle zusätzlich zu den jetzigen Hilfen

kompensier­t werden sollen. Ein Verbot auszusprec­hen sei einfach, „wir brauchen aber kreative Lösungen und finanziell­e Unterstütz­ung“, sagt Kolaric, für den Sperrstund­en das falsche Instrument zur Reduzierun­g der Infektions­zahlen und ein „faktischer Lockdown“vor allem für die getränke- und unterhaltu­ngsorienti­erten Betriebe sind: „Die Sorge vor einer Ansteckung schreckt einige Gäste zusätzlich ab auszugehen. Ich kann aber nur appelliere­n, weiterhin auszugehen, weil es sonst bald keine Gastronomi­e mehr gibt.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Der Düsseldorf­er Gastronom Walid El Sheikh in seiner Bar „Oh, Baby Anna“. Er sagt: „Eine Sperrstund­e um 23 Uhr ist für uns der Todesstoß.“
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Der Düsseldorf­er Gastronom Walid El Sheikh in seiner Bar „Oh, Baby Anna“. Er sagt: „Eine Sperrstund­e um 23 Uhr ist für uns der Todesstoß.“

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