Existenzängste wegen der Sperrstunde
Das Ordnungsamt rechnet frühestens am Samstag mit einer Sperrstunde um 23 Uhr, die Wirte schlagen jetzt schon Alarm. Die aktuelle Sperrstunde von 1 Uhr ist in der Altstadt reibungslos umgesetzt worden.
DÜSSELDORF In Düsseldorf ist jetzt um 1 Uhr Sperrstunde. Ihre Umsetzung hat in der ersten Nacht in der Altstadt reibungslos funktioniert, nur vereinzelt bei kleineren Kiosken oder Bistros nahe der Innenstadt gab es Verstöße. Am Freitagnachmittag könnte sich die Lage ändern, dann will Ministerpräsident Armin Laschet den kommunalen Spitzen mitteilen, wie sich die Landesregierung die Corona-Bekämpfung in NRW vorstellt. Es könnte dazu kommen, dass schon am Wochenende bereits um 23 Uhr in den Lokalen Schluss ist.
Die Landeshauptstadt liegt über dem kritischen Wert von 50 Corona-Fällen unter 100.000 Einwohnern (aktueller Wert: 56,5). Nach der Runde der Länder-Regierungschefs mit Kanzlerin Angela Merkel könnten bald für Hotspots wie Düsseldorf Verschärfungen greifen. Dazu gehört unter anderem eine schärfere Maskenpflicht vor allem in der Innenstadt sowie eine Begrenzung bei Feiern in der Gastronomie auf zehn Personen.
Ordnungsdezernent Christian Zaum hofft, dass das Land die Corona-Schutzverordnung aktualisiert. Diese hat unmittelbare Rechtskraft. Gibt es Streit, wird das Land verklagt. Anders sieht es bei der zweiten Möglichkeit aus: Das Land gibt einen Erlass heraus, wie dies am Montag der Fall war. Dann muss die Stadt diesen in ihre Corona-Allgemeinverfügung einarbeiten. Wer dagegen vorgehen will, verklagt die Stadt. Die Schutzverordnung würde vermutlich am Freitag oder Samstag veröffentlicht, sie gilt einen Tag später. Kommt ein Erlass, wird dieser vermutlich zum Wochenanfang umgesetzt.
Gilt am Samstag 23 Uhr als neue Sperrstunde, sollen die Mitarbeiter des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) am Nachmittag durch die Gastronomie-Betriebe gehen und den früheren Schluss verkünden. Ziel sei es aber nicht, am ersten Abend möglichst viele Bußgelder zu verhängen, sondern aufzuklären. Nur wer sich dann weigere, die Sperrstunde umzusetzen, müsse mit einem harten Durchgreifen rechnen.
Altstadt-Gastronom Walid El Sheik (Sir Walter, The Boston Bar, Elephant Bar, Oh Baby Anna) sieht einer Sperrstunde ab 23 Uhr mit
Schrecken entgegen: „Das wäre für uns der Todesstoß.“Er würde seine Läden dann nicht öffnen, seine Mitarbeiter müssten in Kurzarbeit. Dieser Zustand wäre aus seiner Sicht existenzgefährdend. Schon zu einer Sperrstunde ab 1 Uhr hatte er gesagt, dass er erst in den Stunden danach 60 Prozent seines Umsatzes mache, auch wenn er jetzt die Öffnungszeiten in seinen Läden nach vorne verlegt habe. Da El Sheikh der Nachweis dafür fehle, dass steigende Infektionszahlen tatsächlich etwas mit der Gastronomie zu tun haben, hat er am Donnerstagnachmittag Klage gegen die aus seiner Sicht unverhältnismäßige Sperrstunde beim Verwaltungsgericht eingereicht. Eine dann möglicherweise am Wochenende in Kraft tretende, frühere Sperrstunde um 23 Uhr habe keinen Einfluss auf das Verfahren, es müsse dann nur die Uhrzeit in der Klageschrift geändert werden. El Sheikh hofft, dass in einem Eilverfahren schon nächste Woche ein Urteil gesprochen wird.
Auch der Inhaber der Bar Ellington an der Scheurenstraße, Robert Potthoff, hat kein Verständnis für die Sperrstunde. „Sie wird einfach pauschal verhängt, ohne dass berücksichtigt wird, dass ein strenges Hygienekonzept
wie bei uns Infektionen sehr unwahrscheinlich macht.“Insbesondere die Sperrstunden um 23 Uhr sieht er als Bedrohung für sein wirtschaftliches Überleben, da es gerade in dieser Zeit voll sei in der Bar. Er werde nun versuchen, mit früheren Öffnungszeiten und Drinks zum Mitnehmen gegenzusteuern.
In der Altstadt rechnet Isa Fiedler damit, dass viele Lokale bei einer Sperrstunde um 23 Uhr erst gar nicht öffnen werden. „Weil es sich wirtschaftlich null lohnt“, sagt die Sprecherin der Altstadt-Wirte und
Inhaberin der Kneipe Knoten. Für Fiedler ist eine Sperrstunde „purer Aktionismus“, ihre Branche sei nicht die Ursache für die gestiegene Inzidenzzahl. Die einzige gute Nachricht in diesen Tagen ist für sie die Verlängerung der Überbrückungshilfe gewesen: „Die wird einige Betriebe retten, jeden Monat draufzahlen müssen wir aber trotzdem.“
Thomas Kolaric, Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein, fordert von Bund und Land Vorschläge, wie Sperrstunden-bedingte Ausfälle zusätzlich zu den jetzigen Hilfen
kompensiert werden sollen. Ein Verbot auszusprechen sei einfach, „wir brauchen aber kreative Lösungen und finanzielle Unterstützung“, sagt Kolaric, für den Sperrstunden das falsche Instrument zur Reduzierung der Infektionszahlen und ein „faktischer Lockdown“vor allem für die getränke- und unterhaltungsorientierten Betriebe sind: „Die Sorge vor einer Ansteckung schreckt einige Gäste zusätzlich ab auszugehen. Ich kann aber nur appellieren, weiterhin auszugehen, weil es sonst bald keine Gastronomie mehr gibt.“