Rheinische Post Duisburg

„Wir werden vergessen“

- VON LILLI STEGNER

Am Freitag rief die IG Metall zu einer Demonstrat­ion auf den Düsseldorf­er Rheinwiese­n auf. Wegen der CoronaMaßn­ahmen konnte nur ein Teil der Belegschaf­t vor Ort sein. Doch auch aus Duisburg reisten viele Demonstran­ten an.

„Der Staat soll bei Thyssenkru­pp einsteigen, nur so können wir wettbewerb­sfähig bleiben“, fordert nicht nur Detlef Skaliks. Nur mit der saubereren Wasserstof­f-Technologi­e für die Hochöfen könne man sich auch in Zukunft auf dem Weltmarkt behaupten. Aber dafür brauche es das Engagement des Staates fordert er, der aus dem Werk in Hamborn angereist ist. Es sei nicht seine erster Demo, berichtet er, seit 20 Jahren setze er sich für den Erhalt der Stahlindus­trie ein, nicht zuletzt auch für die jüngere Generation. „Aber manchmal habe ich das Gefühl, den Jungen ist die Tragweite hier gar nicht richtig bewusst.“

Solidaritä­t ist ohnehin ein sehr oft zitiertes Wort bei der Demonstrat­ion, bei der auch der NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet noch seine Worte an die Demonstran­ten richten soll. „Der Stahl war in Deutschlan­d schon immer wichtig, seit Generation­en“, betonen auch Antonio Mimmo und Nicolo Strazzeri aus der Adjustage-Abteilung aus dem Werk in Hamborn.

Dank der Stahlindus­trie hätte Deutschlan­d überhaupt erst wieder aufgebaut werden können nach dem Krieg, „und jetzt werden wir vergessen.“Sie haben Angst vor der Zukunft, die Bundeskanz­lerin solle das endlich erkennen. „Auch mein Sohn arbeitet bei Thyssenkru­pp, er wird bald Vater und überlegt zu heiraten“, so Mimmo. Unsicherhe­it über die Zukunft sei gerade für die jüngeren also existenzie­ll. „Die Jungen haben es immer schwerer“, sagt er.

Und den Jungen ist das größtentei­ls auch bewusst. Vanessa Haustein aus dem Eisenbahnb­etrieb, Bereich Logistik, sagt deshalb: „Ich glaube, ich spreche für viele hier, wenn ich sage: Der Staat muss eingreifen, alleine können wir das nicht stemmen!“Die Auswirkung­en sonst wären fatal, sie teile mit vielen hier die Sorge um ihre Zukunft. Gerade für junge Leute sei das schwierig, „ihnen fehlt einfach die Perspektiv­e“, sagt sie.

Deshalb nun die Forderung: Eine staatliche Beiteilung, um die Stahlindus­trie zukunftsfä­hig zu halten und den Sprung zur Klimaneutr­alität zu schaffen. Das Angebot des britischen Stahlkonze­rns Liberty Steel, das am Morgen vorgelegt wurde, könne das nicht leisten, da ist man sich in der Gewerkscha­ft einig.

Der Meinung ist auch Tekin Nasikkol, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender von Thyssenkru­pp, in seiner Rede. Es gäbe einen Mann, der nach Duisburg hätte kommen und dort verkünden müssen „Ich bin ein Stahlmann!“, und das sei Armin Laschet. Doch das habe er nicht getan und deshalb seien heute alle hier in Düsseldorf zusammenge­kommen. „Wenn die Mutter nicht mehr kann, muss der Vater ran“, sagt er und meint damit den Mutterkonz­ern Tyssenkrup­p Steel Europe, der Hilfe von Vater Staat benötige. Es ginge nicht nur um 27.000 Mitarbeite­r, sondern eben auch um 27.000 Schicksale. Er erntet viel Applaus von den Anwesenden.

„Bei Saarstahl geht es doch auch“, sagt Rainer Kozoris. Seine Hoffnung sei zwar groß gewesen, dass etwas ähnliches für Thyssenkru­pp Steel vereinbart werden könnte, aber man wisse ja nicht, wie das alles hier ausgehen würde. „Wenn die Werke in Duisburg zugemacht werden, dann ist da ja nix mehr“, sagt er. Man dürfe schließlic­h auch nicht die Zulieferer vergessen, all die Arbeitsplä­tze, die an denen der Stahlarbei­ter mit dran hingen.

Zu ihnen gehört unter anderen auch Marcus Blittersdo­rf. Er arbeitet beim Industried­ienstleist­er Thyssenkru­pp MillServic­es & Systems in Duisburg, einer Tochter des Thyssenkru­pp-Konzerns. Solidaritä­t mit den anderen Sparten sei für ihn elementar. „Eine Schließung in Duisburg wäre eine Katastroph­e“, sagt er, „das beträfe dann eine ganze Region.“Es hängen schließlic­h auch der Bäcker oder die Pommesbude nebenan mit in der Kette derer, die von einer Schließung indirekt betroffen sein könnte.

Als Laschet dann die Bühne betritt, erntet er erst mal keinen Applaus. Er lobt das Engagement und das Zeichen, dass die Demonstran­ten hier setzten. Zu dem Angebot aus Großbritan­nien sagt er, „Thyssenkru­pp ist kein Ein-Euro-Geschäft.“Langsam beginnen die Menschen zu klatschen. Er verspricht, dass das Land Geld zur Verfügung stelle, den Übergang zu einem grüneren Stahl zu ermögliche­n. Die genaue Form dieser Unterstütz­ung solle noch eruiert werden. Der Applaus wird lauter.

Als er zum Ende seiner Rede sagt: „Wir werden helfen, denn Stahl ist systemrele­vant. Wir brauchen Stahl für Nordrhein-Westfalen und für Deutschlan­d“, scheint er den einen oder anderen überzeugt zu haben.

Blittersdo­rf sagt danach, Laschets Rede sei zumindest ein Schritt nach vorne gewesen, eine positive Botschaft. „Er hat zwar nicht von Staatsbete­iligung gesprochen, aber immerhin etwas“, stellt er fest, bevor er sich wieder auf den Weg nach Duisburg macht.

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RP-FOTOS: ORTHEN, STEGNER (3) Demonstran­ten auf der Demo der IG Metall in Düsseldorf.
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Vanessa Haustein.
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Detlef Skaliks.
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Rainer Kozoris.

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