Rheinische Post Duisburg

Gewerkscha­ften kontern Zajac-Banner

„Gewerkscha­ften zerstören den Einzelhand­el“– das behauptet zumindest der Duisburger Zoo-Händler Norbert Zajac. Ein entspreche­ndes Plakat hängt seit einigen Tagen an seinem Laden. Der DGB ist empört und fordert ein „würdevolle­s Miteinande­r.“

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(R.K.) Die Empörung ist groß: Der Geschäftsf­ührer des Zoohandels Norbert Zajac hat an seinem Laden ein Plakat mit der Aufschrift „Gewerkscha­ften zerstören den Einzelhand­el“angebracht. Dafür erntet er nun heftige Kritik – nicht nur von Gewerkscha­ften und Politikern. Auch einige Kunden zeigten sich im WDR und auch in den sozialen Medien irritiert. „Er zerstört seinen eigenen Ruf mit solchen Aussagen“oder „Die Gewerkscha­ft ist ja zum Helfen da und nicht zum Zerstören“, „Ohne die Gewerkscha­ften hätten

„Wir fordern die Geschäftsf­ührung auf, das Banner wieder abzuhängen, damit ein respektvol­les und würdevolle­s Miteinande­r weiterhin möglich ist“

Angelika Wagner DGB-Vorsitzend­e Duisburg/Niederrhei­n

wir amerikanis­che Verhältnis­se“, kommentier­en sie den Banner, der seit ein paar Tagen vor dem Zoogeschäf­t in Duisburg-Neumühl hängt.

Angelika Wagner, Vorsitzend­e des DGB Duisburg/Niederrhei­n, hat überhaupt kein Verständni­s für Norbert Zajacs Äußerungen. „Der arbeitsfre­ie Sonntag ist im Grundgeset­z verankert und steht damit im besonderen Schutze unserer Gesellscha­ft. Hiermit wird nicht, wie von Zajac beschriebe­n, der Einzelhand­el zerstört, sondern im Gegenteil eine gesetzlich­e Arbeitsruh­e von Beschäftig­ten garantiert“, sagt sie.

In den vergangene­n Wochen war der verkaufsof­fene Sonntag immer wieder ein Thema – auch vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) Münster. In Ausnahmefä­llen dürfen Geschäfte anlassbezo­gen öffnen. Dies hat auch das OVG festgestel­lt. „Das Urteil hat gezeigt, dass Sonntagsöf­fnungen ohne konkrete Anlässe rechtswidr­ig sind. Als Gewerkscha­ft

ist es daher unser Hauptanlie­gen, den Sonntagssc­hutz für die Beschäftig­ten gerade in Corona-Zeiten zu garantiere­n“, so Martina Hüskes, Bezirksges­chäftsführ­erin der Verdi Duisburg/Niederrhei­n.

Für Norbert Zajac ist die Haltung der Gewerkscha­ften dagegen „nicht mehr zeitgemäß. Die Kirchen sagen Ja zu den Sonntagen, die Regierung spricht sich für die fünf Sonntage aus, nur die Gewerkscha­ft zieht ihr Spiel skrupellos durch“, ist der Zoohändler und Chef von rund 100 Mitarbeite­rn wütend. „Wir haben alles schon für die offenen Sonntage organisier­t, Arbeitsplä­ne gemacht, eingekauft – und dann können wir wieder alles absagen? Ich verstehe nicht, dass nicht mehr Einzelhänd­ler dagegen aufstehen. Sie müssten alle so ein Banner haben“, sagt Zajac.

Die Gewerkscha­ften hätten „sich längst überlebt. Viele Arbeitnehm­er fühlen sich nicht mehr vertreten, immer weniger sind Mitglieder“, sagt Norbert Zajac. Er blickt auf die Branchen, in denen Sonntagsar­beit ganz klar zum Berufsbild dazugehört. „Wer Bäcker wird, weiß auch, dass er sonntags arbeitet und nicht mit der Familie frühstücke­n kann. Und? Geht deshalb die Familie kaputt?“fragt er provokant.

Zajac argumentie­rt mit Einnahmeve­rlusten

in der Corona-Krise. Allerdings war sein Geschäft im Lockdown weiter geöffnet. So wurden viele Haustiere verkauft – teilweise waren Hundewelpe­n sogar ausverkauf­t. Der Geschäftsf­ührer spricht dennoch von herben Verlusten. Man erhole sich gerade, so Zajac, „und dann werden die verkaufsof­fenen Sonntage verboten, das heißt, die Leute kaufen weiterhin im Netz ein und fahren nach Holland, weil da ist sonntags immer offen. Wir liegen 40 Kilometer von Holland, das ist also Grenzgebie­t, für ein Auto sind das 20 bis 25 Minuten. Die Kunden sind alle weg und geben ihr Geld im Ausland aus.“

Ein Argument, dem die Gewerkscha­ft entgegenhä­lt, dass verkaufsof­fene Sonntage nicht mehr Umsatz in die Kassen bringen. Vielmehr müssen man sich „im stationäre­n Einzelhand­el ein Stückweit vom Online-Handel absetzen. Das mache ich durch vernünftig­e Beratung, durch eine ausreichen­de Beschäftig­tenzahl, durch gut ausgebilde­te Beschäftig­te, das mache ich aber auch, indem ich eine Innenstadt attraktiv gestalte – dass die Leute gerne dahin gehen – und nicht durch eine Sonntagsöf­fnung“, sagt Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­r Martin Petig – zuständig für den Bereich Handel in der Region Duisburg-Niederrhei­n.

Zudem: „Beschäftig­te im Einzelhand­el haben meist schon eine Sechs-Tage-Woche. Da bleibt der Sonntag als einziger freier Tag für Aktivitäte­n neben der Arbeit. Auch der Zoohandel Zajac hat sechs Tage die Woche geöffnet. Deshalb ist mindestens ein freier Tag in der Woche für die Beschäftig­ten unabdingba­r“, sagt Verdi-Bezirksges­chäftsführ­erin Martina Hüskes.

Und die Gewerkscha­ft legt noch weitere Argumente nach: So habe die Zahl der Insolvenze­n im Handel im ersten Halbjahr 2020 gegenüber 2019 sogar abgenommen. Im ersten Halbjahr 2020 gab es 1485 Unternehme­nsinsolven­zen im Handel, das sind rund 10 Prozent weniger als zu diesem Zeitpunkt im Vorjahr. Wenn der Handelsver­band von 50.000 drohenden Insolvenze­n im zweiten Halbjahr 2020 spricht, entbehrt das jeder Grundlage, heißt es in einem Verdi-Zehn-Punkte Papier mit „Argumenten für einen freien Sonntag für die Beschäftig­ten des Einzelhand­els auch in Corona-Zeiten!“

Und: Die Ausweitung der Ladenöffnu­ngszeiten und auch Sonntagsöf­fnungen haben laut Gewerkscha­ft nicht zu einer Sicherung von sozialvers­icherungsp­flichtigen Vollzeitar­beitsplätz­en geführt haben. Stattdesse­n sei der Anteil von Teilzeitbe­schäftigun­g und geringfügi­g Beschäftig­ungen gestiegen. „Heute arbeiten nur noch 36,8 Prozent der Beschäftig­ten im Einzelhand­el in Vollzeit. Im Jahr 1994 vor der Liberalisi­erung des Ladenöffnu­ngszeiten lag der Anteil der Vollzeitbe­schäftigte­n noch bei über 50 Prozent“, so Verdi.

Umso mehr empört die umstritten­e Botschaft auf dem Banner der Zoohandlun­g Zajac die Gewerkscha­ften. „Wir fordern die Geschäftsf­ührung auf, das Banner wieder abzuhängen“, so die hiesige DGB-Chefin, „damit ein respektvol­les und würdevolle­s Miteinande­r weiterhin möglich ist.“

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FOTO: TANJA PICKARTZ Mit diesem Banner kritisiert Norbert Zajac die Gewerkscha­ften und stößt damit wiederum auf Kritik von Politikern und Gewerkscha­ften.

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