Urlaub zwischen Pyramiden und Palmen
Palmen und paradiesische Strände, Pyramiden und prächtige Ruinen der Maya-Kultur: Die mexikanische Halbinsel Yucatán hat jede Menge Abwechslung zu bieten. Und es gibt auch echt schaurige Orte.
Aldo Perreira ist einer von ziemlich genau 1,2 Millionen Mexikanern, die in direkter Linie von den Maya abstammen. Mit Frau und Kindern fährt Aldo immer mal wieder von seinem Haus im quirligen Cancún in zwei Stunden nach Xel-Há – einer wunderschönen Lagune auf der Halbinsel Yucatán, in der vor Hunderten Jahren schon seine Vorfahren gebadet haben.
„Viel Vergnügen hatten sie dort wohl nicht“, scherzt Aldo. Diverse Ruinen und Ausgrabungen legen die Vermutung nahe, dass in Xel-Há – um 100 vor Christus als Handelshafen gegründet – Maya-Arbeiter gut 1000 Jahre lang schwer geschuftet haben, bis der Ort in Vergessenheit geriet.
Die Anlage fiel in einen Dornröschenschlaf. Doch clevere Investoren entdeckten sie wieder und machten aus der Lagune einen riesigen Freizeitpark. Die Perreiras lieben den Park, auch wenn der Eintritt mit knapp 100 US-Dollar pro Nase nicht günstig ist.
Dafür kann die Familie einen Tag lang nach Herzenslust futtern und baden, sich auf Gummireifen durch echte Mangrovenwälder treiben lassen, von künstlichen Klippen springen, Gerätetauchen in kleinen Höhlen üben und beim Schnorcheln Tausende bunte Fische und Schildkröten beobachten.
„Das größte natürliche Aquarium der Welt“will der Park von Xel-Há sein – bislang hat ihm den Titel noch niemand streitig gemacht.
Bis zu 1500 Gäste tummeln sich zu Spitzenzeiten in dem Park, darunter viele Tagestouristen, die von der vorgelagerten Insel Cozumel kommen. Dutzende Hotels und herrliche Strände haben das Eiland zu einem Urlauber-Hotspot gemacht, im dortigen Hafen machen in guten Zeiten täglich bis zu vier riesige Kreuzfahrtschiffe fest.
Wenn deren Passagiere alle auf einmal mit der Fähre aufs Festland übersetzen, was die meisten auch tun, dann ist das Gewimmel in Xel-Há groß. Derzeit herrscht jedoch wegen Corona große Ruhe.
Enger noch geht es üblicherweise im nahen Tulum zu, einem anderen Maya-Hafen, der zu den schönsten Plätzen Yucatáns gehört. Herrlich auf einer Kalksteinklippe über dem Karibischen Meer gelegen, locken die recht gut erhaltenen Ruinen tagtäglich Tausende in die antike Stadt. Die meisten Besucher haben es eilig. Sie besichtigen die archäologische Stätte, lassen sich vor dem malerischen Hintergrund fotografieren, durchstöbern die zahlreichen Souvenirshops und legen sich, wenn die Zeit es erlaubt, noch kurz an den Strand.
Nimmt man sich Zeit, lassen sich die wahren Schätze entdecken. Drei Mauern (tulum) umgrenzen die Stadt mit fünf kleinen Eingängen und Wachtürmen auf jeder Seite. Herzstück der Anlage ist der Haupttempel El Castillo. Während der Sommersonnenwende scheint die Sonne frühmorgens direkt in den Tempel hinein.
So geheimnisvoll, so prächtig erschien Tulum den spanischen Eroberern, dass sie den Ort weitgehend ungeschoren ließen. Noch heute lassen sich in den Gebäuden viele Malereien finden, die zu den schönsten Beispielen der Maya-Kunst gehören.
Skulpturen menschlicher Köpfe, Fresken mit Schlangen, Pflanzen, Früchten und Gottheiten haben die Archäologen gesichert und sich besonders für den Tempel des Herabsteigenden Gottes interessiert. Der erhielt seinen Namen von der im Dachfries enthaltenen Figur des Ah Mucen Cab, des vielleicht wichtigsten Maya-Gottes, der für Sonne, Regen, Blitz und Bienen zuständig war.
Immer wieder auch offenbaren die Gebäude überraschende Details der Alltagskultur der Maya: In einem Haus, das einst einem Priester gehörte, fanden Archäologen die sorgsam bestatteten Überreste eines Menschen. Tatsächlich begruben die Mayas ihre Toten nicht auf Friedhöfen, sondern in ihren Wohnhäusern – die Ahnen sollten ihren Familien nahe bleiben.
Es ist die selten schöne Lage, die den Reiz von Tulum ausmacht, das relativ spät, wahrscheinlich erst um 1000 nach Christus, erbaut wurde. Archäologisch bedeutender ist sicherlich Chichén Itzá, das ein gutes Stück im Landesinneren liegt und von Cozumel nur in einer fünfstündigen Busfahrt oder mit dem Flugzeug erreichbar ist.
Die Anlage bietet tiefe Einblicke in eine 3000 Jahre alte Hochkultur, der die spanischen Eroberer vor 500 Jahren endgültig den Garaus machten. Höhepunkte sind die antike Sternwarte, der Tempel der Krieger und natürlich die weltberühmte Pyramide des Kukulcán mit Schlangenköpfen auf seinen 365 Stufen.
Jede Stufe stand und steht für einen Tag, zweimal im Jahr – am 21. März und 23. September – erweckt der Schattenwurf
der Sonne den Eindruck, als ob sich die Schlangen langsam vom Tempel hinabwinden – ein unglaubliches Schauspiel, das Tausende Besucher fasziniert.
In vielen Maya-Stätten gibt es Anlass zum Gruseln. Nicht nur in Chichén Itzá wurden grausige Menschenopfer dargebracht: Priester schnitten Gefangenen das schlagende Herz aus dem Leib, köpften ihre Opfer und ließen die Schädel über die Stufen der Pyramiden kullern.
Gar nicht harmlos war auch der schon in der Antike weit über die Grenzen der Stadt hinaus berühmt-berüchtigte Ballspielplatz von Chichén Itzá. Bei dem rituellen Spiel ging es darum, einen kiloschweren Ball ohne Zuhilfenahme der Hände oder Füße und nur mit Kopf, Schultern und Hüfte durch einen Steinring zu bugsieren, der in 6,5 Metern Höhe an den Mauern des Platzes befestigt war. Wer verlor, wurde den Göttern geopfert. Die Wände des Platzes sind reich mit Darstellungen entsprechender Opferzeremonien geschmückt.
Costa Maya wird die Küste zwischen dem Golf von Mexiko und der Karibischen See genannt, und tatsächlich reiht sich dort eine Maya-Stätte an die andere: Das antike Zeremonialzentrum Kohunlich ist darunter, auch Dzibanche und Chacchoben, dessen Pyramiden erst seit 2002 öffentlich zugänglich sind. Die Mayas von heute haben um die begehrtesten Sehenswürdigkeiten herum kleine Städtchen aus Souvenirständen aufgebaut und werben in den malerischen Ortschaften entlang der Küste mit hübschen Einkehrund Einkaufsmöglichkeiten um Kunden. Beliebte Souvenirs sind bunte Keramiken, Masken, Stoff- und Strohpüppchen.
In den Imbissbuden und kleinen Restaurants muss man für den kleinen Hunger unbedingt Tacos und Tortilla sowie einen Guacamole-Dip aus Avocados mit knackig-würzigen Nachos probieren. Dazwischen laden immer wieder herrliche Strände und Buchten zum Erholen und Schwimmen ein. Die Lagune der Sieben Farben bei Bacalar etwa, die ganz nah an einem der spektakulärsten Cenotes des Landes liegt. Cenotes sind dolinenartige Kalksteinlöcher, die vor Tausenden Jahren durch den Einsturz einer Höhlendecke entstanden und mit Süßwasser gefüllt sind. Meist sind sie um die 15, manchmal aber auch 100 Meter tief – und fast alle sind durch ein unterirdisches, schätzungsweise 380 Kilometer langes Höhlensystem verbunden.
Den Mayas galten die Cenotes als heilige Quellen, als Übergang vom Diesseits zur Unterwelt – die Besucher von heute genießen es, in den Schluchten der tiefblauen Wasserlöcher zu plantschen. Von Cancun bis Cozumel, von Tulum bis Belize: Überall liegen Pyramiden und Palmen, sehenswerte Maya-Stätten und karibisches Urlaubsflair ganz nah beieinander. Cenotes, Lagunen und Traumstrände laden zum Relaxen und Schwimmen ein, fast die gesamte Küstenregion ist ein Paradies für Schnorchler und Taucher. Immerhin liegt die Costa Maya an dem mit fast 1000 Kilometern Länge zweitgrößten Riffsystem der Welt. An Schönheit und Fischreichtum kann es mit dem australischen Great Barrier Reef konkurrieren.
Touristen und auch Familie Perreira werden die Costa Maya vielleicht schon bald bequem mit dem Zug entdecken können. Der Nationale Fonds zur Förderung des Tourismus lässt derzeit einen weiteren Abschnitt des Zuges Tren Maya bauen, der ab 2024 eine Strecke von fast 1500 Kilometern bedienen soll. Auch Güterzüge und normale Personenzüge werden das neue Schienennetz nutzen.
Das teure Mammut-Projekt des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador soll den Tourismus im recht armen Südosten des Landes ankurbeln, ist aber wegen der damit verbundenen Eingriffe in die Natur heftig umstritten. Für Unmut sorgt auch, dass López Obrador das Projekt trotz der Belastung für die Wirtschaft durch die Corona-Krise weiter vorantreibt und den Auftrag ausgerechnet an eine Firma des mexikanischen Oligarchen Carlos Slim Helù vergeben hat.