Rheinische Post Duisburg

Solingen schickt Schüler nach Hause

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MARTIN OBERPRILLE­R

Die Inzidenz in der Stadt erreicht fast 280. Klassen und Gruppen werden geteilt. Im Landtag kritisiert die FDP den Gastro-Lockdown.

DÜSSELDORF/SOLINGEN Als erste Kommune in NRW hat Solingen für einen Teil der Schüler von Mittwoch an die Rückkehr zum Unterricht auf Distanz angekündig­t. Die Schulverwa­ltung traf die Entscheidu­ng, weil in der Stadt 279,8 Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche gezählt wurden.

„Ziel ist es, dass zeitgleich nur noch 50 Prozent der Schülerinn­en und Schüler in Kursen und Gruppen unterricht­et werden“, sagte Schuldezer­nentin Dagmar Becker (Grüne). Die andere Hälfte solle von zu Hause aus lernen und digital angebunden sein. Spätestens nach einer Woche soll zwischen Präsenz- und Distanzunt­erricht gewechselt werden. Grundund Förderschu­len sowie die Abschlussk­lassen der Sekundarst­ufen I und II seien ausgenomme­n.

Ein solches Wechselmod­ell folgt den Empfehlung­en des Robert-Koch-Instituts bei steigenden Infektions­zahlen. Eine Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 erreichten in Nordrhein-Westfalen am Freitag auch Remscheid (245,2), Duisburg (243,4) und Köln (202,6).

Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) hatte den Wechsel zu Schichtmod­ellen bei bestimmten Inzidenzwe­rten bisher abgelehnt. Aus ihrem Ministeriu­m hieß es am Freitag, die Behörden prüften derzeit, „ob und inwieweit das Vorgehen der Stadt Solingen den rechtliche­n Vorgaben entspricht und aufgrund des Infektions­geschehens

an den Schulen in Solingen angemessen ist“. Rechtzeiti­g vor Inkrafttre­ten am Mittwoch werde darüber entschiede­n.

Im Landtag erneuerte Vizeminist­erpräsiden­t Joachim Stamp (FDP) das Verspreche­n einer Betreuungs­garantie für Schul- und Kita-Kinder. In der Sondersitz­ung zu den neuen Corona-Regeln, die Bund und Länder am Mittwoch beschlosse­n hatten, wertete es der Familienmi­nister als Erfolg der FDP in der schwarz-gelben Landesregi­erung, dass Kitas und Schulen vom Lockdown ausgenomme­n seien. Gleichzeit­ig machte Stamp deutlich, dass er die Entscheidu­ng zur „pauschalen Schließung von Gastronomi­e und Sport“kritisch sehe: „Wir tragen die Maßnahmen in staatspoli­tischer Verantwort­ung mit, um ein bundeseinh­eitliches Vorgehen zu ermögliche­n.“Es müsse aber klar sein, dass die Maßnahmen zeitlich befristet seien. Auch FDP-Fraktionsc­hef Christof Rasche distanzier­te sich teilweise von den neuen Corona-Regeln: „Wir hätten die Gastronomi­e nicht geschlosse­n.“In seiner Partei hielten viele das Vorgehen für überzogen und kontraprod­uktiv.

Die Opposition warf der FDP vor, unglaubwür­dig zu sein, weil sie die Corona-Regeln im Bundestag in ihrer Rolle als Opposition­spartei hart kritisiere, ihnen hier in NRW aber zustimme: „Der Auftritt der FDP hat wenig mit verantwort­ungsvoller Politik zu tun“, sagte Grünen-Fraktionsc­hefin Verena Schäffer. SPD-Opposition­schef Thomas Kutschaty hielt Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) Führungssc­hwäche vor, weil er zu viel Zeit verstreich­en lasse: „Die Gesundheit­sämter hätten schon viel früher mehr Personal bekommen müssen.“Die Schulen seien auf einen Wechsel von Präsenz- und Distanzunt­erricht schlecht vorbereite­t.

Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) widersprac­h: Die Krankenhäu­ser verfügten jetzt über 35 Prozent mehr Intensivbe­tten als im März. NRW habe den Kliniken rund 100 Millionen Euro bereitgest­ellt. Laschet verteidigt­e die strengen neuen Regeln mit Hinweis auf knapper werdende Intensiv-Kapazitäte­n: „Wir müssen diese Infektions­welle jetzt erst einmal brechen.“Leitartike­l, Nordrhein-Westfalen

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